Aufstieg Karrierechancen in Russland: Nichts für Hasenfüße

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Karl-Heinz Kalbfell, Aufsichtsratvorsitzender beim Autohersteller Gaz Quelle: Mikhail Beznosov für WirtschaftsWoche

Kalbfells Weg zu Gaz, dem Hersteller des russischen Beamten-Dienstwagens Wolga, ebnete ein zufälliges Gespräch mit Gaz-Chef Eberhardson. Der hielt den Schwaben wegen seiner internationalen Praxiserfahrung für den richtigen Mann.

Ausländische Know-how-Lieferanten, sagt Kalbfell, könnten „dazu beitragen, die russischen Unternehmen in allen Disziplinen schneller auf Weltmarktniveau zu bringen“. Dabei seien „Pioniergeist und Improvisationsfähigkeit“ gefragt – Tugenden, die in vielen westlichen Unternehmen in Vergessenheit geraten seien.

Kalbfells Auftraggeber geht durch schwierige Zeiten. Unter dem Druck der Liquiditätskrise bringt Gaz seinen Wolga Siber, die erste neue russische Limousine seit Jahrzehnten, auf den Markt, modernisiert seine Nutzfahrzeug-Palette und organisiert seine Produktion neu.

Der 58-Jährige hat sich auf kein gewöhnliches Mandat eingelassen: Lange Flüge, Zeitverschiebung und häufigere Sitzungen als bei westlichen Aufsichtsratsmandaten gehören in Russland zum Manageralltag. Der Aufbau eines eigenen Kontakt-Netzwerks dauert noch länger.

Aber Kalbfell bereut nichts: „So etwas mitgestalten zu können ist fantastisch. Gaz erwartet von seinen Aufsichtsratsmitgliedern, dass sie intensiv diskutieren und sich aktiv einmischen.“

Bei dem Lkw-Hersteller SSA-Isuzu, der von der russischen Automobil-Holding Sollers kontrolliert wird, baut der ehemalige Daimler-Manager Gerhard Hilgert die Brücken nach Fernost. Zunächst beriet der aus Koblenz stammende 59-Jährige das Unternehmen beim Ausbau seines Vertriebsnetzes – doch als die Russen den Wert seines Erfahrungsschatzes für ihre Expansionsvorhaben erkannten, drängten sie ihn, all das, was er als Berater vorgeschlagen hatte, als Generaldirektor in die Tat umzusetzen.

Hilgert, der das Nutzfahrzeug-Business von der Pike auf lernte, hat als einziger Manager im Unternehmen einen Lkw-Führerschein und setzt sich ab und zu noch selbst ans Steuer. Das macht hier Eindruck. Zudem hatte er seine Auftraggeber mit einem äußerst detaillierten Businessplan beeindruckt.

Heute, als Generaldirektor mit der Umsetzung betraut, gehören sensible Aufgaben wie Grundstückskauf und Ausschreibungen zu seinem Geschäft. „Einem Deutschen traut man wahrscheinlich am ehesten zu, dass dabei alles nach Standards abläuft“, sagt Hilgert.

An den Teutonen-Bonus knüpfen die Russen allerdings auch hohe Erwartungen: „Wenn russische Unternehmen mit Deutschen einmal schlechte Erfahrungen machen, ist die Enttäuschung besonders groß“, sagt Sergej Nikitin, der Leiter der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation in Deutschland.

Eigentlich erstaunlich, dass die Schar der Deutschen in russischen Unternehmen, verglichen mit angelsächsischen Managern, noch überschaubar ist. Doch es werden mehr: Reiner Müller-Hanke, zuvor Berater der europäischen Entwicklungsbank EBRD, leitet die vor drei Jahren von der Finanzgruppe Intesa übernommene Mittelstandsbank KMB.

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Wolf-Dietrich Krüger, ein ehemaliger Siemens-Mann, ist stellvertretender Generaldirektor des Energie-Anlagenbauers Power Machines. Im Aufsichtsrat sitzen zwei deutsche Siemens-Manager – Siemens ist mit 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt.

Als sogenannter Independent Director, also nicht mit dem Unternehmen oder der russischen Politik verbandelter Direktor, nimmt der frühere BP-Manager Rolf Stomberg ein Aufsichtsratsmandat bei dem Stahlkonzern Severstal wahr. Reinhold Schlensok, Chef der schwäbischen Dr. Scheller Cosmetics, berät als Aufsichtsratsmitglied seinen Mutterkonzern Kalina, den größten Kosmetikhersteller Russlands.

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder leitet den Aktionärsausschuss von Nord Stream, einem vom Staatskonzern Gazprom kontrollierten deutsch-russischen Pipeline-Joint-Venture. Der frühere Bundesbank-Präsident Ernst Welteke und Andreas Zeisler von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) wiederum sitzen im Kontrollgremium der südrussischen Bank Center Invest.

Wer etwas kann und – nicht minder wichtig – wer gut mit Russen kann, den erwarten Offenheit, Respekt und oft sogar Herzlichkeit. Fallschlingen gibt es aber auch: Sachlich gemeinte Kritik wird in russischen Betrieben leicht persönlich genommen.

Netzwerke sind wichtiger als im Westen. Nichts geht ohne „Krischa“, das „Dach“ einflussreicher Partner und Gönner. Schon bei der Anrede mit Du oder Sie gelten andere Regeln: Chef duzt, Mitarbeiter siezt. Viele Unternehmen werden ausgesprochen hierarchisch geführt – ohne Plazet von oben lässt sich wenig bewegen.

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