Aufstieg Karrierechancen in Russland: Nichts für Hasenfüße

Seite 3/3

49_russland_graphik

Manchmal sogar von ganz oben: Der Machtzirkel des russischen Premiers Wladimir Putin wacht mit Argusaugen über strategische Branchen wie den Energie- und Rohstoffsektor, die Rüstung und den Flugzeugbau.

Derzeit legt die Regierung fest, welche Branchen und Unternehmen in der Finanzkrise bevorzugt Bankkredite erhalten sollen. Milliardenschwere russische Eigentümer oder einflussreiche Manager – im schlimmsten Fall die eigenen Verbündeten – können über Nacht in Ungnade fallen. Erfahrene ausländische Russland-Manager verfolgen deshalb in der russischen Presse besonders aufmerksam das politische Geschehen im Land.

Russische Mitarbeiter merken indes auf, wenn sie sehen, dass deutsche Manager auch bereit sind, von Russland zu lernen. Eine Lektion heißt Tempo: Die jungen, entscheidungsfreudigen russischen Unternehmer agieren blitzschnell. Oft stechen sie – etwa im Bausektor – westliche Konkurrenten aus, die neue Vorhaben endlosen Due-Diligence-Prüfungen unterziehen müssen.

Eine andere Tugend ist die Informationssicherheit: Unternehmensdaten werden in Russland konsequent geschützt. Private Memory-Sticks an Firmenrechnern etwa, in Deutschland selten als Sicherheitsrisiko ernst genommen, sind in vielen russischen Unternehmen undenkbar.

Und russische Personaler setzen nicht nur positive Leistungsanreize: Wenn ein Mitarbeiter des Flughafens Domodedovo durch Nachlässigkeit Schaden riskiert, erhält er vorübergehend weniger Geld: Schon für eine Kaffeetasse neben der Tastatur setzt es fünf Prozent Gehaltsabzug. Erstaun-licherweise seien aber nicht Kündigungen die Folge, sagt Domodedovo-Manager Burkard, sondern „die Leute fühlen sich bei der Ehre gepackt und tun alles, um den Fehler künftig zu vermeiden“.

Obwohl der frühere Osteuropa-Chef von British Airways, der fließend Russisch spricht, schon seit 1999 in Moskau lebt, ist das Land für ihn Abenteuer pur: „Der Adrenalinspiegel ist höher. Man muss jederzeit auf ein Kräftemessen gefasst sein.“

Als ein Polizist ihn aus dem Verkehr winkte – so etwas endet meist mit Verwarnungsgeldern, bar zu entrichten für tatsächliche oder angebliche Mängel am Auto –, schüchterte der 41-Jährige ihn mit perfekt gespielter Funktionärshybris ein: Obwohl Burkard den Beamten wie selbstverständlich duzte, bestand er großspurig darauf, von ihm als Gospodin (Herr) Burkard gesiezt zu werden. Der Milizionär witterte Ärger und ließ schließlich von ihm ab.

Chuzpe im entscheidenden Moment kann sich im mal kaltschnäuzigen, mal zutiefst sentimentalen Russland genauso auszahlen wie Großmut: Noch in Lohn und Brot bei British Airways, saß Burkard versunken ins Gespräch mit dem Pächter des Flughafens Domodedovo beisammen, als – jegliche Verhaltensregeln des Berufsstandes brechend – sein Chauffeur um Aufmerksamkeit bat. Der Familienvater wollte früher gehen, um einer Ballett-Aufführung seiner kleinen Tochter beiwohnen zu können.

Burkard tat etwas nach russischem Hierarchieverständnis Unerhörtes: Er wünschte seinem Fahrer einen schönen Abend und ließ ihn ziehen. Dmitri Kamentschik, Eigentümer des Logistik-Dienstleisters East Line und Pächter des Flughafens, war sprachlos. Als er sich gefasst hatte, bot er dem Deutschen jedoch sofort einen Job an.

Zu einer neuen Stelle kommt man in Russland aber auch ganz konventionell. So wie Markus Krupp: Nach zwei Jahren als kaufmännischer Geschäftsführer von Volvo Financial Services in Moskau machte er sich als Berater selbstständig, sieht sich aber auch wieder auf dem Moskauer Arbeitsmarkt um. Die Resonanz ist gut: Krupp hat Angebote russischer und ausländischer Unternehmen. „Netzwerke, Empfehlungen, persönliche Bekanntschaften sind bei der Jobsuche das A und O – in Russland ganz besonders“, sagt der 36-Jährige.

Deutschen mit Russland-Ambitionen, die erst über wenige Kontakte verfügen, rät Krupp, sich in den Moskauer Zirkeln von Online-Netzwerken wie Xing und LinkedIn zu tummeln und deren reale Treffen zu besuchen.

Anlaufstellen sind auch Branchen-Stammtische, die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer und die Association of European Businesses in the Russian Federation, die von einem Deutschen geleitet wird. Trotz Finanzkrise und Kostensenkungs-Szenarien erlebt Krupp, „dass russische Unternehmen weiterhin offen für ausländische Fach- und Führungskräfte sind “.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%