Hoch genug sind sie ja, die Ansprüche an moderne Manager: Chefs und Mitarbeiter erwarten, dass ihre Führungskräfte immer versierter delegieren und koordinieren, sich auf die Kompetenz interner Experten verlassen und diese führen. Natürlich sollen sie auch einmal eine unliebsame Entscheidung durchsetzen können. Aber bitte nicht auf der Basis traditioneller hierarchischer Strukturen.
Talentierte Mitarbeiter sind lieber Experten als Führungskräfte
Die Rolle von Managern ist heute eine andere als vor ein paar Jahrzehnten. Das liegt vor allem daran, dass der Job von Führungskräften in einem immer komplexeren Umfeld stattfindet. Um diesen Umgang mit der Komplexität drehen sich alle modernen Managementtheorien: Man ist überzeugt, dass die Umwelt der Firmen generell immer schnelleren Veränderungen unterliegt und die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge, die es dabei zu beachten gilt, immer komplexer werden.
Diese Führungstypen gibt es in Unternehmen
Dieser Typ hat die Fähigkeit, Menschen im direkten Kontakt Sicherheit zu geben und ihnen persönlich den Rücken zu stärken. Der Chef ist authentisch, kompetent und besitzt natürliche Autorität. Loyalität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden sind Ergebnis persönlicher Vorbildfunktion und Verantwortungsübernahme. Zentrales Ziel ist, langfristig die Arbeitsplätze der Menschen im Unternehmen und stabile Beziehungen und Organisationsverhältnisse zu sichern.
Die zahlengetriebene Führungskraft ist in der Lage, Menschen so zu organisieren, dass sie auf der Basis eines bestehenden Geschäftsmodells maximalen Profit erwirtschaften. Gute Führung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens über Strategie, Zielemanagement und ein professionelles, auf Kennzahlen gestütztes Controlling. Zentrales Ziel ist, eine attraktive Rendite für die Kapitaleigner zu gewährleisten.
Eine gute Führungskraft dieses Typs unterstützt und begleitet die Zusammenarbeit in dezentral organisierten, sich flexibel verschiedenen Aufgabenstellungen anpassenden Teams. Wenn der Manager gut ist, fördert er die Erhöhung der internen Diversität, sorgt für maximale Transparenz von Information und gemeinsame Reflexion von Zusammenhängen. Zentrales Ziel ist, Synergiepotenziale im und zwischen Unternehmen zu heben.
Dieser Chef lässt viel Raum für Eigeninitiative und begünstigt die ungehinderte, hierarchiefreie Vernetzung zwischen allen Akteuren im Unternehmen. Wenn er seinen Job gut macht, vereint er Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen unter einer attraktiven Vision und vertraut auf ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation. Zentrales Ziel ist, die Komplexität vernetzter Märkte durch eigene Netzwerke zu bewältigen.
Eine gute Führungskraft dieses Typs motiviert hauptsächlich über persönliche Wertschätzung, Freiräume und die Sinnhaftigkeit gemeinsamer Arbeitszusammenhänge. Er ist offen für basisdemokratische Teilhabe. Themen gesellschaftlicher Solidarität und sozialer Verantwortung sind im Alltagshandeln präsent und wichtig. Zentrales Ziel ist, die Interessen aller relevanten Stakeholder optimal zu balancieren.
Gleichzeitig scheint die klassische, hierarchische Laufbahn in Unternehmen viele junge Menschen nicht mehr zu locken: Talentierte Mitarbeiter wollen sich häufig lieber auf Expertenebene weiterentwickeln statt als Führungskraft ihre Zeit mit Bürokratie und Meeting-Marathons zu verbringen. Ein Indikator dafür, dass Managementpositionen nicht mehr als so attraktiv erachtet werden wie noch vor 20 Jahren. Ist etwa das Management im Umgang mit Komplexität überfordert? Das würde die schwindende Attraktivität von Managementpositionen zumindest teilweise verständlich machen.
Immer neue Management-Moden
Ein bedeutender Indikator für Probleme bei der Komplexitätsbearbeitung ist die seit mehr als 20 Jahren steigende Zahl an sogenannten Management-Moden. Denn Manager neigen dazu, auf die steigende Umweltkomplexität mit einfachen Konzepten zu reagieren. Diese versprechen geschickt, die Steuerbarkeit ihres Unternehmens auch bei steigender Unsicherheit zu gewährleisten. Die Liste dieser Methoden ist lang: Sie heißen Business Process Reengineering, Lean Management, Total Quality Management, ISO 9000 und Six Sigma. Möglicherweise sind sie aber weniger für die Anwender als für Buchautoren und Berater ein gutes Geschäft.
Die sieben Etappen des ersten Führungsjobs
Die erste Etappe widmet sich dem Aufbruch in die neue Führungsaufgabe. Es geht darum, sich nicht mit einem großen „Hurra” blindlings ins Abenteuer zu stürzen, sondern sich zunächst zu fragen: Bin ich bereit für die neue Führungsaufgabe?
Mit der Übernahme der Führungsrolle überschreiten Sie die Schwelle vom Mitarbeiter zur Führungskraft. Damit beginnt die zweite Etappe - und mit ihr das Abenteuer Führung. Sie sind nun bereit, allen Konsequenzen ins Auge zu schauen, die sich aus Ihrer in den folgenden Tagen und Wochen ergeben.
Mit der dritten Etappe ist die Schonzeit der ersten 100 Tage vorbei. Die ersten wirklichen Bewährungsproben stehen an. Sie lernen die Regeln einer neuen Welt kennen, suchen treue Gefährten, gewinnen Verbündete - und werden sich Feinde machen. Es lauern Gefahren, die es rechtzeitig zu erkennen gilt.
Die vierte Etappe widmet sich Ihrem Team, das Sie nun auf den Prüfstand stellen: Wer sind die Leistungsträger? Auf wen können Sie zählen? Ziel ist, ein schlagkräftiges Team zu formen, das an einem Strang zieht. Zugleich geht es darum, für die Mitarbeiter ein motivierendes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Mit der fünften Etappe blicken Sie nach vorne. Nachdem Sie sich als Führungskraft freigeschwommen haben und mittlerweile das tägliche Geschäft beherrschen, richten Sie Ihr Augenmerk auf die Zukunft: Wie soll sich Ihr Bereich weiter entwickeln, wie kann er sich im Unternehmen erfolgreich positionieren? Hierzu stellen Sie einen Plan auf und mobilisieren die erforderlichen Kräfte, um ihn umzusetzen.
Nun passiert, was passieren muss: Nicht alles läuft nach Plan, früher oder später gibt es Schwierigkeiten und erste Rückschläge. In der sechsten Etappe sehen Sie sich mit eskalierenden Konflikten, Hiobsbotschaften und falschen Entscheidungen aus dem Management konfrontiert. Jetzt kommt es darauf an, die Rückschläge wegzustecken und die Schwierigkeiten souverän zu meistern.
Auf der siebten Etappe erwartet Sie ein wirklicher Härtetest. Das Unternehmen gerät in eine Krise. Sie hetzen von einer Krisensitzung zur nächsten, ein Klima der Verunsicherung breitet sich aus. Jetzt wird die Führungsaufgabe zu einer echten Herausforderung. Es zeigt sich, ob Sie auch in stürmischen Zeiten einen kühlen Kopf bewahren.
Dafür, dass man steigende Komplexität mit einfachen Konzepten bewältigen sollte, gibt es aber weder theoretische Argumente, noch lassen sich dafür in der Praxis nachhaltige und tiefgehende Verbesserungen hinsichtlich der Unternehmensführung nachweisen. Die Folge der Erfolglosigkeit ist ein ständiger Wechsel der Methoden, die nicht wirklich hilfreich fürs Management sind. Warum? Weil diese „Managementmoden“ auf mechanistischen Organisationsbildern beruhen. Das heißt auf simplen, an die Naturwissenschaften angelehnten Vorstellungen von Organisationen. Diese Ideen sind aber auch Grundlage der Betriebswirtschaftslehre und der Bürokratie.
Insbesondere die auf der Mikroökonomie basierende Betriebswirtschaftslehre ist als Werkzeug der Unternehmenssteuerung durchaus sehr wertvoll. BWL-Kenntnisse sind darum für Manager unabdingbar. Aber aufgrund ihrer extremen Vereinfachungen, insbesondere bei der Abbildung sozialer Realitäten, ist die BWL nicht in der Lage, komplexe soziale Vorgänge wie tiefgehende Organisationsveränderungen oder radikale Innovationen in Organisationen auch nur annähernd abzubilden. Andererseits macht gerade die Einfachheit des Organisationsverständnisses die BWL attraktiv für die Praxis. Das umso mehr, als das Weltbild der mechanistischen Theorien sich gut mit der Praxis deckt.
Simple BWL-Theorien schaden mehr, als sie nutzen
Auf der Strecke bleiben Manager, die versuchen, überwiegend auf Basis der BWL-dominierten akademischen Ausbildung ihre Unternehmen zu steuern. Sie erleiden fast zwangsläufig Schiffsbruch mit ihren auf Rationalität (genauer gesagt auf ihre eigene Rationalität) begründeten Lösungskonzepten. Es ist gut beobachtbar, dass die Manager zum Durchsetzen der vereinfachten Konzepte Macht einsetzen – in der Folge bürokratisiert das Unternehmen zunehmend.
Auch in den USA diskutiert man über die simplen Theoriemodelle, die in der Praxis verwendet werden und bei steigender Komplexität mehr Schaden anrichten als sie nutzen. Der angesehene Stanforder Professor Jeffrey Pfeffer fragt beispielsweise in einem Artikel „Why do bad management theories persist?“ und findet Antworten auch im akademischen System.
Mehr „Opfer“ als „Täter“
Um die Erwartungen ihrer Umwelt zu erfüllen und angesichts der schwachen theoretischen Basis, auf die Manager üblicherweise zurückgreifen müssen, bleibt ihnen oft gar nichts anderes übrig, als wie beschrieben zu agieren. Nur müssen sie dann oft eher als „Opfer“ denn als „Täter“ betrachtet werden. Dass dies aber in der Praxis so nicht üblich ist, zeigen Umfragen bei (Nachwuchs-) Führungskräftetrainings. Dort findet man überwiegend kein gemeinsames Verständnis, was denn nun „Führung“ oder „Management“ sei und warum beide wichtig für Organisationen sind. Aber der Großteil der in Seminaren und Lehrgängen befragten unteren oder mittleren Führungskräfte hält das obere Management des eigenen Unternehmens für „unprofessionell“ – allerdings ohne dabei den Begriff „professionell“ zu hinterfragen.
Zum Autor
Prof. Dr. Rupert Hasenzagl ist Professor für Industrielles Management an der AKAD University, einer der größten Fernhochschulen in Deutschland. Seit 1991 unterrichtet er an Universitäten und Fachhochschulen zu den Themen General Management und Managementberatung.
Ein dreiwöchiger Kurs reicht nicht aus
Wissenschaftliche Analysen zum Professionalisierungsgrad von Management führen aber zu einem ähnlichen Ergebnis. Management ist keine Profession. Es fehlt vor allem an zwei Dingen: einer Standesvertretung, die auf Standards und Weiterentwicklung der Profession achtet; und an einem Kern von akademischem Wissen und einer Ausbildung, die eine Profession begründen. Würden Sie zu einem Arzt gehen, der im Vorberuf Metzger war und dann vielleicht in drei einwöchigen „Arzt Development“-Ausbildungen Praxisvorstellungen vermittelt bekommt? Für Manager inmitten ihrer komplexen Umwelt ist eine derartige Karriere aber leider viel zu häufig Realität.
Die fehlende Professionalisierung – insbesondere im Umgang mit hoher sozialer Komplexität – scheint ein Hauptgrund zu sein, warum Westeuropa in einer Phase immer effizienterer Ausbeutung alter Innovationen verharrt, radikale Veränderungen aber kaum möglich sind. Eine Wissensbasis, bestehend aus einer theoriebasierten akademischen Managementausbildung und einer darauffolgenden Praxisphase, wie unter Ärzten und Anwälten üblich, ist auch für das Management in unserer komplexen Welt unabdingbar.