Behinderte Manager Karriere mit Handicap

Seite 4/4

Wolfgang Reithofer

Doch der Automobilkonzern signalisierte: Wenn du es dir zutraust, kommst du wieder in deinen alten Job zurück. Von da an ging es bergauf. Trefzger konnte sich auf seine Reha konzentrieren; im Hintergrund bereitete das Disability Management von Ford seine Rückkehr vor: Türen wurden verbreitert, ein Treppenlift eingebaut und ein höhenverstellbarer Tisch geordert. „Als ich nach einem halben Jahr ins Unternehmen zurückkam, war alles geregelt“, erinnert sich Trefzger. „Das empfand ich als große Wertschätzung.“

Dieser unaufgeregte Umgang mit behinderten Kollegen sei jedoch eher die Ausnahme. Noch immer hätten viele Vorgesetzte „Berührungsängste gegenüber behinderten Mitarbeitern – aus Angst, etwas falsch zu machen“, sagt Olaf Guttzeit, Schwerbehindertenbeauftragter bei Boehringer Ingelheim. Der Pharmakonzern engagiert sich gemeinsam mit anderen Unternehmen wie Deutsche Bahn oder BASF für mehr Integration von Behinderten in der Arbeitswelt.

Das ist auch notwendig: Noch immer zahlen mehr als 80 Prozent aller deutschen Unternehmen lieber die gesetzliche Ausgleichsabgabe, als Behinderte im vorgeschriebenen Umfang einzustellen. Jede fünfte Firma beschäftigt gar keinen Behinderten.

„Ich bin ja auch kein netterer Chef, nur weil ich behindert bin“

Wolfgang Reithofer ist 34, als sein Arzt diagnostiziert: multiple Sklerose. Für gewöhnlich ein niederschmetterndes Urteil. Doch Reithofer macht unbeirrt weiter – und hat Erfolg. Drei Jahre später wird er in den Vorstand von Wienerberger berufen, einem der weltweit größten Ziegelhersteller. Heute ist er dessen Vorsitzender – und rund um die Uhr auf Pflege angewiesen.

Die Beine sind gelähmt, Arme und Finger kann er nur mühsam bewegen. Trotzdem führt er sein Unternehmen auch durch die aktuell schwierigen Zeiten: Wienerberger erwartet im laufenden Jahr Umsatzeinbußen und wird einige Werke schließen müssen. Als Konsequenz hat Reithofer jetzt seinen Rückzug für Ende Juli angekündigt, zwei Jahre vor Ende seines Vertrags.

Der 60-Jährige hat zwar beruflich alles erreicht, dennoch räumt er ein: „Es gibt eine gläserne Decke für Behinderte, die ist nur schwer zu durchbrechen.“

Er selbst habe viel Glück gehabt, und natürlich sei es ein Vorteil gewesen, dass er bereits Prokurist bei Wienerberger war, als er von seiner Krankheit erfuhr. Allerdings war ihm immer wichtig, dass keiner freundlicher zu ihm sein muss, nur weil er im Rollstuhl sitzt. „Ich bin ja auch kein netterer Chef, nur weil ich behindert bin“, sagt Reithofer.

Die Betroffenen bräuchten dringend Vorbilder

So offen gehen nicht alle mit ihrer Behinderung um. Zwar arbeiten vielerorts Behinderte im mittleren und oberen Management, etwa bei BASF, Otto, Siemens oder Metro. Auf die Anfrage der WirtschaftsWoche reagierte das Gros dennoch zurückhaltend. „Ich definiere mich doch nicht über mein Handicap“, heißt es in einigen Absagen.

Dabei beklagen die Behindertenverbände genau das: mangelnde Solidarität der Top-Leute gegenüber dem Nachwuchs. Die Betroffenen bräuchten dringend Vorbilder, die sie jedoch kaum finden.

Auch Grundl hat das erlebt. Direkt nach seinem Unfall sah er nur „das Demütigende“ an seiner Situation und fühlte sich „nutzloser als eine Zimmerpflanze“. Eine harte, einsame Zeit war das.

Erst als er in der Reha-Klinik ein Plakat sah, das einen Mann zeigte, unterwegs im Rennrollstuhl mit Frau und Kindern – da habe es Klick gemacht. Von da an sah Grundl auch andere Rollstuhlfahrer, die wie selbstverständlich einen guten Job und Familie hatten. „Das hat mir Mut gemacht, und ich wusste: Das schaffst du auch!“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%