10 Fragen zur Krankmeldung Darauf müssen Sie bei der Krankschreibung achten

Vor allem im Winter trifft es viele schnell mit einer Erkältung. Quelle: dpa

Bei einer Krankmeldung gibt es viele Fragen. Wann melde ich mich wie ab, darf ich die Vertretung einweisen, ins Kino gehen oder Urlaub machen? Was ändert sich bei der digitalen Krankmeldung? Ein Experte gibt Auskunft.

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1. Krankmeldung: Diese Fristen gelten
Die Krankmeldung ist nicht zu verwechseln mit der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die erst nach einigen Tagen fällig wird. Bei der Krankmeldung ist „rechtzeitig“ gleichbedeutend mit „sofort“. „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen“, heißt es dazu im Entgeltfortzahlungsgesetz

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – der sogenannte gelbe Schein – wird nötig, wenn man länger als drei Kalendertage arbeitsunfähig ist. Achtung: Das Gesetz spricht hier nicht von Werktagen, das Wochenende zählt mit. Wer also am Freitag krank wird, muss am Montag zum Arzt. Der Mediziner bescheinigt die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer. Das Attest muss spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorgelegt werden.

Der Arbeitgeber ist laut Gesetz berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dies kann beispielsweise im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung geregelt sein.

2. Bei wem und wie melde ich mich krank?
Manch ein Arbeitnehmer steht vor der grundsätzlichen Frage: Bei wem melde ich mich überhaupt krank – beim direkten Vorgesetzten oder bei der Personalverwaltung? Hier ist die Firma in der Pflicht. „Der Arbeitgeber muss mitteilen, wer im Betrieb konkret für die Entgegennahme der Krankmeldung zuständig ist“, erklärt Till Bender, Rechtsschutzsekretär bei der DGB Rechtsschutz GmbH, der Rechtsberatung und Prozessvertretung für Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes. An diese Person sollte man sich im Krankheitsfall auch halten. Wer einem anderen Kollegen Bescheid sagt, trägt laut Bender das Risiko, dass dieser die Krankmeldung nicht weitergibt.

Normalerweise reicht bei der Krankmeldung laut dem Experten ein Telefonanruf. Eine E-Mail oder SMS können aber in bestimmten Fällen von Vorteil sein. „Wenn man die Befürchtung hat, dass der Arbeitgeber Vorwände sucht, um eine Abmahnung und spätere Kündigung auszusprechen, sollte man dafür sorgen, dass ein schriftlicher Nachweis vorliegt“, rät Bender.

3. Wann ist eine neue Krankschreibung fällig?
Der Arzt hat im ersten Attest die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit niedergeschrieben. Ist der Arbeitnehmer länger krank, ist eine neue Bescheinigung notwendig. Wann genau sie eingeholt werden muss, darüber herrscht häufig Unklarheit. Im Gesetz gibt es dazu nämlich keine Angaben. Mal angenommen, die erste Krankmeldung läuft an einem Sonntag aus. Reicht dann ein Arztbesuch am Montag oder muss man sich am vorherigen Freitag kümmern?

„Anders als früher reicht es aus, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Folgetag ausgestellt ist. In dem Beispiel also am Montag“, erklärt Bender. Bis vor einiger Zeit habe der Arbeitnehmer schon am Freitag zum Arzt gehen müssen. Diese Regelung sei aber wenig plausibel gewesen. Deshalb habe der Gesetzgeber diese „Krankengeldfalle“ beseitigt.

Ein Betroffener muss auch nicht bis zum letzten Tag mit dem Arztbesuch warten. Das Attest darf laut dem Experten vor Ablaufen der vorherigen AU-Bescheinigung ausgestellt werden: „Entscheidend ist, dass der Arzt an dem Tag eine Prognose darüber abgeben kann, wie lange die Arbeitsunfähigkeit noch besteht.“

4. Was passiert, wenn ein gelber Schein zu spät eingereicht wird?
„Wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen ist, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum verweigern“, erklärt Bender. „Nach Ablauf des sechs Wochenzeitraums gilt dies entsprechend für das Krankengeld von der Krankenkasse. Erst, wenn Arbeitsunfähigkeit wieder attestiert ist, besteht der Anspruch.“

Allerdings kann es angesichts überfüllter Arztpraxen oder Verzögerungen auf dem Postweg leicht passieren, dass der „gelbe Schein“ nicht rechtzeitig beim Arbeitgeber ankommt. Beschäftigte haben laut Bender hier keine Konsequenzen zu fürchten, wenn sie keine Schuld trifft. „Im Zweifelsfall würde ich mit der Arztpraxis sprechen, dass diese die Bescheinigung vorab faxen, dann sollte es auch kein Problem sein“, rät der DGB-Rechtsschutzsekretär.

5. Was ist während der Krankschreibung erlaubt?
Wer krankgeschrieben ist, ist nicht zwangsläufig ans Haus gefesselt. Grundsätzlich gilt, dass der Betroffene nichts tun darf, was die Genesung behindert. Welche (Freizeit-)Aktivitäten erlaubt oder sogar der Gesundheit förderlich sind, hängt also vom Einzelfall ab. Joggen oder ein Kinobesuch können bei Burn-out womöglich guttun, sind für einen Patienten mit hohem Fieber hingegen zu belastend.

Aber wie sichert man sich im Zweifelsfall ab? „Befürchtet man, dass eine bestimmte geplante Aktivität schädlich ist, sollte man dies auf jeden Fall mit dem Arzt besprechen“, empfiehlt Bender. „Eine schriftliche Bestätigung ist nicht erforderlich, da der Arbeitgeber ja nicht mitgeteilt bekommt, welche Erkrankung vorliegt. Er kann also nicht abschätzen, in welchem Verhältnis Krankheit und Aktivität stehen.“

6. Arbeiten während der Krankmeldung

Es klingt zunächst paradox, aber: Wer arbeitsunfähig ist, darf womöglich arbeiten. „Es gibt keine allgemeine Arbeitsunfähigkeit“, betont Bender. Die Bescheinigung beziehe sich immer auf eine konkrete Tätigkeit. Ein Nebenjob sei davon möglicherweise nicht betroffen. Zum Beispiel, „wenn eine körperliche Haupttätigkeit besteht, die beispielsweise aufgrund eines gebrochenen Beines nicht ausgeübt werden kann. Eine Tätigkeit am Schreibtisch bleibt dann trotzdem möglich.“

Tatsächlich arbeiten viele Krankgeschriebene und sind sich dessen nicht bewusst. Denn bereits das Checken beruflicher Nachrichten ist Arbeit. „Insbesondere, wenn das Lesen und Schreiben von E-Mails zur Haupttätigkeit gehört, erscheint es widersprüchlich, genau solche Tätigkeiten auszuüben, die man ja angeblich gar nicht ausüben kann“, warnt Bender.

Kranke Arbeitnehmer sollten schon aus reinem Selbstschutz darauf bedacht sein, Distanz zum Job zu wahren und nicht etwa der Krankheitsvertretung ständig für Fragen zur Verfügung zu stehen. „Das Engagement kann einem auch negativ ausgelegt werden, weil der Arbeitgeber Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bekommen kann“, gibt der Experte zu bedenken. Daraus folge im Gegenzug: „Keinesfalls darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer dazu zwingen, in der Krankheit für berufliche Angelegenheiten erreichbar zu sein.“

7. Krankgeschrieben in den Urlaub fahren?
Beim Thema „Krankschreibung und Urlaub“ gibt es immer wieder scheinbar widersprüchliche Meldungen. So heißt es in einem Ratgeber der DGB Rechtsschutz: „Wer krank ist, kann keinen Urlaub machen“. Die Verbraucherzentrale berichtete hingegen im Sommer 2019 unter Berufung auf ein Gerichtsurteil: „Wer Krankengeld bekommt, darf dennoch Urlaub in der EU machen“.

„Hier sind zwei Formen von Urlaub zu unterscheiden“, erklärt Bender. „Nach dem Bundesurlaubsgesetz haben Arbeitnehmer Anspruch auf vier Wochen bezahlte Freistellung von der Arbeit, um sich zu erholen. Wer krank ist, kann sich nicht erholen. Entsprechend kann man keinen Urlaub nehmen, wenn man krank ist.“ Wer also während dieser Freistellung zur Erholung krank wird, dem gehen die Urlaubstage nicht verloren.

„Davon zu unterscheiden ist der umgangssprachliche Begriff des Urlaubs, wie er in der von Ihnen zitierten Entscheidung verwendet wird, nämlich in dem Sinne, dass man wegfährt“, sagt Bender. In diesem Fall gelte wie bei anderen Aktivitäten die Maßgabe, dass die Tätigkeit die Genesung nicht behindern darf. „Hier kommt es wiederum auf die Umstände des Einzelfalls an. Mit einem gebrochenen Bein kann man durchaus auf Mallorca am Strand liegen, eine Bergwanderung hingegen dürfte ausgeschlossen sein.“ Auf jeden Fall gilt dem Experten zufolge: Wer Krankengeld bezieht und im EU-Ausland Urlaub machen möchte, muss vorher die Krankenkasse informieren.

8. Melde ich mich arbeitsfähig?
Das Ende der Krankschreibung verläuft im Vergleich zu deren Beginn unbürokratisch. „Eine Arbeitsfähigkeitsmeldung im strengen Sinne gibt es nicht“,  sagt Bender. „Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trägt ein Enddatum. Ist dieses abgelaufen, so muss der Arbeitnehmer entweder eine neue Bescheinigung vorlegen oder wieder bei der Arbeit erscheinen. Unabhängig davon ist es sinnvoll, hier mit dem Arbeitgeber in Verbindung zu bleiben und ihm frühzeitig mitzuteilen, wann man wieder zur Arbeit erscheinen kann, da dieser die Arbeitskraft ja auch ein planen muss.“

9. Trotz Krankschreibung früher arbeiten?
Eine AU-Bescheinigung ist kein ärztliches Arbeitsverbot. Wer früher als angenommen wieder gesund ist und vor Ablauf des Attests in den Job zurückkehrt, ist deshalb regulär unfall- und krankenversichert. 

Bleibt nur die Gretchenfrage: Muss ich früher arbeiten, wenn ich fit, aber noch krankgeschrieben bin? Bender sieht hier einen Graubereich und warnt vor Selbstüberschätzung. „Denn es stellt sich natürlich schon die Frage, wer beurteilt, ob der Arbeitnehmer wieder fit ist“, findet der Rechtsexperte. „Der Arzt hat ja bescheinigt, dass die Rekonvaleszenz noch länger dauert und kann dabei natürlich auf ein ganz anderes Fachwissen zurückgreifen, als der Arbeitnehmer aus seiner persönlichen Betroffenheit heraus. Ich meine, dass der Arbeitnehmer hier nicht klüger sein muss als sein behandelnder Arzt.“

Bender empfiehlt deshalb vor der frühen Rückkehr in den Job auf jeden Fall einen erneuten Arztbesuch. „Vielleicht kann man zusammenfassend sagen, dass der Arbeitnehmer natürlich arbeiten muss, wenn er gesund ist. Ob dies der Fall ist, entscheidet aber letztlich der Arzt“, meint der Experte vom DGB.

10. Was ändert sich mit der elektronischen Krankmeldung?
Der „gelbe Schein“ wird ab 2021 durch eine digitale Bescheinigung ersetzt. Das haben im Oktober 2019 der Bundestag und im November der Bundesrat zum Zwecke des Bürokratieabbaus beschlossen. Damit werden Arbeitgeber künftig automatisch direkt vom Arzt über die Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten informiert. Der Patient muss also nicht mehr selbst die Bescheinigung vorlegen. „Das ist auch deshalb gut, weil Arbeitgeber Verstöße gegen diese Pflicht oft nutzen, um Arbeitnehmer mit hohem Krankenstand zu kündigen. Diese Möglichkeit entfällt dann“, sagt Bender.

Er gibt jedoch zu bedenken: „Die Pflicht, sich umgehend persönlich krankzumelden, besteht aber weiterhin. Auch diese sollten Arbeitnehmer ernst nehmen, da auch in diesem Bereich Verstöße zu Abmahnungen und gegebenenfalls zur Kündigung führen können.“ Schwierigkeiten bei der Umstellung seien zudem nicht auszuschließen. „Es ist noch nicht klar, ob überhaupt eine zusätzliche schriftliche Bestätigung vorgesehen ist. Rechtlich kann man sich als Arbeitnehmer aber auf den Standpunkt stellen, dass die Übermittlung jetzt Angelegenheit des Arztes ist.“

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