3G in Unternehmen Was Firmen sich alles einfallen lassen, um doch rauszufinden, wer geimpft ist

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Datenschutz als größte Hürde


Als die bislang größte Hürde für Unternehmen, an diese Information zu kommen, gilt der Datenschutz, denn der Impfstatus gehört zu den besonders geschützten Gesundheitsdaten. Und so können Arbeitgeber zwar fragen, ob ihre Mitarbeiter geimpft sind, mit einer ehrlichen Antwort dürfen sie aber nicht rechnen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert deshalb ebenso wie Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek ein Auskunftsrecht für Arbeitgeber. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält eine solche gesetzliche Änderungen durchaus für möglich: „Die weitergehende oder sogar pauschale Abfrage des Impf- oder Teststatus der Beschäftigten durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber braucht eine Rechtsgrundlage, die noch geschaffen werden muss“, sagte Kelber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Eine gesetzliche 3G-Pflicht am Arbeitsplatz ist aber grundsätzlich datenschutzrechtlich vorstellbar.“ Die Arbeitgeber könnten demnach darauf verzichten, den Unterschied zwischen Impf-, Genesenen- oder Test-Status zu kennen. „Erforderlich sind klare, rechtssichere Regelungen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten und den Infektions- beziehungsweise Gesundheitsschutz verhältnismäßig in Ausgleich bringen.“

Ein paar solche rechtssichere Möglichkeiten gibt es aber schon heute, zumindest einen etwas besseren Überblick über die Impfsituation im Unternehmen zu bekommen. Entschädigung für Lohnausfälle gibt es nämlich nur für Geimpfte. Auch hier darf der Arbeitgeber zwar nicht nachfragen, aber er könnte erst einmal davon ausgehen, dass der Mitarbeiter ungeimpft ist – und von ihm den Nachweis verlangen. 

Eine andere Variante, zumindest ein grobes Lagebild über die Impfsituation im Unternehmen zu bekommen, schilderte der Arbeitsrechtler Thomas Gennert von der Kanzlei McDermott Will & Emery im Interview mit der WirtschaftsWoche. Indem Firmen ein Gewinnspiel veranstalten, könnten sie die Datenschutzanforderungen erfüllen. Der Ablauf wäre wie folgt: Unter allen Geimpften werden Gutscheine verlost. Die Frage nach dem Impfstatus wird zur Teilnahmebedingung. Niemand muss teilnehmen. Aber wer das tut, tut das freiwillig, weil er sich einen Vorteil erhofft. Die Daten dürften zwar nicht dauerhaft gespeichert werden, aber es gäbe immerhin eine Momentaufnahme zur Impfquote. 



In Nordrhein-Westfalen gibt es eine weitere Ausnahme, die unter anderem beim Chemiekonzern Evonik genutzt wird. Dort müsse niemand seinen Immunstatus offenlegen, allerdings seien Mitarbeiter gemäß der Corona-Schutzverordnung des Landes verpflichtet, nach mehr als fünf Tagen Freizeit bei Rückkehr an den Arbeitsplatz dem Arbeitgeber entweder einen Immunitätsnachweis oder einen aktuellen negativen Coronatest vorzulegen. „Dies wird von Evonik konsequent kontrolliert“, sagt ein Sprecher. 

Außerdem gibt es bei Evonik regelmäßig anonyme Onlinebefragungen zum Impfstatus, sogenannte „Puls-Checks“. Wer freiwillig offenlegen will, ob er geimpft oder genesen ist, kann dies bei seinem Vorgesetzten tun. Diese Information könne in die Gefährdungsbeurteilung eines Bereichs einfließen  und Mitarbeitern mehr Freiheiten bei der Arbeit verschaffen. Wisse man, dass Menschen geimpft oder genesen seien, könnten sie „auch wieder gemeinsam in einem Büro arbeiten dürfen oder ein Meeting in Präsenz abhalten“, heißt es bei Evonik.

Wenn nun, wie in Bayern, eine 3G-Pflicht für alle Betriebe käme, könnte das für Unternehmen zumindest in dieser Frage Erleichterung bringen. Die Regelung käme implizit einem Fragerecht gleich, sagt Bernd Pirpamer von der Kanzlei Eversheds Sutherland. „Wenn ich dem Arbeitgeber die Kontrollpflicht auferlege, dass im Betrieb nur Mitarbeiter mit 3G-Kriterien anwesend sind, dann muss er das gegenüber der Aufsichtsbehörde auch nachweisen können“, sagt der Arbeitsrechtler. Zumindest die Führungskräfte, die die Kontrollen durchführen, wüssten dann Bescheid. Außerdem könne man auch über die Häufigkeit der Kontrollen Rückschlüsse ziehen: Menschen, die nur getestet sind, müssen regelmäßig frische Ergebnisse vorlegen, bei Geimpften und Genesenen reicht theoretisch schon eine Überprüfung. 

Für die Industrie sieht Bernd Pirpamer dadurch mehr Unruhe, Aufwand  und höhere Kosten kommen. „Viele arbeitsrechtliche Fragen werden sich zuspitzen“, sagt er, „etwa wie Einlasskontrollen geschehen und G-Merkmale dokumentiert werden, wer die Tests bezahlt und ob 3G-Verweigerer den Vergütungsanspruch oder sogar Ihren Job verlieren können.“ Auch die Beteiligung der Betriebsräte müsse geprüft werden. Am Beispiel BMW lässt sich bereits absehen, dass es großen Betrieben leichter fallen dürfte, mit all der Bürokratie umzugehen. Ob es den kleineren Betrieben ab zehn Arbeitnehmern ebenso gut gelingt, bleibt fraglich.

Abhilfe per App

Abhilfe könnte Sebastian Spindler schaffen. Der Österreicher wird mit seinem Unternehmen Testify derzeit mit Anfragen von Unternehmen überschüttet. Seit 1. November gilt in der Alpenrepublik eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Einlasskontrollen muss dort niemand durchführen, Stichproben reichen aus. Und dafür hat Spindler die richtige Software. Dabei fotografieren Mitarbeiter ihre jeweiligen Nachweise oder laden sie als PDF-Datei direkt hoch. Die Software liest die Daten aus und meldet den Mitarbeiter als verifiziert. 

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Sollte es zu Ungereimtheiten kommen, müsse noch einmal eine Führungskraft auf den digitalen Nachweis schauen, erzählt Spindler. Ansonsten laufe das System aber weitgehend von selbst, es erinnere sogar Mitarbeiter, die nur getestet sind, daran, wann ein neuer Nachweis nötig werde. Für den Datenschutz und den Umgang mit den hochsensiblen Impfinformationen sind mit seiner Lösung aber weiterhin die Unternehmen selbst verantwortlich. Auch für Eingangskontrollen sei die Covid Control Platform nicht geeignet. „Die Personalabteilungen der Unternehmen sind derzeit sowieso schon mit Bürokratie überlastet“, so Spindler. „Wir lagern das an die Technik aus.“

Mehr zum Thema: Zunehmend erkranken auch Geimpfte am Coronavirus. Dabei ist das Risiko eines Impfdurchbruchs immer noch gering. Doch bei einem Impfstoff gibt es auffällig viele Durchbrüche.

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