3G in Unternehmen Was Firmen sich alles einfallen lassen, um doch rauszufinden, wer geimpft ist

Schilder wie dieses vor einer Bar in Dresden könnten in Zukunft auch vor Büros und Fabrikhallen stehen, wenn die 3G-Regelung am Arbeitsplatz verpflichtend wird.  Quelle: dpa

Nach einer Vorlage der Ampelkoalition könnte in vielen Unternehmen bald nur noch arbeiten, wer geimpft, genesen oder getestet ist. Doch auch ohne 3G-Pflicht am Arbeitsplatz haben Arbeitgeber die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter zu schützen.

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Von heute an müssen bei BMW an den Standorten Landshut, Dingolfing, Regensburg und München Führungskräfte den Türsteher spielen. Beim Autobauer dürfen dann nur noch Beschäftigte in die Firmengebäude, wenn sie auf das Coronavirus getestet, dagegen geimpft oder davon genesen sind. Geimpfte zeigen ihren Chefs den Impfausweis oder die digitale Impfbestätigung vor, Genesene ihren sechs Monate gültigen Genesenennachweis. Wer beides nicht tut, muss zweimal wöchentlich einen negativen Antigenschnelltest präsentieren. 

In Bayern werden Arbeitgeber wie BMW gerade durch die so genannte Corona-Ampel zum schärferen Handeln gegen die Pandemie gezwungen. Sobald am Montag mehr als 600 Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt waren, sprang sie auf rot – und änderte die Spielregeln für Unternehmen. Ab einer Belegschaft von zehn Mitarbeitern müssen Arbeitnehmer in den meisten Branchen nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind, also den 3G-Regeln entsprechen, wenn sie zur Arbeit kommen. 

Gegessen wird nur als Geimpfter oder Genesener

Der Rest der Republik wird das, was sich derzeit im Süden abspielt, mit großem Interesse betrachten. Die Inzidenzen steigen in ganz Deutschland auf nie dagewesene Höhen. Die pandemische Notlage, die Rechtsgrundlage, auf der die meisten Schutzverordnungen beruhen, läuft zwar in wenigen Wochen aus. Doch die Ampelkoalition hat gerade einen Entwurf vorgelegt, wie es danach weitergehen könnte unter anderem mit 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Die Umsetzung wirft viele arbeitsrechtliche Fragen auf. Doch auch ohne diese Vorschrift schaffen es Unternehmen schon mit pragmatischen Ideen, für Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen und ihre Mitarbeiter besser vor Infektionen zu schützen. 

Zum Beispiel Krombacher. Vor den beiden Kantinen der Brauerei im Siegerland steht jeweils ein Mitarbeiter, der kontrolliert, ob die hungrigen Kollegen geimpft oder getestet sind. Erst seit September ist die Kantine nach langer Schließung und Renovierung wieder geöffnet. Und das gleich im 2G-Modus. Die Dax-Konzerne Bayer und Daimler denken über ähnliche Modelle nach. Die Mitarbeiter des Chemiekonzerns BASF am Standort in Ludwigshafen kennen eine Abwandlung davon schon seit Oktober. Dort haben die Verantwortlichen in der Kantine 3G-Bereiche ausgewiesen, um die Ansteckungsgefahr zu verringern und gleichzeitig mehr Menschen versorgen zu können. 

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Wer den Zugang zur Kantine so stark beschränken will wie Krombacher, muss unter Umständen mit Widerspruch rechnen von denen, die draußen bleiben müssen. Bei der Brauerei habe es aber keine Probleme gegeben, sagt ein Sprecher, da in einer freiwilligen Abfrage erkannt wurde, dass rund 90 Prozent der Mitarbeiter bereits geimpft seien. Weil man Lebensmittel produziere, nehme man Hygiene immer schon ernst. In der Pandemie habe man versucht, Vertrauen aufzubauen durch frühes Testen, Informieren und auch durch Impfungen im umfunktionierten Besucherzentrum.

Kantine als Testfeld

Tatsächlich ist die Kantine für viele Firmen ein einfaches Testfeld für die neuen Zutrittsregeln, der Besuch im Betriebsrestaurant ist schließlich kein Grundrecht. Sobald es in die Büros und Werkshallen geht, wird es aber komplizierter, denn wer vor Ort arbeiten will, dem darf der Arbeitgeber das grundsätzlich nicht verbieten. Unternehmen, die einem Mitarbeiter den Zutritt zum Büro oder der Werkshalle verweigern, müssen im Zweifel dessen Lohn trotzdem zahlen. Wenn die 3G-Regel wie in Bayern zur Pflicht würde, dürfte sich das ändern. Doch auch jetzt finden Unternehmen schon Lösungen, um für die Sicherheit der Belegschaft zu sorgen und auch die ungeimpften Mitarbeiter einzusetzen. 

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Die einfachste Möglichkeit ist es dabei, dass ungeimpfte Kollegen gar nicht erst zum Werksgelände aufbrechen, sondern mobil oder im Homeoffice arbeiten. In Bürojobs ist das schließlich meist problemlos machbar. Weil dieses Modell auf Dauer aber nicht funktioniere, gibt es weitere Ideen: Ungeimpfte könnten zur Kontaktreduzierung in Einzelbüros isoliert sitzen, Geimpfte können auch im Großraumbüro arbeiten. In der Produktion, im Schichtbetrieb mit ausgeklügelten Plänen, ist das aber wohl eher unrealistisch. Unternehmen, deren Belegschaft freiwillig offenlegt, ob sie geimpft sind oder nicht, sind hier im Vorteil.

Datenschutz als größte Hürde


Als die bislang größte Hürde für Unternehmen, an diese Information zu kommen, gilt der Datenschutz, denn der Impfstatus gehört zu den besonders geschützten Gesundheitsdaten. Und so können Arbeitgeber zwar fragen, ob ihre Mitarbeiter geimpft sind, mit einer ehrlichen Antwort dürfen sie aber nicht rechnen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert deshalb ebenso wie Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek ein Auskunftsrecht für Arbeitgeber. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hält eine solche gesetzliche Änderungen durchaus für möglich: „Die weitergehende oder sogar pauschale Abfrage des Impf- oder Teststatus der Beschäftigten durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber braucht eine Rechtsgrundlage, die noch geschaffen werden muss“, sagte Kelber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Eine gesetzliche 3G-Pflicht am Arbeitsplatz ist aber grundsätzlich datenschutzrechtlich vorstellbar.“ Die Arbeitgeber könnten demnach darauf verzichten, den Unterschied zwischen Impf-, Genesenen- oder Test-Status zu kennen. „Erforderlich sind klare, rechtssichere Regelungen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten und den Infektions- beziehungsweise Gesundheitsschutz verhältnismäßig in Ausgleich bringen.“

Ein paar solche rechtssichere Möglichkeiten gibt es aber schon heute, zumindest einen etwas besseren Überblick über die Impfsituation im Unternehmen zu bekommen. Entschädigung für Lohnausfälle gibt es nämlich nur für Geimpfte. Auch hier darf der Arbeitgeber zwar nicht nachfragen, aber er könnte erst einmal davon ausgehen, dass der Mitarbeiter ungeimpft ist – und von ihm den Nachweis verlangen. 

Eine andere Variante, zumindest ein grobes Lagebild über die Impfsituation im Unternehmen zu bekommen, schilderte der Arbeitsrechtler Thomas Gennert von der Kanzlei McDermott Will & Emery im Interview mit der WirtschaftsWoche. Indem Firmen ein Gewinnspiel veranstalten, könnten sie die Datenschutzanforderungen erfüllen. Der Ablauf wäre wie folgt: Unter allen Geimpften werden Gutscheine verlost. Die Frage nach dem Impfstatus wird zur Teilnahmebedingung. Niemand muss teilnehmen. Aber wer das tut, tut das freiwillig, weil er sich einen Vorteil erhofft. Die Daten dürften zwar nicht dauerhaft gespeichert werden, aber es gäbe immerhin eine Momentaufnahme zur Impfquote. 



In Nordrhein-Westfalen gibt es eine weitere Ausnahme, die unter anderem beim Chemiekonzern Evonik genutzt wird. Dort müsse niemand seinen Immunstatus offenlegen, allerdings seien Mitarbeiter gemäß der Corona-Schutzverordnung des Landes verpflichtet, nach mehr als fünf Tagen Freizeit bei Rückkehr an den Arbeitsplatz dem Arbeitgeber entweder einen Immunitätsnachweis oder einen aktuellen negativen Coronatest vorzulegen. „Dies wird von Evonik konsequent kontrolliert“, sagt ein Sprecher. 

Außerdem gibt es bei Evonik regelmäßig anonyme Onlinebefragungen zum Impfstatus, sogenannte „Puls-Checks“. Wer freiwillig offenlegen will, ob er geimpft oder genesen ist, kann dies bei seinem Vorgesetzten tun. Diese Information könne in die Gefährdungsbeurteilung eines Bereichs einfließen  und Mitarbeitern mehr Freiheiten bei der Arbeit verschaffen. Wisse man, dass Menschen geimpft oder genesen seien, könnten sie „auch wieder gemeinsam in einem Büro arbeiten dürfen oder ein Meeting in Präsenz abhalten“, heißt es bei Evonik.

Wenn nun, wie in Bayern, eine 3G-Pflicht für alle Betriebe käme, könnte das für Unternehmen zumindest in dieser Frage Erleichterung bringen. Die Regelung käme implizit einem Fragerecht gleich, sagt Bernd Pirpamer von der Kanzlei Eversheds Sutherland. „Wenn ich dem Arbeitgeber die Kontrollpflicht auferlege, dass im Betrieb nur Mitarbeiter mit 3G-Kriterien anwesend sind, dann muss er das gegenüber der Aufsichtsbehörde auch nachweisen können“, sagt der Arbeitsrechtler. Zumindest die Führungskräfte, die die Kontrollen durchführen, wüssten dann Bescheid. Außerdem könne man auch über die Häufigkeit der Kontrollen Rückschlüsse ziehen: Menschen, die nur getestet sind, müssen regelmäßig frische Ergebnisse vorlegen, bei Geimpften und Genesenen reicht theoretisch schon eine Überprüfung. 

Für die Industrie sieht Bernd Pirpamer dadurch mehr Unruhe, Aufwand  und höhere Kosten kommen. „Viele arbeitsrechtliche Fragen werden sich zuspitzen“, sagt er, „etwa wie Einlasskontrollen geschehen und G-Merkmale dokumentiert werden, wer die Tests bezahlt und ob 3G-Verweigerer den Vergütungsanspruch oder sogar Ihren Job verlieren können.“ Auch die Beteiligung der Betriebsräte müsse geprüft werden. Am Beispiel BMW lässt sich bereits absehen, dass es großen Betrieben leichter fallen dürfte, mit all der Bürokratie umzugehen. Ob es den kleineren Betrieben ab zehn Arbeitnehmern ebenso gut gelingt, bleibt fraglich.

Abhilfe per App

Abhilfe könnte Sebastian Spindler schaffen. Der Österreicher wird mit seinem Unternehmen Testify derzeit mit Anfragen von Unternehmen überschüttet. Seit 1. November gilt in der Alpenrepublik eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Einlasskontrollen muss dort niemand durchführen, Stichproben reichen aus. Und dafür hat Spindler die richtige Software. Dabei fotografieren Mitarbeiter ihre jeweiligen Nachweise oder laden sie als PDF-Datei direkt hoch. Die Software liest die Daten aus und meldet den Mitarbeiter als verifiziert. 

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Sollte es zu Ungereimtheiten kommen, müsse noch einmal eine Führungskraft auf den digitalen Nachweis schauen, erzählt Spindler. Ansonsten laufe das System aber weitgehend von selbst, es erinnere sogar Mitarbeiter, die nur getestet sind, daran, wann ein neuer Nachweis nötig werde. Für den Datenschutz und den Umgang mit den hochsensiblen Impfinformationen sind mit seiner Lösung aber weiterhin die Unternehmen selbst verantwortlich. Auch für Eingangskontrollen sei die Covid Control Platform nicht geeignet. „Die Personalabteilungen der Unternehmen sind derzeit sowieso schon mit Bürokratie überlastet“, so Spindler. „Wir lagern das an die Technik aus.“

Mehr zum Thema: Zunehmend erkranken auch Geimpfte am Coronavirus. Dabei ist das Risiko eines Impfdurchbruchs immer noch gering. Doch bei einem Impfstoff gibt es auffällig viele Durchbrüche.

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