Seit Jahren klagen verschiedene Branchen, dass sie nicht genug Lehrlinge finden. Wenn im Herbst das Ausbildungsjahr beginnt, bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Besonders in der Hotel- und Gastronomiebranche ist das Geschrei groß: Niemand will mehr Koch, Kellner oder Hotelkaufmann beziehungsweise -frau werden. Der Verband der Köche befürchtet deshalb schon ein Restaurant-Sterben. Einige Unternehmen versuchen, die Azubis mit Prämien zu locken und bieten ihnen Begrüßungsgeld, Smartphones oder ein eigenes Auto an. Dennoch bleiben jedes Jahr viele Stellen unbesetzt.
Da verwundert es doch, dass viele Betriebe ganze Bewerbergruppen von vorneherein ausschließen. So machte erst vor Kurzem eine Studie der Bertelsmann-Stiftung öffentlich, dass 58,9 Prozent der deutschen Unternehmen keine Azubis mit ausländischen Wurzeln einstellen. Sie haben Angst, dass ausländische Lehrlinge nicht genügend Deutsch können (38 Prozent) oder das der türkische oder russische Lehrling das deutsche Betriebsklima stören könnte (14,7 Prozent).
Und noch eine Gruppe wollen deutsche Unternehmen nicht ausbilden, wie eine aktuelle DGB-Studie zeigt: nämlich die Hauptschüler. 61,6 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze in der IHK-Lehrstellenbörse schließen Hauptschülerinnen und Hauptschüler von vornherein von Bewerbungen aus. Für die Studie wurden fast 44.000 offene Ausbildungsplatz-Angebote der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörse ausgewertet. "Es passt nicht zu den ewigen Klagen über den vermeintlichen Fachkräftemangel, dass viele Unternehmen junge Menschen mit Hauptschulabschluss von vornherein aus der betrieblichen Ausbildung ausgrenzen", kritisiert die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack das Verhalten vieler Betriebe.
"Fast zwei von drei Ausbildungsplätzen in der IHK-Lehrstellenbörse bleiben diesen Jugendlichen komplett verschlossen. Sie brauchen nicht einmal ihre Bewerbungsunterlagen einzureichen." Besonders auffällig sei, "dass insbesondere die Hotel- und Gastronomiebranche, die seit Jahren über unbesetzte Ausbildungsplätze klagt, noch immer vielfach Jugendliche mit Hauptschulabschluss bei der Auswahl der Auszubildenden außen vorlässt", so Hannack.
Diese Ausbildungsberufe haben die höchsten Abbrecherquoten
Am häufigsten werfen junge Menschen die Lehre hin, die Kellner oder Kellnerin werden wollten.
50,9 Prozent derjenigen, die eine Ausbildung zum Umzugshelfer begonnen haben, halten nicht durch.
Auch den Beruf des Wachmanns haben sich 49,5 Prozent der Auszubildenden offenbar anders vorgestellt, als er letztlich ist.
Dichtauf folgen die Köche: Am Herd brechen 49,4 Prozent ihre Ausbildung ab.
45 Prozent der Kosmetiker-Azubis halten die Lehre nicht durch.
Auch bei den Gebäudereinigern ist die Abbrecherquote mit 44,3 Prozent sehr hoch.
Bei den Friseuren werfen 44,2 Prozent der Lehrlinge vorzeitig das Handtuch.
Und bei den Lkw-Fahrern brechen 43,7 Prozent vorzeitig ab.
Tatsächlich zeigt die DGB-Auswertung, dass Hotels und Gastronomie Jugendliche mit Hauptschulabschluss oft nicht als Azubis in Betracht ziehen. So bleiben auch hier mehr als 60 Prozent der Ausbildungsplätze bei den Hotelfachkräften sowie mehr als 40 Prozent bei den Restaurantfachkräften jungen Menschen mit Hauptschulabschluss von vorneherein verschlossen. Auch im gewerblich-technischen Bereich haben Jugendliche mit Hauptschulabschluss schlechte Chancen. So sind 85,4 Prozent der Ausbildungsplatzangebote bei den Mechatronikern, 47,1 Prozent bei den Zerspanungsmechanikern und immerhin noch 22,7 Prozent bei den Anlagenmechanikern nicht für Hauptschulabsolventen offen. Bei den Bank- und Büroberufen tendieren die Chancen der Hauptschulabsolventen gen Null.
Weil immer mehr junge Menschen Abitur machen, erwartet eben auch der Friseur an der Ecke von seinen Azubis die Fachhochschulreife - zumindest aber den Realschulabschluss. Und immerhin haben auch 67,3 Prozent der Lehrlinge einen solchen Abschluss. 2009 waren es noch 63,3 Prozent. Der Anteil der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss hingegen sinkt kontinuierlich: Lag er 2009 noch bei 33,1 Prozent, ist er inzwischen erstmals unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Trotzdem, so Hannack, liegt es nicht allein an der Abiturientenquote. "Zu viele Betriebe setzen immer noch auf eine Bestenauslese."
Das ist natürlich nachvollziehbar, sollte aber nicht dafür sorgen, dass ganze Gruppen vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden. Denn dass die Mehrheit der Abiturienten auf das Studium pfeift und statt dessen lieber Brötchen verkauft oder Blumen bindet, ist unwahrscheinlich. "Wer künftig seinen Fachkräftenachwuchs sichern will, muss auch Jugendliche mit Hauptschulabschluss ausbilden", sagt Hannack. "Denn wir brauchen in unserem Land in Zukunft mehr und nicht weniger Jugendliche in betrieblicher Ausbildung."