Achtsamkeit Vorsicht, Stress kann süchtig machen

Eine Menge Stress muss man gar nicht erst entstehen lassen. Entscheidend ist die innere Einstellung. Quelle: imago images

Jeder weiß, dass Stress krank macht. Wie Zigaretten und Alkohol kann er aber trotz seiner Schädlichkeit großes Suchtpotential entfalten. Das zu erkennen und zu durchbrechen ist nicht leicht - aber möglich.

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Stress lauert überall. Nicht nur, dass wir permanent darüber sprechen, wir fühlen uns tatsächlich schnell gestresst. Mehr noch: In einer Art Hassliebe, vielleicht sogar Abhängigkeit, führen wir Stress immer wieder selbst herbei.

So absurd eine Sucht nach Stress klingt, so schnell entwickeln viele Menschen sie. Das Stresshormon Cortisol wird vom Körper produziert, um notwendige Anpassungsreaktionen zu steuern. Wir atmen schneller, die Muskeln werden angespannt und Körper und Geist in Sekundenbruchteilen darauf vorbereitet, eine Veränderung zu bewältigen, einer Gefahr zu entkommen. Anderenfalls wären wir nicht handlungsfähig und würden morgens das Bett kaum verlassen.

Die andere Seite der Medaille: Cortisol wirkt im Körper wie eine Droge und macht abhängig. Da das Gehirn Bekanntes bevorzugt, auch wenn es sich für uns nachteilig auswirkt, wiederholen wir Dinge und Situationen selbst dann, wenn sie uns schaden.

Test: Wieviel mentalen Stress haben Sie?

Dieser Teufelskreis ist schwer zu durchbrechen und irgendwann erleben wir Stress als Normalzustand, den wir unbewusst immer wieder suchen. Wir schaffen Erlebnisse und Umstände, die uns stressen, weil uns dieser Zustand vertraut ist. Die biochemische Reaktion auf Stress wird zur Gewohnheit.

Evolutionsbiologisch ist er eine Anpassungsreaktion des Körpers auf sich verändernde Umstände. In den Ursprüngen der Menschheit ging es um das Überleben. Nicht der Klügste oder Stärkste überlebte, sondern derjenige, der sich am besten anpassen konnte, am stressresistentesten war. Schauen wir uns erfolgreiche Menschen heute an, dann zählen in einer sich immer schneller verändernden Welt der Umgang mit Krisen, Flexibilität, Souveränität, also Stressresistenz in einem anderen Kontext, mehr als Muskeln und der höchste IQ.

Die gute Nachricht ist: Auf unsere Stressresistenz können wir Einfluss nehmen. Alltägliche Situationen bergen Stresspotential nur dann, wenn wir es zulassen. Ein um 15 Minuten verspäteter ICE auf dem Weg zum Vortragstermin kann einen wahnsinnig stressen. Oder ein bestelltes Taxi, das nicht kommt. Aber warum freut man sich nicht, wenn mal einer der 85 Prozent pünktlichen Züge in den Bahnhof einfährt? Mit einfachen mentalen Tricks lassen sich Stressfaktoren auf ein Minimum reduzieren.

Denn die vielen kleinen Stressmomente, die wir zulassen, summieren sich. Die Zeiten werden nicht vorhersagbarer, ruhiger, langsamer oder einfacher. Das individuelle Wohlbefinden kristallisiert sich als Mediator zwischen Anforderungen und individuellen Potentialen heraus. Menschen arbeiten und leben genauso gut oder schlecht, wie sie sich fühlen und für sich selbst sorgen.

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Gefragt ist Selbstmanagement. „Das kann ich nicht“ heißt nicht mehr „Ich bin nicht gut genug“. Sondern: „Hier sollte ich etwas lernen“. „Ich habe zu viel Arbeit“ mündet nicht länger in den Gedanken „Ich muss mehr und härter arbeiten“. Sondern: „Hier werde ich mir Unterstützung suchen oder mich anders organisieren“. „Ich habe Stress“ bedeutet nicht mehr „Mir ist mir alles zu viel“. Sondern: „Wie sorge ich besser für mich, um zu schaffen, was ich schaffen will“.

Je besser uns dieser Perspektivwechsel gelingt, desto stressresistenter sind wir. Nicht um uns anschließend erneut zu überfordern, sondern um angemessener handeln zu können.

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