Andrea Nahles "Keine Denke von gestern, bitte"

Seite 3/3

"Ich freue mich dann als Rentenministerin"

Eine Gruppe fällt in diesen Debatten allerdings meist hinten runter: die Selbstständigen.

Derzeit haben wir wegen der guten Arbeitsmarktlage weniger Selbstständige, denn Arbeitnehmer werden händeringend gesucht. Langfristig aber bin ich sicher, dass deren Zahl wachsen wird. Umso wichtiger wäre eine gute Absicherung. Entweder machen wir die Rentenversicherung für Selbstständige attraktiver oder entwickeln einen eigenständigen Versorgungsweg, etwa analog zur Künstlersozialkasse. An beiden Modellen arbeiten wir.

Viele Selbstständige wollen gar nicht vom Staat gerettet werden.

Stimmt, gerade kleine Start-up-Unternehmer sind oft fest davon überzeugt, das nächste Google zu werden. Sie denken kaum an Vorsorge. Wissen Sie, mich erinnert das immer an die Tischtennisplatte.

Die Tischtennisplatte?

Im New-Economy-Boom haben mir viele Gründer gesagt: Wozu einen Betriebsrat, wir besprechen alles bei einer Runde Pingpong in unserem schicken Großraumbüro. Erst als die Internetblase platzte, haben sie begriffen, wie naiv das war.

Die große Koalition streitet gerade heftig über Flüchtlingskosten. Auch Sie wollen mehr Geld von Wolfgang Schäuble.

Wenn wir verhindern wollen, dass sich die angespannte Stimmung in unserem Land weiter zuspitzt und dauerhaft festsetzt, müssen wir alles daransetzen, dass Integration gelingt. Wir müssen dafür sorgen, dass wir denjenigen, die länger hier bleiben werden, auch das Beste abverlangen und ihr Potenzial nutzen. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, junge Leute zu Fachkräften auszubilden und sie nicht in Handlangerjobs sich selbst zu überlassen. Dafür brauchen wir Startinvestitionen, die einen Finanzminister vielleicht erst einmal schocken. Aber wenn wir jetzt nicht investieren, machen wir einen schweren Fehler. Das sind ganz überwiegend junge Menschen, da zahlt sich die Investition doppelt und dreifach aus – und ich freue mich dann als Rentenministerin.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat nun ein Solidarprojekt für Deutsche gefordert, damit die sich nicht zurückgesetzt fühlen. Verstehen Sie dieses Argument – und muss es sich im Haushalt 2017 in neuen Milliardenausgaben niederschlagen?

Ja, ich habe immer gesagt, wir dürfen die einen nicht gegen die anderen ausspielen und in unseren Anstrengungen nicht nachlassen für die, die schon lange hier heimisch sind. Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit muss weiter oberste Priorität haben. Und wir müssen Wort halten, was unsere Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag angeht. Deshalb stößt es auf meinen entschiedenen Widerstand, wenn aus CDU und CSU jetzt auf einmal fest vereinbarte Versprechen infrage gestellt werden.

Eines Ihrer Herzensanliegen ist die Lebensleistungsrente. Der Wirtschaftsflügel der Union will davon aber nichts wissen. Was sagen Sie denen?

Wir haben die solidarische Lebensleistungsrente im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Menschen verlassen sich darauf, und ich lege noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vor. Es kann doch nicht sein, dass jemand, der fast sein ganzes Leben lang geschuftet hat, am Ende zum Amt gehen muss.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%