Sie empfinden Deutschland als sexistischer. Aber es ist viel großzügiger als andere Nationen beim Mutterschutz. In den USA müssen die Frauen wenige Wochen nach der Geburt wieder arbeiten.
Ja, die Deutschen kümmern sich um ihre Mütter. Aber wie sie es tun, ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. In dem Moment, in dem eine deutsche Frau ein Kind bekommt, wird sie zur Mutti abgestempelt – sie soll sich erst mal ausschließlich um den Nachwuchs kümmern. Es ist eine Katastrophe, dass wir in den Vereinigten Staaten Müttern so gut wie keine bezahlte Elternzeit gewähren. Aber dadurch, dass sie so rasch zurückkehren, werden diese immerhin auch weiter als arbeitende Frauen wahrgenommen. Ich glaube, durch den Trend zur Mutti ist es hingegen sogar für deutsche Männer schwieriger, Elternzeit zu nehmen. Sie müssen mit Schwierigkeiten am Arbeitsplatz fertig werden und in der Gesellschaft, weil ihre Männlichkeit hinterfragt wird.
Sie haben lange als Planungschefin für Hillary Clinton gearbeitet. Als Präsidentschaftsbewerberin hat sie bislang Schwierigkeiten, junge Frauen von sich zu begeistern.
Weil die sich nichts vorschreiben lassen wollen. Das ist aber ganz normal. Ich bin elf Jahre jünger als Hillary, und auch wir wollten uns von der weiblichen Vorgängergeneration nicht belehren lassen. Eine junge Wählerin möchte sich natürlich nicht von Frauen in Hillarys Alter sagen lassen, aus weiblicher Solidarität müsse sie nun für sie stimmen. Als die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright sagte, es gäbe einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die andere Frauen nicht unterstützen, kam das bei jungen Frauen gar nicht gut an. Sie sind viel optimistischer, das ist das Vorrecht der Jugend, und glauben natürlich noch, es gebe für ihre Entwicklung keine Grenzen. Spätestens wenn sie Kinder bekommen, werden sie feststellen, dass Frauen noch immer eine ganze Menge Hindernisse überwinden müssen.
Also reizt es junge Amerikanerinnen nicht, endlich die erste US-Präsidentin zu küren?
Für sie ist dieser Aspekt nicht so wichtig. Sie gehen davon aus, dass dies ohnehin bald passieren wird. Frauen meines Alter sagen eher etwas panisch: Wenn Hillary es nicht schafft, die so gut vorbereitet auf das Amt ist wie wohl kein anderer Mensch, welche Frau schafft es dann? Wir wissen auch, dass es immer noch wahnsinnig viel Sexismus in der Politik gibt. Sehen Sie sich nur an, wie Hillarys Alter zum Thema gemacht wird, obwohl etwa Donald Trump älter ist als sie. Hillary hat auch damit zu kämpfen, dass sie vielen nicht wie eine Revolutionärin erscheint, sie ist eben seit Langem Teil des Establishments. Gerade sind aber Kandidaten, die gegen das Establishment wettern, viel populärer. Doch wenn ein Sexist wie Trump gegen Hillary antritt, könnte das helfen, auch junge Frauen für sie zu mobilisieren.
Wie war Clinton als Chefin?
Sie hat etwa durchgesetzt, dass die Morgenkonferenzen erst um 8.15 Uhr beginnen, in Washington extrem spät. Aber so konnten ihre Mitarbeiter ihre Kinder vorher in die Schule bringen. Ich glaube auch, ihre Regierung wäre bunter und weiblicher, etwa mit einer Frau an der Spitze des Finanz- und Verteidigungsministeriums, was es bislang in den USA noch nie gegeben hat.
Sie kommen dafür wohl kaum in Betracht. Schließlich haben Sie öffentlich gesagt, ein Topjob und Familie passten nicht zusammen.
Glauben Sie mir: Ich würde mich am liebsten erschießen, wenn mich jemand als die Frau abstempelt, die gesagt hat, dass Frauen halt nicht Familie und Karriere haben können. Darum ging es mir in meinem Artikel nämlich nie. Übrigens auch nicht um die Aussage, dass Mütter ständig für ihre Kinder greifbar sein müssen. Mein Mann hat viel mehr Zeit mit meinen Kindern verbracht, und das ist denen bislang nicht schlecht bekommen. Was ich sage, ist doch: Es gibt noch eine Karriere nach den Jahren, in denen Eltern für ihre Kinder vielleicht mal kürzertreten müssen. Warum sollte ich also nicht mal wieder einen spannenden Job in Washington annehmen?
Haben Sie jemals bereut, sich mit dem Artikel im „Atlantic“ so klar positioniert zu haben?
Bereut habe ich es nicht, auch wenn es manchmal nicht ganz einfach war. Traditionelle Feministinnen haben mir vorgehalten, ihre Sache verraten zu haben. Und in Europa bekam ich teilweise Feedback von der falschen Seite – da galt ich manchen auf einmal als erfolgreiche Amerikanerin, die anderen sagt, es sei doch besser, zu Hause zu bleiben, statt zu arbeiten. Aber Sie dürfen nicht vergessen: Vielleicht ist dieser Artikel eines der wichtigsten Projekte meines Lebens, mit direktem Einfluss auf das Leben vieler Menschen. Das habe ich als Außenpolitikerin oder Akademikerin sehr selten erlebt, Debatten so gezielt prägen zu können.