Frau Luhmann, „Du bist deines eigenen Glückes Schmied“, heißt es oft. Ihre Studie besagt aber, dass auch das Glück oder Unglück des Partners das eigene Glück bestimmt. Ist das Sprichwort also überholt?
Luhmann: Wie glücklich man ist, liegt nicht komplett in der eigenen Hand. Es ist das Ergebnis von vielen Faktoren, die zusammenwirken. Nur einen kleinen Teil davon kann man tatsächlich selber bestimmen. Viel wichtiger sind die eigene Persönlichkeit sowie die generellen Lebensumstände. Und dazu gehören natürlich auch die Lebensumstände des Partners. Und wenn der einen Arbeitsplatz hat und dementsprechend beschäftigt und glücklich ist, steigt auch das eigene Glück - und umgekehrt.
Arbeit wird oft mit Selbstverwirklichung gleichgesetzt, auch in Ihrer Studie. Offenbar definieren sich Menschen stärker über ihren Arbeitsplatz als bislang angenommen. Warum ist Arbeit so wichtig für unsere Psyche?
Zum einen bringt ein Job finanzielle Sicherheit. Aber gerade in der westlichen Welt reicht das nicht mehr aus, um glücklich zu sein. Studien zeigen auch, dass das Problem an Arbeitslosigkeit gar nicht der Geldmangel ist, sondern vielmehr die negativen Auswirkungen. Das Nichtstun, das Fehlen eines geregelten Tagesablaufs beeinflusst die Psyche.
Die meisten Menschen haben drei fundamentale Bedürfnisse, die sie auch auf der Arbeit erfüllen können: Kompetenz, Autonomie und soziale Beziehungen. Man will also etwas tun, wofür man Bestätigung und Lob bekommt. Man sieht dann „Aha, ich kann etwas“ und bekommt zusätzlich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und gebraucht zu werden. Autonomie bedeutet, sich als eigenständiges Wesen zu erleben und niemandem ausgeliefert zu sein.
Ergebnisse der Studie
Wenn ein Partner arbeitslos wird, wird dadurch auch der andere innerhalb einer Beziehung unzufrieden.
Arbeitslose Männer waren unzufriedener als arbeitslose Frauen. Frauen, die arbeitslos wurden, waren etwas zufriedener als Männer mit Jobverlust. Sie konnten mit ihrer Arbeitslosigkeit offensichtlich besser umgehen als Männer. Bei den arbeitenden Partnern gab es keine Geschlechtereffekte
Die Unzufriedenheit nahm zu, wenn das Paar Kinder hatte. Nachdem einer arbeitslos wurde, waren beide Partner mit Kindern im Vergleich zu kinderlosen Paaren unzufriedener.
Der Arbeitslose wurde unzufriedener, wenn der Partner arbeitete. Auch der arbeitende Partner litt unter der Arbeitslosigkeit des anderen. Wenn der Partner hingegen auch schon arbeitslos war, änderte die Arbeitslosigkeit des anderen wenig. Beide waren und blieben dann in hohem Maße unzufrieden
Gerade wenn man arbeitslos ist und Hartz IV empfängt, setzt dieses Gefühl der Abhängigkeit den Arbeitslosen sehr zu. Auch die finanzielle Autonomie ist dann eingeschränkt.
Das dritte große Bedürfnis des Menschen sind soziale Kontakte. Der Arbeitsplatz ist ein Ort, wo wir solche Kontakte knüpfen können. Mit Kollegen, Kunden, Vorgesetzten oder Patienten.
Durch die Arbeit kann ich mich also selbst verwirklichen und meine Bedürfnisse stillen. Ist dann Arbeitslosigkeit eine Attacke auf mein Selbstbild?
Das hängt ein bisschen davon ab, aus welchem Grund die Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Also wenn man beispielsweise bei Schlecker gearbeitet hat und gleichzeitig mit der restlichen Belegschaft seinen Job verloren hat, ist das sicher leichter zu ertragen. Weil dort alle rausgeschmissen werden, ist das kein allzu großer Angriff auf den Selbstwert. Wenn man hingegen nach der Probezeit gekündigt oder als Einziger gefeuert wird, greift das das Selbstwertgefühl viel stärker an.
Aber warum sinkt dann meine Lebenszufriedenheit, wenn mein Partner seinen Job verliert? Meine Bedürfnisse werden doch weiterhin befriedigt.
Die plausibelste Erklärung ist, dass sich der Stress des Partner auch auf die andere Person überträgt - durch den täglichen Ablauf zum Beispiel. Befunde zeigen, dass sich Paare in ihren Emotionen anpassen, wenn sie länger zusammen sind. Sie fühlen dann ähnlich und ihre Gefühle übertragen sich auf den anderen. Das merkt man vor allem bei schlechter Laune. Motzt der Partner dauerhaft herum, übertragt sich das auf mich selbst.
Ist es eher der äußere Druck der Gesellschaft oder der ungenutzte innere Antrieb, der dem Paar zusetzt?
Eine Kombination aus beidem. Studien zeigen: Wer in einer Region arbeitslos wird, in der die Arbeitslosenquote ohnehin sehr hoch ist, der leidet weniger. Ich würde das „sozialen Druck“ oder „sozialen Vergleich“ nennen. Wenn man einer von vielen ist, wird man weniger stigmatisiert.