Anstrengende Arbeitswege Für Pendelei gibt es keine Alternative

Pendeln stresst, nervt und macht krank. Zwei WiWo-Autoren geißelten kürzlich den Selbstbetrug der Pendler, forderten Homeoffice für alle – und trafen damit einen Nerv. Eine Pendlerin antwortet, warum sie sich das antut.

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Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland pendeln zu ihrem Arbeitsplatz. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Quelle: dpa

Immer mehr Menschen pendeln. Und das wird sich auch nicht mehr ändern.

Egal, wie genervt die Menschen sind – ob nun entlang der lärmenden Bahnstrecken oder die, die eingepfercht in den Zügen sitzen.

Egal, wie oft Psychologen und Ärzte sagen, dass Pendeln krank macht.

Egal, wie oft Städteplaner und Verkehrsexperten vor dem Staukollaps warnen.

Wir werden die leidige Pendelei nicht mehr los.

Als ein Mann noch in seinem Geburtsort im Handwerksbetrieb drei Straßen weiter seinen Beruf lernte, dort sein Leben lang arbeitete und seine Frau derweil zu Hause mit dem Abendessen auf ihn wartete, gab es das Pendelproblem noch nicht. Da genügte es, dass der letzte Bus abends um 19 Uhr in die nächste Stadt fuhr. Die Geschäfte machten ohnehin um 18 Uhr dicht.


Jobwechsel sind Normalität

Der oft gemachte Vorschlag an Pendler, doch einfach näher an den Arbeitsort zu ziehen, ist heutzutage wenig hilfreich. In einem 12.000-Einwohner-Dörfchen gibt es keine 12.000 Jobs, die exakt auf die Fähigkeiten und Wünsche der Einwohner passen. Wer trotzdem arbeiten geht, muss pendeln. Oder umziehen – und das dann bei jedem Jobwechsel. Denn die sind mittlerweile normal geworden: 66 Prozent der Deutschen haben in ihrem Berufsleben bis zu fünf Mal den Arbeitgeber gewechselt.

von Konrad Fischer, Simon Book

Wenn man nicht pendeln will, hieße es also: Kaufen Sie keine Immobilien mehr. Gehen Sie keine festen Beziehungen zu Menschen mit Jobs ein. Bekommen Sie keine Kinder, treten Sie keinem Verein bei – denn mit dem nächsten Jobwechsel, ob nun freiwillig oder unfreiwillig, käme der nächste Umzug.

Klar, wer in Passau lebt und in Hamburg einen Job annimmt, der packt die Koffer. Aber wer in Neu-Isenburg ein kleines Häuschen hat, der zieht nicht ins überteuerte Frankfurt, weil es dort einen – vielleicht sogar befristeten – Job gibt. Nur, um sich die Bahnfahrt zu sparen, um die er innerhalb Frankfurts vermutlich auch nicht herum kommt. Die Dreiviertelstunde maximale Fahrtzeit, die laut Stressforschern noch schadlos an der Arbeitnehmerseele vorbeigeht, überschreiten viele Menschen auch innerhalb einer (Groß-)Stadt, um vom Wohnort zur Firma zu gelangen.

Trennen, umziehen, kündigen? Oft ist Pendeln das geringste Übel

Und was ist, wenn sie einen Job in Leverkusen hat und er in Dortmund arbeitet? Dann kommt man eben nicht zusammen? Oder sollen sich berufstätige Paare trennen, um die Pendelei zu vermeiden, wenn einer von beiden eine Stelle in einer anderen Stadt annimmt?

Was, wenn der Arbeitgeber von Saarlouis nach Kaiserslautern abwandert. Kündigen, umziehen oder pendeln? Hier wählt jeder und jede Betroffene das kleinste Übel – wie das aussieht, ist von der persönlichen Lebenssituation abhängig.

So wird Pendeln erträglicher

Wer jung und ungebunden ist, zieht vielleicht um. Wer gerade die große Liebe in Verdun getroffen oder ein eigenes Häuschen und frisch eigeschulte Kinder in Saarlouis hat, schwingt sich vermutlich lieber morgens ins Auto, anstatt nach Rheinland-Pfalz zu ziehen.

Und Home-Office für alle soll die Lösung sein? Da lachen die Krankenschwester und der Lokführer.

Nein. So lange beide Geschlechter studieren und dann von der Stiftung für Hochschulzulassung an Universitäten im ganzen Land verteilt werden, so lange Arbeitnehmer flexibel sein sollen und auch noch im Süden und Westen besser bezahlt werden als im Norden und Osten Deutschlands – so lange brauchen wir uns über verstopfte Autobahnen und überfüllte Züge nicht zu wundern.

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