App, Online-Kurs oder Videokonferenz So gelingt der Sprachkurs im Netz

Quelle: imago images

Nie ließen sich Sprachen so einfach lernen wie heute. Aber welche Online-Sprachkurse führen tatsächlich zum Erfolg?

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Judith Meyer spricht 13 Sprachen. „Diesen Sommer konzentriere ich mich auf Neugriechisch und Kroatisch“,  erzählt die Computerlinguistin und Autorin der Sprachkurs-Buchserie „Script Hacking“, in der zuletzt ein Hebräisch-Band erschienen ist. Meyer nutzt dabei ausgiebig das Internet. Doch während sie die unendlichen Möglichkeiten schätzt, fühlen sich andere genau davon oft überwältig. Bei der Fülle des meist kostenfreien Online-Angebots ist es entscheidend, zu wissen, wo und wie man am besten zugreift.

Apps wie Duolingo oder Busuu sind der einfachste Weg, um vom Sofa aus Sprachen zu lernen. Das gilt besonders, wenn der Nutzer nach dem Download ohne Registrierung loslegen kann: Manche Angebote wie Babbel sind nur für eine Probezeit kostenlos. Andere erlauben auf Dauer eine Gratisnutzung – allerdings nur für eine begrenzte Zahl von Minuten oder Fehlern pro Tag. Auf manchen Apps wie zum Beispiel Busuu kann man per Abschlusstest ein Zertifikat erwerben.

Unterschiede gibt es auch bei der Art, wie Wissen vermittelt wird: Koreanisch-Anfänger steigen zum Beispiel bei Duolingo oder Drops mit dem Erlernen des Alphabets ein. Bei Mondly geht es hingegen sofort mit Vokabeln in Lautschrift und kurzen Sätzen los. Die meisten Anbieter unterteilen Lektionen in Kategorien wie „Job“ und „Im Restaurant“. Die Länge der Lerneinheiten lässt sich einstellen, etwa fünf oder 20 Minuten. Push-Benachrichtigungen erinnern an den täglichen Sprachkurs.

Meyer nutzt gerne Sprachlern-Apps. „Auf meinem Handy habe ich aktuell Duolingo, Drops, Anki, Skritter für Chinesisch und Tandem“, verrät die 36-Jährige. Tandem ist eine App, die Menschen aus verschiedenen Ländern zum Sprachenlernen zusammenbringt. Für Meyer sind Apps aber lediglich eine Ergänzung. Die meisten dieser Angebote seien mehr auf Spaß als auf Lernerfolg getrimmt. „Außerdem benutzen einige Apps Computerstimmen, die man nicht zu intensiv imitieren sollte“, warnt sie.

Ideal zum Ausprobieren

Dabei sind es gerade die Animationen und das sofortige Feedback, das manche Nutzer bei der Stange hält. „Eine Bekannte von mir hatte zum Beispiel verschiedene Englisch-Selbstlernkurse probiert und immer nach ein paar Lektionen aufgehört, aber den Duolingo-Englischkurs hat sie komplett geschafft“, erzählt Meyer. Sie empfiehlt Apps daher grundsätzlich Menschen, die beim Sprachenlernen keinen Zeitdruck haben, das Ganze vielleicht erst mal ausprobieren möchten oder mit herkömmlichen Kursen nicht weitergekommen sind.

Die digitalen Angebote haben vor allem in den vergangenen Monaten, in der zur Eindämmung der Coronapandemie alle zu Hause saßen, viele Leute genutzt. On-Demand-Sprachkurse gehören zu den beliebtesten Programmen. Sie werden von selbsternannten Experten oder anerkannten Sprachlehrern meist gegen Gebühr angeboten. Die Materialien lassen sich herunterladen, Lehrvideos stehen zum Abruf bereit. Zu den großen Lernplattformen gehört Udemy. Hier finden sich in der Kategorie „Sprache“ rund 100 Angebote auf Deutsch. Bei den Preisen und der Zufriedenheit der Kunden geht die Spanne allerdings weit auseinander.

Sprechen, nicht nur zuschauen

Wer Englisch kann, für den lohnt sich ein Blick auf edX. Auf der Plattform des Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University bieten viele Hochschulen aus der ganzen Welt Sprachlehrgänge an. Ein Beispiel: Der viermonatige Spanisch-Grundkurs der Polytechnischen Universität Valencia nimmt pro Woche rund vier Stunden in Anspruch und kostet umgerechnet etwa 110 Euro. „Netzwerken auf Englisch“ der University of Washington gibt es sogar kostenlos. Mehr 30.000 Menschen sollen den Kurs bislang absolviert haben. Gratis sind auch die Tipps der University of California, Berkeley, zum Verfassen von Geschäftsschreiben auf Englisch. Gebühren werden erst fällig, wenn der Teilnehmer ein Abschlusszertifikat wünscht.

Meyer ist allerdings skeptisch. „Ich habe noch keinen edX oder Udemy-Kurs gesehen, der ausreichend Übungen anbietet“, sagt die Expertin. Für sie liegt die Crux im Format der On-Demand-Programme: „Nur vom Videoschauen lernt man keine Sprache.“

VHS baut Videokonferenzen aus

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Durch die Coronakrise wurden Sprachkurse vor Ort zwangsläufig auf Skype, Zoom oder Google Classroom verlegt. Die Volkshochschulen haben während der Pandemie ihr Angebot an Videokonferenzen ausgebaut. Allein von März bis Mai stieg die Zahl der virtuellen Kurse laut einer Sprecherin deutschlandweit von weniger als 7000 auf mehr als 19.000. Die Zahl der registrierten Kursteilnehmer habe sich auf 365.000 mehr als verdoppelt. Online ist es jetzt möglich, Sprachkurse an einer weit entfernten Volkshochschulen zu belegen, wenn dort eine seltene Sprache angeboten wird oder die Zeiten besser passen.

Es gibt auch ein zentrales Online-Portal der Volkshochschulen. Es bietet mehr als 200 Web-Seminare, darunter mehr als 40 Sprachkurse. Die Bandbreite reicht von einer einstündigen Einführung zu Emojis eines Professors der Universität Koblenz-Landau über „Japanisch für Anfänger“ bis zu mehrwöchigen Business-Konversationskursen auf Englisch. Die Preise für die Videokonferenzen liegen etwa zwischen 9 und 40 Euro.

Leichterer Zugriff auf Muttersprachler

Meyer schätzt an solchen Online-Sprachkursen die persönliche Beziehung zu Lehrern und Mitschülern. Außerdem würden die regelmäßigen Termine helfen, am Ball zu bleiben; Dozenten könnten konkret auf Fragen und Bedürfnisse der Teilnehmer eingehen. Ein großer Nachteil ist für die Expertin, „dass man meist nur einmal die Woche lernt – dann verwendet man 75 Prozent der Zeit auf Wiederholung dessen, was man seit dem letzten Mal vergessen hat“. Außerdem könne es bei einer großen Zahl von Teilnehmern schwerfallen, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen. 

Meyer bevorzugt deshalb eine andere Form des Online-Lernens. „Ich liebe es, Privatlehrer zu buchen, damit ich zum Beispiel eine ganze Stunde lang Kroatisch höre und spreche“, berichtet die Berlinerin. „Meist lerne ich Grammatik und Vokabeln im Voraus und benutze die gebuchte Stunde dann nur, um das Gelernte praktisch zu üben.“ Meyer nutzt dafür unter anderem die Plattform Italki. Dank des Internets sei sie nicht auf die wenigen Kroatischlehrer vor Ort beschränkt, sondern habe etliche Muttersprachler zur Auswahl: „Da kann man sich sogar jemanden suchen, der ähnliche Hobbys hat und mit dem man auf der gleichen Wellenlänge ist.“ 

Netflixen in OmU

Letztlich ist für die Expertin die Mischung aus vielen Online- und auch Offline-Angeboten der Schlüssel zum Erfolg. „Ich benutze meist einen traditionellen Kurs fürs Selbststudium, um mir innerhalb von ein paar Monaten die Grundlagen anzueignen“, erläutert Meyer. Vokabeln lerne sie mit der Lernkartei-Software Anki, „aber nur die Wörter, die wirklich nützlich sind für mich“. Alle ein bis zwei Wochen bucht Meyer die Online-Sprachlehrerin, um das Gelernte zu vertiefen, und nutzt Apps, solange sie Spaß machen. 



Die Buchautorin findet es außerdem wichtig, Fremdsprachen in den Alltag zu integrieren. Sie schaut auf Streamingplattformen Serien mit Untertiteln, entdeckt Musikvideos auf YouTube, unterhält sich in Restaurants mit Kellnern in deren Muttersprache und besucht regelmäßig fremdsprachige Nachrichtenseiten. Meyer empfiehlt hierfür Übersetzungsprogramme für den Browser wie Transover. „Sobald man etwas hat, das man regelmäßig macht – nicht primär um zu lernen, sondern nur zum Spaß – lässt man die Sprache nicht wieder fallen“, sagt sie.

Mindestens dreimal pro Woche

Ohne Fleiß gehe es aber auch online nicht. „Ein chinesisches Sprichwort besagt: Sprachen lernen ist, wie einen Fluss stromaufwärts zu rudern. Sobald man aufhört zu rudern, fällt man zurück“, warnt sie. „Deshalb ist die Hauptsache, mindestens dreimal die Woche Kontakt mit der Sprache zu haben. Zehn Minuten reichen aus, um nicht zurückzufallen. Immer dann, wenn man tatsächlich Fortschritte machen will, sollte man eine 45-Minuten-Einheit oder länger einplanen.“

Für die eigene Karriere lohnt sich dieser Aufwand vor allem für Englisch, eine Sprache, die laut einer Umfrage der Jobbörse Indeed unter deutschen Arbeitnehmern Pflicht ist. Auf der Rangliste der verbreitetsten Fremdsprachen im Berufsalltag folgen Französisch, Russisch und Spanisch. Meyer rät, sich mit dem Blick über den deutschen Tellerrand von Kollegen und Mitbewerbern abzuheben. „Die zehn am meisten gesprochenen Sprachen der Welt sind aktuell Englisch, Chinesisch, Hindi, Spanisch, Französisch, Arabisch, Bengali, Russisch, Portugiesisch und Indonesisch. Von diesen werden Hindi, Bengali und Indonesisch so gut wie gar nicht gelernt, Arabisch und Portugiesisch eher selten. Mit diesen hat man also allgemein gute Karten.“

Für Meyer lohnt sich das Lernen einer weiteren Fremdsprache auch dann, wenn ausländische Geschäftspartner sich ebenfalls auf Englisch verständigen können. „Es ist nie verkehrt, sich mit mehr Menschen unterhalten zu können. Es ergeben sich oft ungeahnte Vorteile daraus“, findet sie und erinnert sich an eine Geschäftsreise nach China, bei der die Gäste zu einem Bankett geladen wurden: „Ich saß neben dem damaligen Vizepräsidenten der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei und habe mich zwei Stunden lang gut unterhalten – dieser konnte nämlich kaum Englisch und hatte sich erkundigt, wer von unserer Gruppe denn Chinesisch kann.“

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