Arbeit im Tiny House Wie eine New-Work-Pionierin auf dem platten Land zurechtkommt

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Dau tritt den Beweis an, dass New Work funktionieren kann

Wie aber harmoniert ihr Eremitendasein im Wendland mit der anspruchsvollen Tätigkeit als Festangestellte in der Agentur Oseon mit Dependancen in Hamburg und Frankfurt, mit Kundenterminen und Gesprächsbedarf ohne Ende? Erstaunlich gut, meint Nicole Dau und scheint selbst ein wenig überrascht zu sein. „Vieles ist gleichgeblieben. Als Kommunikationsagentur kommunizieren wir untereinander sowieso viel auf digitalem Wege, wir nutzen Slack und Trello, ein Projektmanagementtool. Auch die Zeiterfassung läuft über ein digitales Tool. Das kommt mir alles zugute“, erklärt sie. Ihren Schwerpunkt hat sie nach Beratungen mit ihren Vorgesetzten ein wenig weg von der Kundenbetreuung und hin zu Trendscouting verlegt, was sich leichter mit dem Bauwagen-Office vereinbaren lässt.

Dau legt Wert darauf, dass sie sich ihren neuen Status über mehrere Jahre erarbeitet habe. „Ich bin sehr gut eingearbeitet, kenne die Prozesse und das Team. Kollegen, die erst seit kurzem dabei sind, brauchen sicher eher noch etwas Training und aktiven Austausch“, sagt sie. Würden alle Kollegen es ihr gleichtun und aus Tiny Houses irgendwo in der Pampa, wie sie das Wendland selbst nennt, arbeiten wollen, würde es den Rahmen vermutlich sprengen. So betrachtet Nicole Dau ihr Homeoffice als Privileg, freut sich aber auch darüber, ihren Kollegen und Chefs zeigen zu können, was „man alles so machen kann“.

Nicole Dau ist damit eine typische Vertreterin der Generation „New Work“. Sie setzt auf flexibles, ortsungebundenes Arbeiten und will beweisen, dass die Arbeitsleistung darunter nicht leidet – im Gegenteil. Das scheinbar einsame Schaffen fernab von Kollegen – und überhaupt Menschen – ist dank digitaler Helfer alles andere als eintönig. Trotzdem ist es Typsache, ob diese extreme Form des Homeoffice gelingt. Es braucht Selbstdisziplin, Organisationstalent und Fokussierung. Nicole Dau ist dankbar, dass sie die Chance bekommen hat.

Ein typischer Arbeitstag im Tiny House beginnt um sechs Uhr morgens. Nach einem gemeinsamen Frühstück bringt Nicole Dau ihren Mann in dessen neue Praxis in einem nahegelegenen Ort. Mit einer Kanne Tee daneben startet Dau gegen acht Uhr ihren Laptop und öffnet ihr Telefon-Plugin, um Büroanrufe direkt weitergeleitet zu bekommen. Im Projektmanagementtool sieht sie, welche Aufgaben anstehen. Teaminterne Besprechungen laufen über eine Telefonkonferenz. Wenn alles geklärt ist, sagt Dau, sieht ihre Arbeit kaum anders aus als an einem Tag im Büro. „Nur gehe ich mittags im Wald spazieren statt über die Sternschanze in Hamburg.“

Einmal pro Woche ungefähr setzt sich Nicole Dau trotzdem in ihr Auto, um die Kollegen in Hamburg zu treffen und Kundentermine zu absolvieren. Das bedeutet Aufstehen um 4.30 Uhr und nach schnellem Frühstück los. Die Umstellung von vormals 15 Minuten per Rad auf zwei Stunden Pendlerverkehr nach Hamburg fiel ihr weitaus schwerer als das Wohnen im Tiny House. Der Pendlertag endet häufig erst gegen 21 Uhr, wenn Dau wieder im Wendland ankommt. Auch Termine bei den Kollegen in Frankfurt erfordern jetzt minutiöse Planung: „Ich muss schauen, wann der Zug fährt und ob es vernünftiger ist, zuvor bei Freunden in der Stadt zu übernachten“, sagt Dau. Ein weiterer neuer Zwang: „Mein Auto muss definitiv funktionieren, ohne funktioniert es hier draußen nicht.“

Die häufig erzwungene Zweisamkeit stellt für das Paar dagegen kein Problem dar. „Wir treten uns nicht auf die Füße, trotz des begrenzten Platzes hier“, sagt Dau. Das viele Draußensein erweitere tatsächlich eher den Raum im Vergleich zu früher. „Außerdem gehören wir zu den Paaren, die sehr gerne viel Zeit miteinander verbringen. Im Studium hatten wir auch immer nur ein Zimmer.“

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