Arbeitgeber-Award Vodafone hat die beste Arbeitsatmosphäre

Das Leben nach der Arbeit ausrichten? Das war gestern. Um Talente zu locken, müssen Unternehmen Freiheit und Aufstiegschancen bieten. Die Sieger des Deutschen Arbeitgeber Awards zeigen, wie's geht.

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Die beste Arbeitsatmosphäre herrscht bei Vodafone.

Warum Besprechungen im Konferenzraum abhalten, wenn draußen die Sonne scheint? Das fragen sich offensichtlich auch die drei Mitarbeiter und schlendern vom Bürogebäude auf den sonnigen Innenhof. Dort nehmen sie an einem großen Holztisch vor der Kantine Platz – Laptop auf, los geht’s. Ein anderer Kollege joggt in kurzer Hose und atmungsaktivem Shirt an ihnen vorbei. Umkleiden und Duschen im Keller des Bürogebäudes ermöglichen den Lauf in der Mittagspause.

Es ist viel los an diesem Junitag auf dem Gelände der Vodafone-Deutschland-Zentrale in Düsseldorf. Und das soll auch so sein. „Die Architektur des neuen Campus spiegelt die gewünschte Unternehmenskultur perfekt wider“, sagt Jutta Rump, Professorin für Personalmanagement an der Hochschule Ludwigshafen. „Sie steht für Bewegung, Flexibilität, Wohlbefinden, aber auch Leistung.“

Zum Arbeitgeber Award 2015

Selbst die Cafeteria kann zum Arbeiten genutzt werden. An jedem Tisch gibt es Steckdosen, sogar aus der Rückenlehne der langen, grauen Couch ragen Anschlüsse. Mehr brauchen die Mitarbeiter nicht: Jeder hat einen eigenen Laptop, WLAN ist am gesamten Campus verfügbar. „Diese lebendige Atmosphäre, das moderne Arbeitskonzept und die enorme Flexibilität, die die Mitarbeiter genießen, haben den Ausschlag für den Sieg gegeben“, sagt Lothar Weihofen, Geschäftsführer der Dekra Certification und Juror beim Deutschen Arbeitgeber Award.

Die Zertifizierungsstelle der Dekra hat für die WirtschaftsWoche die Daten erhoben und ausgewertet sowie die Finalisten vor Ort besucht (siehe Methode). Neben Sieger Vodafone erhalten die Auszeichnung auch der Automobilkonzern Porsche und Komsa, ein Großhändler, Reparatur- und Servicedienstleister unter anderem für Smartphones, Telefonanlagen und Software. Untersucht haben die Auditoren vier Kriterien: Gesundheitsmanagement, Karrierechancen, flexible Arbeitsmodelle und gesellschaftliches Engagement.

Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber

Faktoren, die vor allem der jungen Generation bei der Jobauswahl wichtig sind. Das ergab auch eine Befragung der Beratung Universum unter mehr als 30 000 Studenten im Frühjahr. Jeder Fünfte gab an, dem Gemeinwohl dienen zu wollen, 38 Prozent streben Führungsverantwortung an. Das wichtigste Ziel aber bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – 55 Prozent finden sie essenziell.

Die Unternehmen müssen sich also einiges einfallen lassen, um Talente für sich zu begeistern. Denn das Machtverhältnis hat sich umgekehrt. Nach Angaben einer aktuellen Untersuchung des Personaldienstleisters Manpower leiden 46 Prozent der deutschen Unternehmen unter dem Fachkräftemangel. Die Boston Consulting Group hat errechnet, dass Deutschland 2030 bis zu 7,7 Millionen Fachkräfte fehlen.

80 Prozent machen Homeoffice

Um dem vorzubeugen, will Vodafone seinen Mitarbeitern möglichst viele Freiheiten einräumen. 80 Prozent nutzen Homeoffice, sie können bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit außerhalb des Büros verbringen. Für Personalgeschäftsführer Dirk Barnard eine gute Mischung zwischen Freiheit und Anwesenheitskultur. „Das ist die Grenze“, sagt er. „Sonst verlieren wir unsere Identität, und die direkte Kommunikation leidet.“

Und das kann der Konzern gerade überhaupt nicht gebrauchen. Vodafone hatte in den vergangenen Jahren wegen instabiler Netze und überlastetem Service massiv Marktanteile verloren, vor allem genervte Geschäftskunden wandten sich ab. Zwar scheint der Abwärtstrend mittlerweile gebremst. Doch der seit Jahren schwelende Konflikt mit der Londoner Konzernzentrale bleibt, erst im Mai hatte Deutschland-Chef Jens Schulte-Bockum überraschend seinen Rücktritt erklärt.

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EZB Quelle: dpa
Ernst & Young Quelle: dapd
Platz 18: Hugo Boss6,7 Prozent der befragten Wirtschaftswissenschaftler wünschen sich Hugo Boss als Arbeitgeber. Quelle: dpa
Robert Bosch Quelle: REUTERS
Platz 16: Boston Consulting Group6,9 Prozent der befragten Wirtschaftswissenschaftler wünschen sich die Boston Consulting Group als Arbeitgeber. Quelle: Presse
 L'Oreal Quelle: REUTERS
Unilever Quelle: dpa

Keine Frage, permanente Unruhe auf der Führungsetage schürt Unruhe bei den Angestellten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass das Arbeitsumfeld stimmt: flexible Arbeitszeiten, moderne Büroausstattung, Sportkurse und Betreuungsangebote für die Kinder der Angestellten. „Das Management will mit solchen Angeboten Identifikation kreieren“, sagt Rump. „Es nutzt sie nicht nur, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch, um alte zu halten. Gerade wenn es wirtschaftlich nicht so gut läuft.“

Für 5000 Mitarbeiter in Düsseldorf stehen 4600 Schreibtische in den Abteilungen zur Verfügung. Dass nicht mehr jeder seinen festen Platz hat, sorgte am Anfang für Aufregung. „Unsere Befragung zeigt aber, dass dieses Konzept mittlerweile vor allem bei den jungen Mitarbeitern gut ankommt“, sagt Weihofen von der Dekra. Zumal die Abteilungen sich in Eigenregie organisieren und ein Großteil der Belegschaft durch Absprachen mit Kollegen immer noch einen eigenen Schreibtisch hat. Hinzu kommen 3200 variable Arbeitsplätze, auf dem gesamten Campus verstreut. Dadurch können die Mitarbeiter je nach Aufgabe den geeigneten Arbeitsort wählen.

Für längere Telefonate etwa stehen Glaskästen zur Verfügung – zum Teil mit Videokonferenzanlagen, alle mit unterschiedlichen Möbeln ausgestattet. „Diese abwechslungsreiche Atmosphäre weckt Kreativität und fördert den Austausch“, sagt Personalgeschäftsführer Barnard.

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Volkswagen logo auf einem XL1 Quelle: REUTERS
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Soldaten halten am 05.06.2014 beim Abschiedsappell der zehnten Panzerdivision in Sigmaringen (Baden-Württemberg) Gewehre vom Typ G36 von Heckler&Koch in den Händen. Quelle: dpa
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Nestlé-Logo Quelle: REUTERS
Der Schatten eines VW Logos fällt am 05.07.2012 in Stuttgart (Baden-Württemberg) auf die Kühlerhaube eines Porsche. Quelle: dpa
Thomas Reiter (r), ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb, und Paolo Ferri, Leiter der Abteilung für die Durchführung von Raumfahrtmissionen zur Sonne und den Planeten bei der ESA Quelle: dpa

Auch die Gesundheit der Mitarbeiter liegt ihm am Herzen. Im Fitnessstudio stehen den Mitarbeitern Stepper, Hantelbänke und Laufbänder zur Verfügung. Ihre Nutzung ist genauso kostenlos wie die Sportkurse.

„Das Gesundheitsmanagement ist hervorragend“, sagt Hans-Peter Klös, Geschäftsführer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Drei Betriebsärzte kümmern sich sowohl um standardmäßige Untersuchungen, bieten aber auch offene Sprechstunden und Vorsorgeuntersuchungen in Kooperation mit Spezialisten aus der Nähe an.

Offen über Burn-out sprechen

Eine Besonderheit ist die Thematisierung psychischer Erkrankungen: „Während andere Unternehmen damit eher verschämt umgehen, sucht Vodafone den offenen Dialog“, sagt Weihofen. Der Telekommunikationskonzern bietet sowohl eine psychosomatische Sprechstunde als auch Infoveranstaltungen zu Burn-out und Depression an. Außerdem befragt Vodafone Abteilungen mit erhöhtem Krankenstand. „Dadurch können wir proaktiv auf mögliche Belastungen wie Lärm reagieren“, sagt Barnard. Denn auch er weiß: Es lohnt sich, auf das Verlangen der Mitarbeiter einzugehen.

Diese Erkenntnis hat sich auch beim Mittelständler Komsa durchgesetzt. Der Dienstleister hat seinen Hauptsitz in Hartmannsdorf, zwölf Kilometer nordwestlich von Chemnitz. Deshalb muss er deutlich stärker um Fachkräfte buhlen als in den beliebten Metropolen von Hamburg bis München. Komsa tut dies bislang mit Erfolg. Seit 2007 ist die Belegschaft von 1000 auf 1500 Mitarbeiter gewachsen.

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Bundeswehr Quelle: dpa
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RWE Quelle: dpa
Eon Quelle: dpa
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Weil Komsa etwas für die strukturschwache Region tun will, konzentriert sich das Unternehmen bei der Rekrutierung zunächst auf Hartmannsdorf. Kann dort kein Kandidat gefunden werden, schaut sich Personalleiterin Katrin Haubold im Umkreis um, dann in ganz Sachsen, dann in den angrenzenden Bundesländern. „Wann immer es möglich ist, versuchen wir, unsere Region zu stärken“, sagt sie. „Auch im Einkauf oder bei der Vergabe von Bauaufträgen arbeiten wir bevorzugt mit regionalen Anbietern.“

Verlässt ein wertvoller Mitarbeiter die Region, sucht Komsa eine Möglichkeit, ihn weiterzubeschäftigen. Eine Vertrieblerin etwa zog vor zwei Jahren nach Hessen und arbeitet seitdem ohne Probleme komplett von zu Hause.

Diese Flexibilität schätzen sowohl Angestellte als auch die Jury: „In einer solchen Stringenz habe ich die Orientierung an den unterschiedlichen Lebensphasen der Belegschaft noch nicht gesehen“, sagt Klös vom IW. Komsa versucht, individuelle Konzepte je nach Lebenslage anzubieten, die der Mitarbeiter vorher mit seiner Führungskraft aushandelt. „Wir signalisieren den Angestellten, dass wir über alles sprechen können“, sagt Haubold.

Das Angebot von Komsa ist vielfältig: betriebseigene Kita, Jobsharing, Lebensarbeitszeitkonten. Um sich nicht zu verzetteln, schafft Komsa regelmäßig nicht genutzte Angebote ab. „Auch das geschieht in Absprache mit den Mitarbeitern“, sagt Haubold. „Sie stehen bei uns im Mittelpunkt.“

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Eine Angestellte läuft an Samsung-Firmenhauptsitz vorbei Quelle: AP
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jemand tippt im Dunkeln auf einem Laptop Quelle: dpa
Rang 15: VolkswagenDeutschlands größter Automobilhersteller VW landet beim IT-Nachwuchs auf Rang 15. Quelle: dpa
Szene aus dem Computerspiel Crysis Quelle: dapd

Diese Philosophie ist bei Porsche noch überraschend neu. „Unter der Führung Wendelin Wiedekings wurde Personal nur verwaltet, nicht entwickelt“, sagt BWL-Professorin Rump. „Heute ist das komplett anders.“

Nicht umsonst erhält auch Porsche den Deutschen Arbeitgeber Award. Vor allem im Bereich Karrieremöglichkeiten haben die Stuttgarter gut abgeschnitten. „Porsche schaut sehr genau hin, identifiziert und entwickelt Talente in allen Bereichen“, sagt Klös.

Vielversprechende Praktikanten werden in das Pole-Position-Programm aufgenommen und nach ihrem Praktikum mit Konzernnachrichten und Stellenangeboten zu Abschlussarbeiten versorgt. Ein wirksames Instrument: 86 Prozent der Mitarbeiter mit Hochschulabschluss waren zuvor Praktikant bei Porsche.

Wer mindestens drei Jahre beim Autobauer arbeitet und das Zeug zur Führungskraft hat, kann an einem zweijährigen Programm zur Nachwuchsförderung teilnehmen.

Die jungen Hoffnungsträger erhalten theoretischen Unterricht, verlassen aber auch für einige Monate ihre gewohnte Abteilung oder gar den Standort. „Das fördert das bereichsübergreifende, vernetzte und internationale Denken und Handeln“, sagt Elke Lücke, Leiterin der Personalentwicklung. Außerdem bekommen sie ein Projekt, an dem sie ihr erlerntes Wissen anwenden. Eine Gruppe organisiert derzeit etwa einen Wohltätigkeitslauf. Sie entwickelt nicht nur die Idee, sondern muss auch die Finanzierung klären und die gesamte Veranstaltung planen. „Uns ist es wichtig, dass sie das Projekt alleine stemmen“, sagt Lücke.

Lernen durch konkrete Projekte ist auch ein Bestandteil in der Berufsausbildung. Das neue Ausbildungszentrum in Stuttgart eröffnet im September. Dort steht unter anderem eine Lackieranlage, an der die Lehrlinge trainiert werden.

Doch die Entwicklung hört keineswegs nach der Ausbildung auf. Auch ältere Mitarbeiter aus der Produktion haben Zugang zu Sprachkursen und Fachtrainings. „Nur so können sie bei den Technologiesprüngen mithalten“, sagt Lücke.

Denn Ingenieure und Facharbeiter sind heute nicht mehr auf der Suche nach der klassischen Karriere, wo bei Firmeneintritt schon klar ist, wie die Laufbahn bis zur Rente aussieht. Hier mal eine neue Abteilung, da mal ein spannendes Projekt – so geht zeitgemäße Weiterentwicklung. „Was bei vielen nur Lippenbekenntnis ist“, sagt Rump, „hat Porsche innerhalb kurzer Zeit in Angriff genommen. Die Werdegänge sind in Bewegung.“

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