Arbeitgeber-Bewertung Arbeiten Sie hier bloß nicht!

Kantinenessen lecker, Kollegen nett, Chef blöd: Auf Bewertungsportalen liest man alles Mögliche über Arbeitgeber. Aber wie aussagekräftig sind solche Plattformen? Was Bewerber mit solchen Urteilen anfangen können.

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Menschen sitzen an Laptops in einem Hörsaal Quelle: ZB

Es war ein Desaster mit Ansage. Als sich Nina C.* bei einer Werbeagentur in Düsseldorf vorstellte, wusste sie vom schlechten Führungsstil der Chefs. Auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu hatte sie einige negative Erfahrungsberichte gelesen. Trotzdem bewarb sie sich – und sah in ihrem Bewerbungsgespräch den ersten Eindruck bestätigt: „Ich habe mich noch nie so respektlos behandelt gefühlt“, sagt die 40-Jährige.

Immer mehr Bewerber informieren sich im Netz über potenzielle Arbeitgeber – laut einer repräsentativen Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom tut das jeder vierte Internetnutzer in Deutschland. Neben Kununu lassen Plattformen wie meinchef.de, jobvote.com und companize.com Arbeitgeber beurteilen, seit Mitte Januar ist auch das üppig finanzierte US-Portal Glassdoor in Deutschland am Start. Wer auf der Suche nach einem Job ist oder den Arbeitgeber wechseln möchte, sollte seine Entscheidung allerdings keinesfalls allein aufgrund der Bewertungen treffen, warnt Bewerbungsberater Jörg Hallberg.

Die größten Arbeitgeber-Bewertungsplattformen

Bei Kununu können Mitarbeiter, Auszubildende oder Bewerber detaillierte Berichte über ihre Erfahrungen in einem Unternehmen veröffentlichen. Außerdem wird die Firma in Kategorien wie Vorgesetztenverhalten, Work-Life-Balance oder Gehalt und Zusatzleistungen bewertet. Die Skala reicht von einem bis maximal fünf Punkten.

Kununu ist mit monatlich 1,1 Millionen Unique Usern die größte Arbeitgeber-Bewertungsplattform im deutschsprachigen Raum – und damit auch ein wichtiges Portal für Unternehmen, die ihr Image als guter Arbeitgeber pflegen wollen. Gegen eine monatliche Gebühr, die von der Größe des Unternehmens abhängt, können bewertete Firmen ihr Profil gestalten und offene Stellen ausschreiben. Kununu gehört seit 2014 dem Online-Netzwerk Xing, das durch den Zukauf sein Informationsangebot für Arbeitnehmer erweitert. Das sorge für mehr Transparenz auf dem Arbeitsmarkt, erklärt eine Sprecherin von Kununu.

Mehr Transparenz schützt zwar nicht immer vor bösen Überraschungen, aber der Fall von Frau C. zeigt, dass sich negative Bewertungen bestätigen können. Anstatt auf ihr Anschreiben einzugehen, arbeiteten die beiden Chefs im Vorstellungsgespräch einen Fragenkatalog ab, berichtet die Marketing-Expertin. Außerdem stellten sie Angaben aus ihrem Lebenslauf in Frage. „Das war so etwas wie ein Verhör, kein Bewerbungsgespräch“, sagt sie. Inzwischen hat sich die 40-Jährige selbständig gemacht und ist ihre eigene Chefin. Nach ihren Erfahrungen empfiehlt sie jedem Bewerber, sich auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen vorab zu informieren.

So geht Kritik im Netz

Die meisten Bewerber nutzen Bewertungsportale, um ihren Eindruck von einem Arbeitgeber abzugleichen. Dabei sollte man aber Vorsicht walten lassen, sagt Bewerbungsberater Jörg Hallberg: „Die Portale zeigen immer nur Mosaiksteine eines Unternehmens.“ Denn jede Bewertung ist nur ein einzelner, subjektiver Eindruck. Außerdem sind die persönlichen Hintergründe einer Bewertung nicht klar. Mitarbeiter, denen gekündigt wurde, neigen vermutlich dazu, negative Bewertungen abzugeben.

Aber längst nicht jede Bewertung wird veröffentlicht. Das musste auch Alexandra H.* feststellen. Anfang 2014 schrieb sie bei Kununu einen negativen Erfahrungsbericht über ihren ehemaligen Arbeitgeber, eine PR-Agentur in Berlin. Ein paar Monate zuvor hatte sie ihren Job selbst gekündigt. „Die Zustände waren für mich einfach nicht mehr tragbar“, sagt die 29-jährige Berlinerin. „Volontäre haben ihre eigenen Kunden bekommen, obwohl sie noch gar nichts über den Beruf wussten.“

Ihre Bewertung ging online. Doch schon bald gab es Ärger: Der ehemalige Arbeitgeber legte Beschwerde ein, Kununu nahm die Bewertung von der Seite. Das Portal forderte Alexandra auf, ihre Vorwürfe zu beweisen oder die konkrete Anschuldigung umzuformulieren, damit der Eintrag wieder auf der Seite angezeigt werden könne. Das ist der übliche Ablauf bei Kununu, wenn Unternehmen gegen einen negativen Kommentar vorgehen.

Beweislast liegt beim User

Wie bei Alexandra liegt die Beweislast dann bei der Person, die die Bewertung geschrieben hat. Außerdem sollten die Nutzer weder Namen von Kollegen nennen noch ehemalige Vorgesetzte beschimpfen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, geht die Bewertung wieder online.

So viel zur Theorie. In der Praxis sieht sich Frau H. mit einigen Problemen konfrontiert. „Ich hatte gar keine Ahnung, wie ich das beweisen soll“, sagt die 29-Jährige. „Also habe ich den Satz umformuliert. Aber auch nach dem zweiten Versuch wurde meine Bewertung nicht mehr wieder angezeigt.“ Bis heute ist ihr Kommentar auf Kununu unsichtbar.


Richtige Reaktion auf Kritik

Solche Vorkommnisse sollte es eigentlich nicht geben, sagt Tamara Frast, Pressesprecherin von Kununu. Sie könne sich den konkreten Fall nicht erklären, stellt allerdings klar, dass Kununu keine negativen Bewertungen zurückhalte. 70 Prozent der Nutzer würden tatsächlich Beweise für ihre Behauptungen vorlegen und damit erreichen, dass negative Berichte für die Öffentlichkeit sichtbar bleiben.

Auch wenn Kritik für Arbeitgeber unangenehm ist, viel können sie gegen negatives Feedback nicht unternehmen. Selbst ein paar positive Urteile einzustellen, ist aufwendig, weil jeder Benutzer jedes Unternehmen nur einmal bewerten darf – abgesehen davon, dass es nicht erlaubt ist. Für Hallberg, der auch Manager in Sachen Kommunikation berät, ist das beste Mittel: Eine gute Unternehmenskultur fördern und zufriedene Mitarbeiter dazu motivieren, selbst Bewertungen abzugeben. Je mehr Erfahrungsberichte zu lesen sind, desto authentischer das Bild für interessierte Fachkräfte.

Wie Sie als Chef auf Feedback reagieren sollten

Bewerbern rät Hallberg, neben der Online-Recherche auch den persönlichen Kontakt zum möglichen Arbeitgeber zu suchen. Zum Beispiel könne man auf Kontaktbörsen ins Gespräch kommen. „Was zählt ist der Gesamteindruck, den ein Arbeitgeber hinterlässt. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl“, rät Hallberg.

Auf ihr schlechtes Gefühl hätte auch Nina C. besser gehört. Sie bricht ihr Vorstellungsgespräch bei der Werbeagentur frühzeitig ab, als ihr klar wird, dass sie mit den Chefs nicht arbeiten möchte. Bevor sie geht, spricht sie die schlechten Bewertungen bei Kununu an – und trifft auf Gleichgültigkeit. „Darauf geben wir eh nichts“, habe der ältere der beiden Chefs über Kununu gesagt.

Eine gefährliche Einstellung, meint Berater Hallberg. Viele deutsche Arbeitgeber unterschätzten das Potenzial solcher Portale. „Für die Imagebildung sind Bewertungsportale extrem wichtig.“ Voraussetzung dafür, dass der Auftritt auf Bewertungsplattformen nicht nach hinten losgehe, sei allerdings eine offene und faire Unternehmenskultur.

Ein erster Schritt in diese Richtung könnte sein, auf negative Bewertungen zu antworten. Einige Konzerne geben auf Kununu schon Stellungnahmen ab. „Kleineren Unternehmen fehlen dafür oft noch die Ressourcen, aber sie ziehen langsam nach“, so Hallberg.

*Die Namen der Protagonisten wurden zu ihrem Schutz und zum Schutz der Unternehmen geändert.

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