Arbeitgeberbewertungen Frustriert? Ein Stern!

Nicht wenige Menschen, die ihren Job verlieren, lassen ihren Frust darüber online in Bewertungsportalen aus. Quelle: imago images

Wer seinen Job verliert, neigt zu kleinen Racheakten gegen die einstige Firma. Zum Beispiel mit einem bösen Kommentar auf Bewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor. Doch dabei ist Vorsicht geboten.

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„Idiotische Vorgesetzte, nix besseres zu tun als Fehler zu suchen, charakterlos bis zum geht nicht mehr“, schrieb einer. „Die Chefs sind unverschämt und mobben gerne“, kommentierte ein anderer. Und ein dritter merkte an: „Man verlangt von den Mitarbeitern mehr, als man selbst in der Führung leistet.“ Die unverblümten Urteile finden sich auf Kununu. Verfasst sind sie anonym, doch eines, so viel ist sicher, steckt stets dahinter: der Frust über den (ehemaligen) Arbeitgeber.

Schon vor Beginn der Coronapandemie haben Bewertungsportale wie Kununu, StepStone oder Glassdoor vielen Menschen Orientierung bei der Jobsuche gegeben. Die größte im deutschsprachigen Raum, Kununu, zählt bereits mehr als vier Millionen Erfahrungsberichte zu fast einer Million Unternehmen. Die Bewertungen vermehren sich durchschnittlich um 15 Prozent pro Monat. Die Coronakrise ist nun für viele Arbeitnehmer ein Grund mehr, eine Bewertung online zu verfassen. Im März haben sich bei Kununu die Bewertungen mit Begriffen wie „Corona“ oder „Covid“ verhundertfacht. 

Und ein Sprecher betont: „Wir verzeichnen noch immer ein kontinuierliches Wachstum an Bewertungen, die sich explizit auf das Coronavirus beziehen.“ Immerhin hat das Virus nicht wenige Arbeitnehmer dieses Jahr den Job gekostet.  Insgesamt gibt es laut Bundesagentur für Arbeit wegen Corona 637.000 Arbeitslose mehr in Deutschland. Und viele von ihnen bewerten und beschreiben auf den Portalen nun die einstige Firma – und lassen dort ihren Frust raus.

Psychohygiene mit Bewertungen

In einer Analyse, die Kununu nach dem ersten Lockdown aus etwa 8.000 Bewertungen zu deutschen Unternehmen erstellt hat, kam heraus, dass bei mehr als 27 Prozent der Mitarbeiter der coronabedingte Ausnahmezustand den Wunsch geweckt hat, den Job zu wechseln. Am häufigsten führten sie dies darauf zurück, dass sie am Arbeitsplatz „mehr persönlicher Stress“ erlebt hätten - und einen „schlechteren Kollegenzusammenhalt“.

„Wer gekündigt wird, kann schon dazu tendieren, seinen Unmut darüber in eine Bewertung zu schreiben“, sagt Vera Hagemann, Professorin für Arbeitspsychologie und Personalwesen an der Uni Bremen. Mitunter rückt manche persönliche Erfahrung dann also den Arbeitgeber in ein schlechtes Licht – und nicht jeder, der solch eine Bewertung liest, kann sie richtig einordnen.

Dabei ist das Prinzip der Bewertungsplattformen für Jobs ähnlich wie dem von Amazon oder Google. Wer nach einem beliebten Restaurant im Internet sucht, findet mit großer Wahrscheinlichkeit zahlreiche positive, aber auch negative Bewertungen. Die negativen beziehen sich allerdings meist auf besonders schlechte Erlebnisse. Etwa von aufgebrachten Gästen, bei denen eine Suppe kalt serviert wurde oder die keinen Tisch bekommen haben. „Menschen neigen eher dazu sich zu beschweren, als etwas Positives zu sehen“, sagt Hagemann, „das ist ein Problem für Arbeitgeber auf solchen Portalen.“

So neigt eben auch mancher, dem gekündigt wurde, eher zu einem negativen Kommentar als Racheakt, als dass sich derjenige, der das Unternehmen freiwillig verlässt noch mal die Zeit für ein freundliches Feedback nimmt. Doch was, wenn der Erfahrungsbericht in Beschimpfungen endet?

Klare Richtlinien für Bewertungen

Plattformen wie Kununu oder auch Stepstone haben für Bewertungen schon seit Jahren Leitfäden, die klären, was geschrieben werden darf und was nicht. So wollen die Plattformen einen differenzierten Blick auf Unternehmen schaffen. Bei Stepstone etwa werden Kommentare nicht sofort veröffentlicht. „Da stecken tatsächlich mehrere Mitarbeiter dahinter, die die Kommentare moderieren“, sagt Inga Rottländer, Sprecherin bei Stepstone.

Dabei werden klare Regeln verfolgt: keine Klarnamen außer von CEOs, keine Insider-Informationen, keine Berichte, in denen es um Wettbewerber geht oder interne Informationen wie das Budget oder Forschung und Entwicklung. Auch zu positive Kommentare werden herausgefiltert.

„Das Moderatorenteam achtet auch darauf, wenn ein Unternehmen in relativ kurzer Zeit sehr viele positive Bewertungen bekommt“, sagt Rottländer. Dahinter steckten nicht selten von den Firmen gesteuerte Initiativen, die durch sehr ähnliche Formulierungen in Kommentaren auffallen.


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Verboten auf allen Plattformen ist Schmähkritik, also die Diffamierung einer Person oder eines Unternehmens. „Es ist eben ein Unterschied, ob ich schreibe, dass in einem Unternehmen unsauber gearbeitet wird, oder dass dort nur Idioten arbeiten“, sagt Marcus Iske, Anwalt für Arbeitsrecht bei Fieldfisher in Düsseldorf. Zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt es allerdings nur selten. 

Laut Iske sei so ein Fall nicht leicht zu verfolgen, denn meistens seien Arbeitnehmer durch die persönliche Meinung geschützt. „Steht in einer Bewertung etwas nachprüfbar Unwahres, dann hat der Arbeitgeber ein Berichtigungsanspruch gegenüber der Plattform“, fügt er hinzu.

Das Gespräch suchen

„Wozu wir Unternehmen raten ist, sich der Kritik zu stellen“, sagt Chesran Glidden, zuständig für das Arbeitgeberangebot bei Kununu. Schließlich habe jeder die Möglichkeit, eine Bewertung auf dem Portal zu kommentieren. In den vergangenen zwölf Monaten haben laut Kununu knapp 45 Prozent aller Firmen, die sich registriert und eine Bewertung erhalten haben, mindestens einmal eine Bewertung kommentiert.

Falsche Behauptungen lassen sich so leicht kontern: Kommentiert ein Arbeitnehmer etwa, dass ein Unternehmen keine Weiterbildungsprogramme bietet, kann der Arbeitgeber zeigen, welche Angebote es seinen Mitarbeitern macht. Die Plattform prüft – und im Zweifel muss der Kommentator die Bewertung anpassen.

Allerdings, sagt ein Kununu-Sprecher, sollten Unternehmen nur dann etwas beanstanden, wenn es wirklich um Unwahrheiten und Beleidigungen geht. „Nach außen vermittelt ein gezieltes Anzweifeln von Bewertungen oder eine vorschnelle Löschung den Anschein, dass das Unternehmen keinen konstruktiven Umgang mit Feedback pflegt.“

Mehr zum Thema: Das Portal zur Arbeitgeberbewertung Kununu verspricht Bewerbern Transparenz bei der Jobsuche. Doch das führt immer wieder in die Irre: Unternehmen polieren ihre Beurteilungen zum Teil mit allen Mitteln.

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