Arbeitgeberranking Wie Beratungen in der Krise Nachwuchs suchen

Kein typisches Vorstellungsgespräch: Aufgrund der Kontaktbeschränkungen müssen Unternehmen in digitalen Formaten um Bewerber buhlen. Quelle: dpa

Während der Coronapandemie mussten Unternehmen ihre Bewerbungsverfahren komplett digitalisieren, um attraktive Kandidaten erreichen zu können. Das aktuelle Arbeitgeberranking zeigt: Gerade die großen Beratungen haben das dringend nötig.

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Es gibt viele gute Gründe, Mahlzeiten nicht am Schreibtisch vor dem Computer einzunehmen. So gehören Telefon, Tastatur und Maus zu den unhygienischsten Gegenständen in unseren Haushalten. Auch die Tatsache, dass man noch Tage später Nudeln zwischen den Tasten und Tomatensauce auf dem Bildschirm finden kann, sollte von der Völlerei vorm Monitor abhalten. Axel Hermeier schlug alle diese Bedenken in den Wind, als er sich vor ein paar Wochen mit dem Abendessen vor den Rechner setzte und einem guten Dutzend anderen Teilnehmern der Videokonferenz einen guten Appetit wünschte. 

Denn Hermeier leitet die Personalarbeit bei der Restrukturierungsberatung Enomyc aus Hamburg. Und während viele Unternehmen in der Krise Kurzarbeit anmelden und ums Überleben kämpfen, haben er und seine Kollegen gerade deshalb mehr zu tun - und brauchen Verstärkung. „Gerade im Beratungsmarkt sind Abendessen mit jungen Talenten weit verbreitet, um sich in lockerer Atmosphäre gegenseitig kennenzulernen“, so der Berater. Da solche Veranstaltungen nun aber kaum möglich sind, musste er erfinderisch werden: Zusammen mit Quarterly Crossing, einem Netzwerk ambitionierter junger Menschen, organisierte er deshalb das digitale Dinner.  

Das Beispiel zeigt, wie die Pandemie die Suche von Berufseinsteigern nach Jobs, aber auch die von Firmen nach Bewerbern verändert. Die Zahl der freien Stellen liegt weit unter dem Niveau vor der Krise, die Zahl der Arbeitslosen wird weiter steigen, wie zuletzt der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber der WirtschaftsWoche sagte. Trotzdem müssen Unternehmen zumindest im Gespräch mit Bewerbern bleiben - auch wenn sie derzeit keine oder nur wenige Stellen frei haben.  „Unternehmen, die es sich leisten können, sollten präsent und ansprechbar bleiben, damit Studierende zumindest auf das Unternehmen zugehen und Fragen stellen können“, sagt etwa Tina Smetana, Deutschlandchefin der Employer-Branding-Beratung Universum. Und so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als kreativ zu werden. 

Smetana empfiehlt, digitale und damit meist kostengünstige Formen der Kommunikation mit jungen Talenten zumindest auszuprobieren. Man könne in Webinaren inhaltlich mit potenziellen Bewerbern arbeiten, in schriftlichen Chats Fragen zum Arbeitsumfeld beantworten - manche Unternehmen hätten sogar ihre Praktika virtualisiert. Einige Firmen würden dabei viel Mut zeigen und Neues ausprobieren, so Smetana. Für diese sei es wahrscheinlicher, dass sie gestärkt aus der Krise hervorgehen. „Manche Unternehmen sind allerdings noch in einer Schockstarre und kaum aktiv“, sagt die Universum-Managerin.

Wirtschaftsprüfer sinken in der Bewerbergunst

Gerade die Berater- und Prüferbranche, einst bei Wirtschaftswissenschaftlern so beliebt, hätte einiges an Nachholbedarf in Sachen Personalmarketing. Das zumindest legt das Arbeitgeberranking nahe, für das Universum jedes Jahr rund 47.000 Studierende verschiedener Fachrichtungen befragt. Demnach sehen zwar noch rund neun Prozent der Wirtschaftsstudierenden McKinsey als idealen Arbeitgeber. Im Ranking reicht das für den zehnten Platz. Die Managementberater der Boston Consulting Group schaffen es immerhin auf Platz 20. Die großen Wirtschaftsprüfer, die auch eigene Beratungsgesellschaften unterhalten, verlieren aber allesamt an Boden. PwC sinkt um sechs Plätze auf Rang 17. Ernst & Young rutscht um vier Plätze auf Rang 21. KPMG sackt auf Platz 23 ab, Deloitte gar um fünf Plätze auf Rang 28. 

Bei der im Vergleich zu den Branchenriesen kleinen Restrukturierungsberatung Enomyc beobachtet Personalchef Axel Hermeier einen gegenläufigen Trend: „Wir verzeichnen eher einen Anstieg der Bewerberzahlen.“ Der Beratungsmarkt sei von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen, insbesondere reine Strategieberatungen bekämen die Krise am eigenen Leib zu spüren, so Hermeier. Dadurch seien vermehrt auch erfahrene Berater wechselbereit oder sähen sich nach „krisenfesten Alternativen" um.

Das digitale Abendessen sieht er dazu als eine gute Möglichkeit der Personalwerbung, wenn auch mit ein paar Besonderheiten. Die Teilnehmer bekamen im Vorfeld Gutscheine für Essenslieferdienste. Um die bei größeren Videokonferenzen übliche anfängliche Scheu zu überwinden und das Eis zu brechen, sollte dann jeder in einer Vorstellungsrunde auch seine Essenswahl begründen. Anschließend diskutierten sie in Gruppen eine Fallstudie aus einem möglichen Kundenprojekt, Berater und Manager von Enomyc beobachteten und bewerteten sie dabei. 

Yannick Reiss, Geschäftsführer von Quarterly Crossing, sieht in dieser Veranstaltungsform gerade für die Beraterbranche eine gute Möglichkeit, auch nach der Krise nach Personal zu suchen. Einerseits sei es eine Art, sich als innovativer Arbeitgeber zu positionieren. Andererseits könne man die vielbeschäftigten Bewerber leichter ansprechen. „Consultants sind sehr eingespannt. Ein digitales Treffen lässt sich da viel leichter einplanen als ein analoges“, sagt Reiss.

Für Enomyc hat sich das digitale Abendessen offenbar gelohnt. Zwar könnte das Format das persönliche Kennenlernen nie ganz ersetzen, so Axel Hermeier. „Vor Vertragsabschluss muss man sich doch noch einmal begegnet sein.“ Aber der Weg dorthin war zumindest digital. Mit drei Kandidaten führte er bereits vertiefende Gespräche, die endgültigen Entscheidungen stehen in Kürze an. Eines aber würde er in Zukunft anders machen: „Bei manchen Teilnehmern war das Essen nur noch lauwarm.“

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