Arbeitsorganisation Freizeit ist die neue Währung

Teilzeit und Homeoffice Quelle: Jochen Schievink

Viele Angestellte wünschen sich flexible Arbeitszeiten. Unternehmen reagieren - und bieten ganz schön viel.

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Wenn jeder macht, was er will, muss das nicht im Chaos enden. Beim IT-Dienstleister Softwarekontor aus Ludwigshafen funktioniert es sogar ziemlich gut. In den Büros nahe des Rheinufers entwickeln 50 Mitarbeiter Programme für Unternehmenskunden. Wann die Angestellten kommen, wann sie gehen und wie lange sie arbeiten, können sie in Absprache mit Personalchefin Eva Nickel selbst entscheiden. Hauptsache, die Arbeit wird erledigt.

50 verschiedene Arbeitszeitmodelle zählt Nickel derzeit, eins für jeden Mitarbeiter. Der eine geht freitags um 15 Uhr nach Hause, die andere arbeitet 20 Stunden in der Woche, der Dritte kommt an vier Tagen ins Büro. „Natürlich ist das alles ein Geben und Nehmen“, sagt Nickel.

Wenn große Projekte anstehen, bleiben die Mitarbeiter selbstverständlich auch mal länger – weil sie wissen, dass es sich nicht um einen Dauerzustand handelt. Und weil Softwarekontor sie nicht nur flexibel arbeiten lässt, sondern auch flexibel bezahlt. Die monatliche Arbeitszeit wird mit dem Stundenlohn multipliziert.

Eigentlich ganz einfach.

Im Vergleich zu dem modernen Modell wirkt die Einigung, die die IG Metall im Tarifkonflikt gerade erzielt hat, wie von gestern. Die Gewerkschaft hat für die knapp 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie nicht nur 4,3 Prozent mehr Lohn herausgeschlagen, sondern auch das Recht darauf, über zwei Jahre hinweg die wöchentliche Arbeitszeit auf 28 Stunden zu reduzieren. Sicher, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – vor allem für die Gewerkschaftsmitglieder, die im Schichtdienst arbeiten.

Die deutsche Wirtschaft ist deutlich zukunftsorientierter als die Metaller, zumindest was die Arbeitszeiten der Kopfarbeiter angeht. Das zeigt nicht nur das atmende Modell von Softwarekontor. In einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr des Personaldienstleisters ManpowerGroup gaben 39 Prozent der Befragten an, dass ihre Arbeitgeber flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Offenbar haben viele Unternehmen verstanden, dass sich die Prioritäten vieler Fachkräfte verschoben haben: Zeit ist wertvoller als Geld.

Seit gut 60 Jahren verbringen die Deutschen mehr oder weniger konstant um die 60 Milliarden Stunden im Jahr bei der Arbeit. Die Anzahl der Köpfe, auf die sich diese Stunden verteilen, ist allerdings deutlich gestiegen. Mittlerweile gibt es in den meisten Haushalten zwei Verdiener – mit weitreichenden Folgen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Tag hat zwar immer noch 24 Stunden, doch wird er heute immer dichter gefüllt. Das Haus will geputzt, die Kinder betreut, die Eltern gepflegt werden. Man will sich weiterbilden, fremde Länder bereisen und zwischendurch noch bei einer Yoga-Stunde entspannen.

Da wundert es kaum, dass fast die Hälfte der Deutschen ihre Wochenarbeitsstunden reduzieren möchte. Zu diesem Ergebnis kommt der Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, für den rund 18.000 Beschäftigte befragt wurden. Nur 38 Prozent gaben an, wesentlichen Einfluss darauf zu haben, wann sie ihren Arbeitstag beginnen oder beenden.

Doch gerade wer diese Freiheit hat – auch das zeigt die Umfrage –, fühlt sich gesünder, hat weniger Schmerzen und ist allgemein zufriedener.

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