Arbeitsplatz der Zukunft Haben Büros bald Betten und Spieleräume?

Forscher wollen klären, wie das Büro der Zukunft aussieht. Quelle: imago images

Braucht es bald mehr Schreibtische oder weniger? Hightech-Kameras und einen Garten auf dem Dach? Forscher arbeiten sich an der Frage ab, wie das Büro der Zukunft aussieht – und kommen zum Teil auf abstruse Ideen.

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Vielleicht sind Alina Käfer und Carina Müller schon in der Zukunft angekommen. An ihrem Arbeitsplatz nämlich steht neben Schreibtisch, Stühlen und Computern auch eine Art Erwachsenen-Wiege: Ein futuristisches Bett, das seine Benutzer sanft in den Schlaf schaukeln soll. Die beiden Forscherinnen arbeiten am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart und erforschen dort, wie das Büro von Morgen wohl aussehen wird.

Das Bett ist dabei nur eine von vielen Utopien, welche die beiden dabei durchspielen. Als die Pandemie ausbrach, starteten sie ein Forschungsprojekt, das beantworten soll, wie die Büros der Zukunft aussehen. In vier verschiedenen Szenarien prognostizieren sie, wie Büros im Jahr 2030 aussehen könnten. Oder anders gesagt: Statt in die Zukunft zu blicken, schauen sie in vier verschiedene Zukünfte.

Denn auch das Fraunhofer IAO weiß nicht, wie Büros in acht Jahren konkret aussehen werden. Und muss sich der Frage trotzdem widmen. Denn sie wird für deutsche Firmen immer drängender. Tatsächlich zeichnet sich inzwischen ab, dass viele Beschäftigte nach der Pandemie zumindest zeitweise wieder im Büro sein wollen. Was sie vor Ort allerdings erwartet, wissen weder sie noch ihre Arbeitgeber.

Dabei soll die Studie ihnen zumindest Orientierungshilfe bieten. Da wäre etwa das Szenario „Neue freie Welt“, das auch nach der Pandemie höchstmögliche Flexibilität verspricht. Beschäftigte entscheiden, wann, wo und für wen sie arbeiten wollen. Die Arbeitsplätze sind vernetzt, Algorithmen wissen, wie viele Beschäftigte ins Büro kommen und steuern das Gebäude automatisch: Lüftung, Heizung und Licht etwa. Die Tische fahren von allein auf die gewünschte Höhe der Mitarbeiter, noch bevor diese im Büro sind.

Beschäftigte würden auch in Coworking-Spaces arbeiten und „alternative neue Arbeitsorte“ nutzen, wie es in der Studie heißt: Bahnhöfe, Bildungseinrichtungen, Sport- und Kulturstätten, Geschäfte und Gastronomien etwa. Und die Masse der Büroarbeiter würde auch eine Workation einlegen, also den Arbeitslaptop mit nach Sizilien nehmen und nach der Arbeit am Strand liegen.

Yogakurse und Hundebetreuung

In einem solchen Szenario würden viele Menschen von der Stadt aufs Land ziehen, prognostizieren die Wissenschaftler. Das bedeutet: Die Nachfrage nach den teuren Büroflächen in der Innenstadt sinkt. Mitarbeiter kommen nur noch selten ins Büro. Und um sie für die „langen Pendelzeiten während intensiver Arbeitsphasen zu entlasten, können Coliving Spaces bzw. Übernachtungsmöglichkeiten an den Unternehmensstandorten eine Option sein“, so beschreiben die Wissenschaftlerinnen das Konzept, das ihr Arbeitgeber in Teilen ja auch im Büro etabliert.

In einem anderen Szenario erlebt das Büro sogar ein Comeback: Der Staat setzt im Szenario „Zurück aus der Zukunft“ bürokratische Hindernisse ein, um die Arbeitswelt zu regulieren. Homeoffice würde zum Randphänomen. Und das Büro müsste aufgewertet werden. Etwa mit der Betreuung von Haustieren oder Kindern, mit Sportmöglichkeiten, Yoga-Kursen und Entspannungssessions.

Am radikalsten aber ist das vierte Szenario. „Es unterscheidet sich mit Sicherheit am stärksten vom Status quo“, erklärt Carina Müller. Hier wird aus dem Büro ein „Inszenierungs- und Ausdrucksort“, mit dem Unternehmen in erster Linie Bedürfnisse der immer begehrteren Talente auf dem Arbeitsmarkt befriedigen. Beim Betreten des Bürogebäudes werden sie durch einen Empfang persönlich oder digital begrüßt. In den Büros gibt es künftig den Job des Kurators, der das Büro Monat für Monat mit einem Motto umgestaltet, „ähnlich einem Bühnenbild bei einem Theaterstück“, schreiben die Wissenschaftlerinnen. „Das ist kostenintensiv und in Zukunft vor allem für die großen Konzerne möglich oder bei gemeinsamem Betrieb von mehreren Organisationen“, sagt auch Müller.

Diese Breite an Möglichkeiten zeigt das Dilemma, vor dem die Forscher stehen: Die Zukunft des Büros lässt sich kaum verlässlich prognostizieren. Wie Geld viel Unternehmen investieren müssen, lässt sich kaum quantifizieren. Alina Käfer sagt es so: „Eine Arbeitsumgebung mit hoher Qualität“ sei ein „Kostenfaktor“.

Stille im Büro

Und doch werden andere Forscher mit ihren Ausblicken deutlich konkreter, wenn sie etwa gezielt Architekten zu ihren Plänen oder Arbeitnehmer zu ihren Wünschen befragen: In einer Studie, die im Journal of Corporate Real Estate erschien, befragten australische Forscherinnen Design-Firmen und Berater für Büroflächen, welche Zukunft sie Büroflächen attestieren. Das eindeutige Ergebnis: Büros werden kleiner, Satellitenbüros wie eben Coworking-Spaces immer wichtiger. Büros hätten in Zukunft digital gesteuerte Spinde, in denen Mitarbeiter Koffer und Rucksäcke einschließen. Außerdem soll es bei all der Zusammenarbeit im Büro Ruhezonen geben: Unternehmen würden dort Schallschutzwände hochziehen und Teppiche auslegen, die den Schall schlucken sollen. Büromöbel werden demnach immer häufiger Rollen haben, damit Mitarbeiter Tische, Stühle und Trennwände zu eigenen Arbeitsflächen anordnen können. Gerade in riesigen Bürokomplexen, in denen mehrere Firmen sitzen, wird es „Fitnessstudios, Kinderbetreuungen, Geldautomaten, Supermärkte, Garten, Spieleräume und Duschen“ geben.

In einer anderen Erhebung des Fraunhofer IAO erläuterten im Februar 2022 die Beschäftigte selbst, was sie sich im Büro der Zukunft vorstellen könnten. 21 Prozent sprachen sich etwa dafür aus, dass smarte Armbänder Vitalwerte wie die Herzfrequenz messen und auf Grundlage dessen den Frischluftgehalt im Büro steuern. Und ein Viertel der Befragten begrüßt es demnach, wenn der Arbeitgeber auf dem Dach Lebensmittel anbaut.



Was Alina Käfer und Carina Müller schon heute mit Gewissheit sagen können: Unternehmen müssen in das Büro der Zukunft investieren. Ein gutes Büro sei ein Investment in die eigenen Mitarbeiter, es könne Menschen binden und auch anlocken, sagt Käfer. „Wenn die begehrten, jungen Fachkräfte für ein Vorstellungsgespräch in ein Büro aus lauter quadratisch umschlossenen Einzelplätze kommen, wie man die aus US-amerikanischen Kinofilmen der Achtziger kennt, sind die sicherlich schnell wieder weg.“

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