Arbeitsrecht Woran Angestellte unwirksame Kündigungen erkennen – und wie sie das für sich nutzen

U-Turn bei Kündigung: Oft sind sind Entlassungen fehlerhaft und ungültig

Viele Arbeitgeber machen bei der Kündigung Fehler. Experten verraten, wie Betroffene das Versäumnis nutzen können.

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Wer seinen Job verliert, hat häufig zumindest in einer Hinsicht Glück im Unglück: Erstaunlich oft ist ein Rauswurf unwirksam. „Sehr viele Kündigungen sind rechtlich angreifbar“, sagt Ulrich Hallermann, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er vermutet: „Der Arbeitgeber kündigt häufig auf ‚gut Glück‘, da sich viele Arbeitnehmer gegen Kündigungen nicht wehren, auch wenn sie offensichtlich rechtswidrig sind.“ Im besten Fall, so schildert der Anwalt, „wird die Kündigung vor Gericht als rechtswidrig beurteilt und der Arbeitnehmer kann an seinen Arbeitsplatz zurückkehren“.

Gründe gibt es viele, warum eine Kündigung unwirksam sein kann. Sehr oft fehlt aus juristischer Sicht der Kündigungsgrund. Dies ist laut Hallermann besonders häufig der Fall, wenn es in einem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer gibt. Hier greift nämlich das Kündigungsschutzgesetz. Eine ordentliche Kündigung ist demnach beispielsweise dann zulässig, wenn sich der Mitarbeiter etwas hat zu Schulden kommen lassen. Das müssen jedoch schwerwiegende oder mehrmalige Versäumnisse sein. Meist aber werden betriebsbedingte Gründe angeführt. Diese Argumente halten laut Hallermann häufig nicht vor dem Arbeitsgericht stand. Denn dafür muss der Arbeitsplatz des Betroffenen wegfallen, dürfte also nicht einfach mit einem anderen Kollegen besetzt werden. Zudem müssen verschiedene Faktoren (zum Beispiel Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) berücksichtigt werden.

Häufigste Fehler bei Kündigung

Laut Hallermann versäumen es Unternehmen zudem gelegentlich, den Betriebsrat (so vorhanden) über eine Kündigung zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Oft geschehe das bewusst: „Der Arbeitgeber kann bei der Anhörung viele Fehler machen“, erklärt der Experte. Unternehmen umgehen deshalb eventuell diese Konfrontation und setzen darauf, dass der Betroffene sich nicht wehrt. Es sollte deshalb immer geprüft werden, ob der Betriebsrat einbezogen wurde und wenn ja, ob alle Formalien eingehalten wurden. So ist laut dem Anwalt eine Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat zu einer fristlosen Kündigung gehört wurde, aber nur eine mildere, fristgemäße Kündigung wirksam gewesen wäre.

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Gar nicht so selten kommt es zudem vor, dass die Kündigung von einer nicht dazu befugten Person unterzeichnet wurde. Zwar muss nicht unbedingt der Firmenchef persönlich die Kündigung absegnen. Ohne Vorlage einer Vollmacht ist dies nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nur dezidiert Geschäftsführern und Prokuristen gestattet, wie Fachanwalt Dirk Vossen erklärt. Weitere Positionen seien von den Richtern nicht definiert worden. Er rät deshalb: „Legt also zum Beispiel ein Filialleiter oder Betriebsleiter keine schriftliche Vollmacht vor, sollte die Kündigung sofort wegen der fehlenden Vollmacht zurückgewiesen werden.“ Wenig Sinn ergibt dies laut Hallermann jedoch bei Führungskräften, die offenkundig Kündigungen aussprechen dürfen und dies auch regelmäßig tun (zum Beispiel Personalchefs).

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Auch in anderer Hinsicht kann die Form einer Kündigung dazu führen, dass sie unwirksam wird. Mitarbeiter dürfen nämlich nur in schriftlicher Form entlassen werden. „Schriftlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine handschriftliche Unterschrift auf dem Schreiben des Arbeitgebers prangt. „Ein digitales Bild seiner Unterschrift genügt nicht“, betont Hallermann. „Ebenso ausgeschlossen ist eine Kündigung auf elektronischem Weg. Das heißt: Auch per Whatsapp, E-Mail oder SMS kann nicht wirksam gekündigt werden!“ Eine mündliche Kündigung ist folglich ebenfalls unwirksam.

Das Wort „Kündigung“ muss übrigens nicht in dem Schreiben auftauchen. „Allerdings sollte deutlich werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis dauerhaft beenden möchte“, erklärt der Anwalt. Den Grund für die Kündigung braucht der Arbeitgeber hingegen laut Hallermann nicht zu nennen. Die Entscheidung müsse erst in einem Prozess begründet werden.

Gekündigt? Schnell handeln

Für Beschäftigte ist es deshalb häufig auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ob ihre Entlassung korrekt abgelaufen ist oder nicht. Hallermann empfiehlt daher, das Schreiben immer einem Rechtsexperten vorzulegen: „In den meisten Kündigungen findet man einen Angriffspunkt“. Wer Mitglied einer Gewerkschaft ist, kann sich neben einem Anwalt in der Regel auch an den dortigen Justiziar wenden.

So oder so sollten Betroffene nach dem ersten Schock umgehend aktiv werden. „Es ist ein sehr schnelles Handeln erforderlich, da die Kündigung in aller Regel nur drei Wochen nach Zugang erfolgreich angegriffen werden kann“, erklärt Hallermann. Diese Frist aus dem Kündigungsschutzgesetz gelte auch bei unwirksamen Kündigungen. Wer auf die Schnelle keinen Anwalt ausfindig machen kann, hat laut dem Arbeitsrechtsexperten die Möglichkeit, die Kündigungsschutzklage selbst bei Gericht einzureichen. Bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Arbeitsgerichts gebe es dazu hilfreiche Mustervorlagen.

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Unbedingt vermeiden sollten es Betroffene, den Arbeitgeber direkt auf Fehler bei der Kündigung aufmerksam zu machen. Der wird vermutlich schnell eine gültige Fassung hinterherschicken. „Dann wäre die Kündigung wirksam und der Arbeitnehmer hätte seinen Job verloren“, sagt Hallermann.

Abfindung bei Kündigung

Auch mit einer Klage lässt sich die Stelle letztlich zwar meist nicht retten. Dennoch kann sich der Weg vor Gericht finanziell lohnen. „Je schwächer die Kündigung rechtlich begründet ist, desto eher wird das Arbeitsgericht zur Zahlung einer Abfindung raten“, sagt Hallermann. Das Gericht entscheide in der Regel nicht direkt über deren Höhe, sondern beurteile allein, ob die Kündigung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Der Richter kann allerdings beiden Seiten vermitteln, welche Lösung er für angemessen hält. Als Faustformel gilt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. „Die Abfindung ist der Höhe nach aber nicht begrenzt“, gibt Hallermann zu bedenken. „Es ist letztlich Verhandlungsgeschick, auf was sich die Parteien einigen.“

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