Arbeitszeit-Debatte Chancen und Risiken flexibler Arbeitszeit

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Gefahr der Selbstausbeutung besteht immer

Auch eine Sensibilisierung von Führungskräften ist deshalb wichtig. „Sie müssen darauf achten, dass sich die Beschäftigten nicht selbst ausbeuten“, sagt Lott. „Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, arbeiteten häufig länger und haben eine schlechtere Work-Life-Balance.“

Möglichkeiten zur Flexibilisierung gibt es in Deutschland mittlerweile viele - dazu gehören Arbeitszeitkonten, Gleitzeit oder Arbeit auf Vertrauensbasis. Viel hängt dabei von der Ausgestaltung ab. Sei zumindest ein Zeitrahmen vorgegeben, wie etwa bei der Gleitzeit, funktioniere das meist ganz gut, sagt Lott. „Werden dagegen Bonuszahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele gezahlt und gibt es keine Arbeitszeitgrenze, ist das Risiko für Überstunden besonders hoch.“ Deshalb sei eine tägliche Arbeitszeitnorm auch in Zukunft wichtig.

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Genau das wollen die Arbeitgeber ändern, sie verlangen von den Mitarbeitern mehr Beweglichkeit - zum Beispiel um die Arbeitszeiten besser der Auftragslage anpassen zu können. „Das Arbeitszeitgesetz sollte von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt werden, um mehr Spielräume zu schaffen und betriebliche Notwendigkeiten abzubilden“, hatte BDA-Präsident Ingo Kramer im Juli gesagt.

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Konkret setzt sich die BDA für eine an der EU-Richtlinie orientierte Höchstgrenze für die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden ein. Diese soll an die Stelle der deutschen Acht-Stunden-Regel für den Einzeltag treten. Außerdem wollen die Arbeitgeber eine Aufweichung der Regeln für die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden.

Der DGB läuft dagegen Sturm. „Man muss keine der bestehenden Schutzgrenzen im Arbeitszeitgesetz verändern, um Flexibilität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ermöglichen“, kritisiert Böning. Die Gewerkschaften drängen vielmehr darauf, den Schutz der Beschäftigten zu verbessern. Vorbild könnten Vereinbarungen bei großen Konzernen wie Bosch sein, die Regeln für mobiles Arbeiten festschreiben.

„Gerade weil sich die Arbeitswirklichkeit so geändert hat, brauchen wir eine Absicherung gegen die neuen Risiken“, sagt Böning. Die Gesundheit der Beschäftigten habe Priorität und dürfe nicht dem Interesse der Unternehmen untergeordnet werden. Wöchentliche Arbeitszeiten von deutlich mehr als 40 Stunden schaden der Gesundheit und auch der Arbeitssicherheit, sind sich Arbeitsmediziner sicher. Zahlreiche Studien hätten Zusammenhänge zwischen langen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Problemen wie Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Stressempfinden ermittelt, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). „Wir sind heute nicht belastbarer als vor 30 Jahren“, sagt Böning. „Aber ein Acht-Stunden-Tag ist heute deutlich anstrengender als damals.“

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