Arbeitszeiten Warum flexible Arbeitszeiten eine Falle sind

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Der Sechs-Stunden-Tag kostet zu viel

Ein Grund dafür, dass Menschen immer mehr arbeiten, liegt auch an den flexiblen Arbeitszeiten. Mittlerweile arbeitet jeder Fünfte nicht mehr jeden Tag zu den gleichen Zeiten. Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Instituts zur Zukunft der Arbeit hervor. In über 30 Prozent der Unternehmen ist Home-Office zumindest teilweise möglich. Diese örtliche und zeitliche Flexibilität hat allerdings eine nicht zu unterschätzende Folge: Wir arbeiten länger und sind bereit eher Überstunden zu machen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung der Heinrich-Böll-Stiftung und der University of Kent, die kürzlich in der soziologische Fachzeitschrift "European Sociological Review" veröffentlicht wurde. Dazu wurden über mehrere Jahre hinweg, die Anzahl der Überstunden und die Flexibilität der Arbeitszeiten beobachtet. Demnach geht die Kontrolle über die Arbeitszeit mit einer Zunahme der Überstunden, aber auch des Einkommens einher - zumindest bei Männern. Frauen profitieren deutlich weniger davon, das Lohngefälle wird größer.

Der Wunsch nach Flexibilität und damit ein zunehmendes Verschmelzen von Privat- und Berufsleben hat allerdings auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen: Einer Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge füllt sich jeder zweite "Freiarbeiter" am Ende des Arbeitstages erschöpft. Demgegenüber stehen klassische Arbeitnehmer, wo nur jeder dritte Erschöpfungszeichen zeigt.

In Skandinavien wird deshalb immer wieder mit kürzeren Arbeitszeiten experimentiert. Das Ziel: Den Angestellten mehr Zeit für Freunde und Familie ermöglichen, damit sie ihre Tanks wieder aufladen können, glücklicher und weniger gestresst sind.

Wie gehen Sie mit Stress und Ärger um?

Durchgesetzt hat sich aber bisher kein Modell – es kostet schlicht zu viel. Wer den Arbeitstag von acht auf sechs Stunden verkürzt, braucht deutlich mehr Belegschaft, um weiterhin den Kundenservice oder die Produktion aufrechterhalten zu können. Das haben Experimente in Skandinavien gezeigt: Den Auftakt macht Schweden, konkret: eine Toyota-Werkstatt in Göteborg. Im Jahr 2000 führte das Unternehmen den sechs Stunden-Tag ein. Die Mitarbeiter arbeiten in zwei Schichten von sechs bis zwölf und von zwölf bis 18 Uhr.  Dadurch konnte die Werkstatt länger öffnen – mit positivem Effekt auf die Umsätze. Allerdings brauchte sie auch mehr Mitarbeiter. Seit dem haben immer wieder Unternehmen oder Behörden in Schweden mit diesem Modell experimentiert.

40 Stunden in vier Tagen statt fünf

2015 testete auch die japanische Modekette Uniqlo die Vier-Tage-Woche. Für Japan ein ungewöhnliches Modell, denn in Japan sind lange Arbeitstage und –wochen trotz anders lautender Arbeitsverträge bei vielen Statussymbol: 22 Prozent der Japaner arbeiten mehr als 49 Stunden pro Woche, 42,6 Prozent machen häufig unbezahlte Überstunden. An der Anzahl der Arbeitsstunden ändert sich für die Beschäftigten bei Uniqlo allerdings nichts. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg sollen die 2000 festangestellten Mitarbeiter ihre 40-Stunden-Woche an vier, statt an fünf Tagen abarbeiten. Am Wochenende mussten die Angestellten trotzdem im Laden stehen - schließlich gehen die Kunden eher samstags als montags shoppen.

Der App-Entwickler Basecamp dagegen testete ein halbes Jahr lang die 32-Stunden-Woche an vier Tagen. Auch bei einer Online-Plattform für Programmiersprachen, dem amerikanischen Unternehmen Treehouse, gibt es die Vier-Tage-Woche mit geringeren Arbeitszeiten. Sowohl bei Basecamp als auch bei Treehouse konnte man beobachten, dass die Mitarbeiter weniger unter Montagsblues leiden, effektiver arbeiten und weniger fehlen.

Allein schon deshalb, weil sie Arzttermine oder Besuche vom Handwerker auf ihren freien Wochentag legten und sich nicht extra frei nehmen mussten. Bei beiden Unternehmen wurde deshalb allerdings das Schichtsystem geändert, so dass immer ein Ansprechpartner für Kunden und Partner zur Verfügung stand. Auch durften nicht alle Mitarbeiter am selben Tag frei haben.

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