"Ich wollte schon immer in Europa leben und als ich einen spannenden Studienplatz in Bremen gefunden habe, ist meine Entscheidung für den Umzug schnell gefallen", sagt Patricia Torrico. Die gebürtige Bolivianerin lebt seit 2009 in Deutschland.Auswanderer loben Deutschland in den höchsten Tönen: die Lebensqualität ist gut, die Karrierechancen fantastisch, Sicherheit, Infrastruktur und Bildung werden großgeschrieben. Nur: Bevor jemand nach Deutschland zieht, um hier zu leben und zu arbeiten, geht er lieber nach Ecuador.
So lautet jedenfalls das Ergebnis der Studie "Expat Insider 2015" des Münchner Unternehmens InterNations, einem Netzwerk und Informationsportal für alle, die im Ausland leben und arbeiten. Die aus der Studie resultierende Rangliste bewertet die verglichenen Länder basierend auf unterschiedlichen Faktoren wie Lebensqualität, finanzielle Situation der Befragten, Karriere und Freundschaften im Ausland.
Für die Studie wurden 14.300 im Ausland lebende und arbeitende Personen aus 195 Ländern und mit 170 Nationalitäten befragt: Woher kommen sie, warum sind sie in ein anderes Land gezogen, in welcher Branche sind sie tätig, was verdienen sie und wie zufrieden sind sie mit ihrem Gastland. Unter ihnen sind sowohl Menschen, die ihren Partner ins Ausland begleiteten, ehemalige Studenten, die sich während eines Auslandssemesters in Land und Leute verliebt haben, als auch Abenteurer, die einfach beschlossen haben, im Ausland ihr berufliches und privates Glück zu suchen, wie Malte Zeeck, Geschäftsführer von InterNations, sagt.
"Der Anteil derer, die von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsandt werden, ist unter allen Expats sicher nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren – was aber nicht zwingend heißt, dass weniger Expats entsandt werden, sondern dass einfach mehr Menschen auch aus anderen Beweggründen ins Ausland gehen." In Zahlen: Nur noch 13 Prozent der Expats werden für ein bestimmtes Projekt von ihrem Arbeitgeber ins Ausland geschickt, der Rest geht mehr oder weniger freiwillig. Mit Flüchtlingen haben die von InterNations befragten Expats jedoch nichts zu tun: Niemand der Befragten ist aus der Not nach Deutschland gekommen. Es handelt sich um qualifizierte Jobnomanden. "83 Prozent haben einen Universitätsabschluss", so Zeeck.
Was Expats über Deutschland denken
Von den Ausländern, die nach Deutschland gekommen sind, lobten 67 Prozent die sehr gute Infrastruktur - im globalen Vergleich sind es nur 33 Prozent. 93 Prozent der Expats hierzulande empfinden es als positiv, von Flensburg bis nach Bayern problemlos das Land bereisen zu können. Entsprechend steht Deutschland in der Subkategorie "Reisen und Transport" auf Platz sechs von 64. Was die Karrierechancen angeht, belegt Deutschland im Ranking Platz vier, bei der Gesundheitsversorgung sogar den dritten Platz. 85 Prozent der Befragten nannten das deutsche Gesundheitssystem vorbildlich. Außerdem lobten 72 Prozent, dass man sich hierzulande die ärztliche Versorgung und Medikamente problemlos leisten könne.
Fakten über Expats in Deutschland
Das Münchner Unternehmen InterNations, ein Netzwerk und Informationsportal für alle, die im Ausland leben und arbeiten, hat 14.300 im Ausland lebende und arbeitende Personen aus 195 Ländern und mit 170 Nationalitäten zu ihrer Zufriedenheit mit dem Gastland befragt. Die Ergebnisse wurden in der Studie „Expat Insider 2015“ veröffentlicht.
In Deutschland waren 59 Prozent der Befragten weiblich, das Durchschnittsalter der hiesigen Expats beträgt 37,1 Jahre. 60 Prozent haben einen Partner oder eine Partnerin.
Die meisten Expats in Deutschland kommen aus den USA (16 Prozent), Italien (8 Prozent) und Großbritannien (7 Prozent).
17 Prozent der nach Deutschland Ausgewanderten antworteten, sie seien ins Ausland gegangen, weil sie dort einen neuen Job gefunden hätten. „Für die Liebe“ zogen 13 Prozent nach Deutschland. Ein ähnliches Motiv dürften allerdings auch die 12 Prozent gehabt haben, die für die Ausbildung oder den Job ihres Partners ihre Heimat hinter sich ließen.
Sicherheit geht vor: 53 Prozent der Befragten gaben an, als einfacher Angestellter oder als Manager in Deutschland zu arbeiten, also mit festem Vertrag. 10 Prozent waren zum Zeitpunkt der Befragung noch auf der Suche nach Arbeit, nur acht Prozent wagten eine Tätigkeit als Freelancer.
Die Branchen, in denen die meisten Expats in der Bundesrepublik arbeiten, sind die Internetbranche, die IT- und Software-Industrie, der Technologiesektor sowie die Spieleindustrie (19 Prozent). Mit 14 Prozent folgen Ausbildung und Erziehung, Berufe in der Forschung und – ein klassisches Feld für Auswanderer – Übersetzungsdienstleistungen. In Konsumgüterindustrie, Fertigung und Produktion arbeiten nur neun Prozent.
Die größte Gruppe (25 Prozent) verdient zwischen 50.000 und 75.000 US-Dollar pro Jahr, also umgerechnet zwischen gut 44.700 Euro und 67.000 Euro. 21 Prozent bekommen zwischen 25.000 und 50.000 US-Dollar und 14 Prozent erhalten zwischen 75.000 und 100.000 US-Dollar.
Die 40-Stunden-Woche in Deutschland beschert den in Deutschland lebenden Auswanderern zwei Stunden mehr Freizeit in der Woche als im globalen Durchschnitt.
Die meisten der Befragten sind „sehr zufrieden“ (15 Prozent), „zufrieden“ (40 Prozent) oder „größtenteils zufrieden“ (27 Prozent) mit ihrem Leben hier vor Ort. Insgesamt sind also 82 Prozent „generell zufrieden“. 11 Prozent gaben „neutral“ als Antwort auf diese Frage an, 4 Prozent waren „nicht unbedingt zufrieden“, zwei Prozent „nicht zufrieden“ und nur ein Prozent „überhaupt nicht zufrieden“.
Wenn es um sichere Arbeitsplätze geht, hat Deutschland nach Luxemburg die zweitbeste Bewertung weltweit: 96 Prozent der befragten Ausländer in Deutschland äußern sich positiv über das Wirtschaftsklima, und 73 Prozent halten den eigenen Arbeitsplatz für sicher. Außerdem sind fast zwei Drittel optimistisch in Bezug auf die eigene Karriere. Dafür ist die Work-Life-Balance in Deutschland nur mittelmäßig. Trotzdem sind fast sieben von zehn Expats mit ihrer 40-Stunden-Woche zufrieden.
Und auch wer es ruhig und friedlich mag, sei in Deutschland am richtigen Ort, so das Fazit der hier lebenden Expats. Weniger als ein Prozent der Befragten äußerten sich negativ über die persönliche Sicherheit oder die politische Stabilität hierzulande. Im internationalen Vergleich machten sich elf Prozent der Expats in ihrem Gastland Sorgen um ihre Sicherheit, 16 Prozent fürchteten um die politische Lage. Deutschland gehört jedoch trotz all der Lobhudelei nicht zu den beliebtesten Ländern - insgesamt belegt es Platz 16 von 64.
Gutes Wetter in Mexiko, große Liebe in Ecuador
Die beliebtesten Länder sind Ecuador, Mexiko, Malta, Singapur, Luxemburg, Neuseeland, Thailand, Panama, Kanada und Australien. Beispielsweise in Ecuador sind 94 Prozent der dortigen Expats mit ihrer Freizeitgestaltung zufrieden und 91 Prozent bewerten ihre Lebenshaltungskosten positiv. Ihre private finanzielle Situation bewerteten 80 Prozent der Expats in Ecuador als gut. Außerdem entpuppt sich das Land als Eldorado für rüstige Amerikaner: 56 Prozent der dort lebenden Expats kommen aus den USA, der Altersdurchschnitt beträgt 51,9 Jahre. 36 Prozent der befragten Ausländer in Ecuador sind Rentner. "Das Land scheint besonders diejenigen anzuziehen, die einen längeren Aufenthalt planen", heißt es in der Studie. 45 Prozent wollen demnach für immer in Ecuador bleiben.
Global betrachtet ziehen es nur 25 Prozent der Expats in Erwägung, für immer an ihrem jetzigen Aufenthaltsort zu bleiben, weiß Zeeck. 21 Prozent seien noch unentschlossen, ob und wie lange sie bleiben werden, 19 Prozent bleiben zwischen einem und drei Jahren, 16 Prozent wollen mehr als fünf Jahre in der Fremde bleiben und 14 Prozent gehen nach einem Aufenthalt von drei bis fünf Jahren wieder. Nur fünf Prozent seien wegen kurzfristiger Projekte im Ausland und bleiben weniger als ein Jahr.
Wohlfühlfaktoren Liebe und Sonnenschein
Ein Faktor für zufriedene Expats, die lange bleiben, ist die Liebe. Und die Expats in Ecuador waren - unabhängig von der geplanten Dauer ihres Aufenthalts - mit ihrem Privat- und Liebesleben zufrieden. Und das, wobei gerade letzteres in der Fremde nicht einfach sei, wie Zeeck sagt. Die drei größten Probleme von Expats seien, dass sie ihre Freunde und Familie in der Heimat vermissen, die Sorge um ihre finanzielle Zukunft - Stichwort Altersvorsorge - und das Aufrechterhalten beziehungsweise Eingehen einer Beziehung.
Wer einen Partner hat, bevor er sich ins Ausland aufmacht, mache sich Gedanken, wie die Beziehung die Distanz überstehen soll. Kommt der Partner mit, habe er es häufig noch schwerer, sich einzuleben, als der eigentliche Auswanderer. Und wer im Ausland nach der großen Liebe sucht, hat häufig kulturelle oder Sprachschwierigkeiten, wie Zeeck erzählt.
Spannend: Die Deutschen, die ja sonst im Urlaub und der Heimat eher zum Nörgeln tendieren, sind nahezu wunschlos glücklich. Unter den im Ausland lebenden Bundesbürgern gaben 82 Prozent an, mit ihrem neuen Leben zufrieden zu sein, 28 Prozent wollen deshalb eventuell sogar dauerhaft im Gastland bleiben. Unter allen Nationaltäten in der Umfrage ist dies der größte Anteil. Sollte sich das Leben im Zielland wider Erwarten als Flop erweisen, können die deutschen Expats auf ihre nomadischen Verhaltensmuster zurückgreifen: 61 Prozent der im Ausland wohnhaften Deutschen haben bereits in mindestens zwei weiteren Ländern gelebt. Der weltweite Durchschnitt beträgt hingegen weniger als 50 Prozent.
Mexiko auf Platz zwei erobert das Herz der Expats mit Land, Leuten und Leckereien: Mehr als vier von fünf Befragten haben sich leicht an die Kultur des Gastlandes gewöhnen können und über 90 Prozent schätzen die Freundlichkeit der mexikanischen Bevölkerung.
Auch das Wetter in dem südamerikanischen Land schneidet bei fast allen Zuzüglern gut ab. Und das spielt offenbar eine sehr wichtige Rolle, wenn es um das präferierte Zielland geht. Das bestätigt auch Torrico. Sie sagt: "Vor dem Umzug habe ich mir große Sorgen gemacht, nach dem Studium keine Arbeitsstelle zu finden, falls ich neben dem Abschluss nicht genügend Zeit finden würde, fließend Deutsch zu lernen. Auch das Wetter in Deutschland war mir nicht geheuer – ich war mir nicht sicher, ob ich mit dem kalten Winter und dem Schnee klarkommen würde."
Besonders bei den Briten fällt gutes Wetter ins Gewicht, wenn es um die Wahl des Ziellandes geht. Für 50 Prozent der Menschen aus dem Vereinigten Königreich gehe es beim Auswandern auch um eine Erhöhung der Sonnenstunden.
"Wir fragen, worüber sich die Menschen Gedanken machen, bevor sie ins Ausland gehen", sagt Zeeck. Das Klima ist einer der vier Faktoren, die am häufigsten genannt werden. Außerdem denken die Auswanderer über Sprachbarrieren, Lebenshaltungskosten und den Arbeitsmarkt im Zielland nach. Die Entscheidung für ein Land werde zwar letztlich nicht nur vom Wetter abhängig gemacht, doch für das allgemeine Wohlbefinden spiele es schon eine Rolle, so Zeeck.
Brummelige Deutsche, schwierige Sprache
Wenig überraschend schneidet Deutschland in punkto Wetter eher schlecht ab. 37 Prozent der hier lebenden Ausländer verhagelt das deutsche Wetter die Laune. Global betrachtet sind nur 22 Prozent unzufrieden mit den Witterungsbedingungen in ihrem Gastland. Weitere Probleme bereiten den Expats die schwer zu lernende Sprache und die eher brummeligen Deutschen: Den in Deutschland lebenden Ausländern fällt die Eingewöhnung entsprechend schwer.
Mehr als 50 Prozent der Befragten zufolge ist es alles andere als einfach, mit den Deutschen Freundschaft zu schließen. So sagt auch Torrico, dass es ihr zunächst sehr schwer gefallen sei, hier Fuß zu fassen. "Nicht nur, weil ich kein Deutsch konnte, sondern auch, weil die Deutschen viel distanzierter sind als die Menschen in meiner Heimat: Neue Bekanntschaften werden grundsätzlich gesiezt und Umarmungen sind hierzulande nicht üblich." Aber auch da gibt es regionale Unterschiede, wie sie erlebt hat: "Seitdem ich aus dem Norden Deutschlands nach München gezogen bin, fällt mir der Umgang mit den Einheimischen viel leichter."
Trotzdem beschreibt nur einer von neun Umfrageteilnehmern seine neuen Nachbarn als sehr freundlich gegenüber ausländischen Mitbürgern, nur zwölf Prozent halten die Deutschen im Allgemeinen für sehr freundlich. In der entsprechenden Kategorie belegt Deutschland auf Platz 54 von insgesamt 64 Ländern.
Ganz anders sei die Situation in Lateinamerika oder in Südeuropa, weiß Zeeck. Entsprechend liegt auch Malta nicht nur wegen des guten Wetters in der Gunst der Auswanderer weit vorn. 73 Prozent hatten keine Probleme dabei, neue Freunde zu finden, 77Prozent gaben an, sich schnell zuhause gefühlt zu haben. Laut der InterNations Umfrage ist Malta außerdem das beste Zielland in Punkto Arbeitszufriedenheit: Die allgemeine Zufriedenheit mit dem Job ist hoch und mehr als zwei Drittel der Studienteilnehmer sind glücklich mit Karrierechancen, Arbeitszeit und dem Verhältnis von Freizeit und Beruf. Auch dass eine der Amtssprachen der ehemaligen britischen Kolonie Englisch ist, macht Malta zu einem beliebten Ziel für Auswanderer. Besonders beliebt ist die Insel entsprechend bei Briten und Amerikanern.
Die neuen Einwohner Maltas müssen allerdings Gehaltseinbußen hinnehmen: 46 Prozent gaben an, dass sie vor Ort weniger verdienen, als in der Heimat. Entsprechend belegt die Mittelmeerinsel auch nur Platz 42 in der Unterkategorie "Persönliche Finanzsituation".
Asien bietet Frauen bessere Karrierechancen
Ganz am Ende der Liste stehen Kuwait (Platz 64), Griechenland (Platz 63) und Nigeria (Platz 62). Nirgendwo könne man schwerer heimisch werden als in Kuwait, so die einhellige Meinung der Expats. 53 Prozent bemängeln die geringe Freundlichkeit und Offenheit der Einheimischen und auch die allgemeine Lebensqualität lasse stark zu wünschen übrig. In Griechenland seien die Menschen dagegen sehr freundlich und Fremden gegenüber aufgeschlossen, wie 76 Prozent sagen. 71 Prozent hätten sich schnell heimisch gefühlt. Doch was Arbeitszufriedenheit, Jobsicherheit, Work-Life-Balance und die persönliche finanzielle Situation angeht, sei das Leben in Griechenland eine Katastrophe.
Unterscheidet man die Präferenzen der Geschlechter, liegen asiatische und arabische Länder bei den Frauen weit oben auf der Wunschliste, wie Zeeck sagt. Thailand beispielsweise liege bei den Frauen auf Platz drei, bei den Männern dagegen nur auf Platz 13. Noch deutlicher sei der Unterschied bei der chinesischen Sonderwirtschaftszone Hongkong. Unter den Top-Ländern in punkto Karrierezufriedenheit liegt die Stadt bei den Frauen auf Platz eins, bei den Männern auf Rang 35. "Woran genau das liegt, ist schwer zu sagen, da sich der Ländervergleich auf viele verschiedene Faktoren bezieht. Bei einigen dieser Länder, wie zum Beispiel Oman und ganz besonders Hongkong, fällt aber besonders die bessere Bewertung des Arbeitslebens auf. Das könnte daran liegen, dass es in solchen Ländern einfacher für Frauen ist, einen Job zu finden", mutmaßt Zeeck.