Fakt ist aber auch: Je normaler es wird, dass Väter mehr als zwei Vätermonate für ihre Elternzeit beanspruchen oder dass sie für die Familie gemeinsam mit ihrer Partnerin auch ihre Arbeitszeit reduzieren, desto weniger wird es Nachteile für den einzelnen geben. Das zeigt unter anderem der „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit“ vom IW im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Der zeigte, dass Männer mit fünfmal höherer Wahrscheinlichkeit Elternzeit nehmen, wenn ihr Chef das ebenfalls getan hat. Vorbilder sind also ebenso gefragt wie eine wahrhaft familienfreundliche Unternehmenskultur, die sich nicht nur so nennt.
Denn, auch das zeigte der Unternehmensmonitor, Unternehmen schätzen ihre Angebote besser ein als ihre Beschäftigten. 83 Prozent der Personalverantwortlichen und Geschäftsleitungen finden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen eine Selbstverständlichkeit sei. Aber nur 60 Prozent der Beschäftigten teilen diese Einschätzung. Ohne Vertrauen in die Unterstützung und Offenheit der Vorgesetzten fehlt vielen Beschäftigten der Mut, die Angebote ihres Unternehmens in Anspruch zu nehmen.
Manche lernen dazu
Karsten Berge, Mittfünfziger und Vorstand der Kölner Personalberatung für gehobene Fach- und Führungskräfte im Digitalbereich, Nelex AG, hat als Chef beispielsweise eine Entwicklung gemacht und fördert heute gerne die Elternzeitersuchen seiner Mitarbeiter. Dabei war es für ihn erst einmal befremdlich, dass jüngere Männer heute so selbstverständlich ihre familiäre Auszeit einfordern. „Als ich jünger war und Vater wurde, gab es das schließlich nicht“, sagt er. Mittlerweile weiß er, dass Mitarbeiter nicht nur zufriedener sind, wenn sie Arbeit und Familie in dieser Weise vereinbaren können – sie bringen auch neue Tugenden vom Wickeltisch zurück, nutzen ihre Zeit effizienter und sind mitunter in ihrer Persönlichkeit neu geerdet. „Wenn eine Mitarbeiterin zwölf Monate lang weg ist, ist das für ein kleines Unternehmen nie einfach. Dass aber Väter das in Anspruch nehmen, das ist noch nicht ganz so selbstverständlich. Auch ich musste mich da ein Stück weit ändern“, räumt Berge ein.
Nach dem ersten Präzedenzfall hätten sich immer mehr männliche Mitarbeiter in seinem Unternehmen getraut. „Sie haben sehr genau beobachtet, wie die Geschäftsleitung mit Kollegen umgeht, die längere Elternzeiten in Anspruch nahmen. Aber auch, wie ihre Kollegen damit umgingen.“ Im Nachhinein sieht Berge, dass die teilweise parallelen Abwesenheiten von Mitarbeitern zu einem besseren Miteinander im Team geführt haben. Die Rückkehrer hätten sich teilweise sogar richtig dankbar gezeigt – und sich umso mehr engagiert.
Elternzeit und Elterngeld – die wichtigsten Infos
Müttern und Vätern stehen pro Kind jeweils drei Jahre Elternzeit zu. Diese sind unabhängig vom Elterngeld, können also auch ohne Lohnersatz in Anspruch genommen werden. Sie können am Stück genommen oder in drei Zeitabschnitte gesplittet werden.
Nach einer Reform kann ein Jahr inzwischen sogar auf Antrag bis zum achten Lebensjahr genommen werden, etwa um die Einschulung und das erste Schuljahr zu begleiten.
Während einer Elternzeit besteht Kündigungsschutz und es besteht ein Anspruch auf Bewilligung durch den Arbeitgeber. Elternzeit muss sieben Wochen im Voraus beantragt werden, bei Kindern über drei Jahren sind es zwölf Wochen.
Elterngeld wird für insgesamt 14 Monate der Elternzeit vom Staat gezahlt und beträgt 65 Prozent des Durchschnittsnettoeinkommens in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes; bei der Mutter gelten die zwölf Monate vor Beginn des Mutterschutzes. Nimmt nur ein Elternteil Elternzeit, gibt es nur zwölf Monate lang die Unterstützung. Daraus haben sich die sogenannten Vätermonate etabliert, da zwei Monate Elterngeldanspruch verfallen, wenn der zweite Elternteil keine Elternzeit nimmt.
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, mit Elterngeld Plus eine Kombination aus Elternzeit, Berufstätigkeit und Elterngeldbezug wahrzunehmen. Bei einer Teilzeittätigkeit von bis zu 25 Stunden in der Woche kann man ergänzend ein halbes Elterngeld bekommen und die Bezugszeit dadurch strecken. Wenn dies beide Elternteile parallel tun, bekommen sie als Prämie nochmals vier Monate Elterngeld Plus. Mit dieser Maßnahme wollte die damalige Familienministerin Manuela Schwesig die partnerschaftliche Aufteilung von Elternzeit und Erziehung fördern.
Alte Rollenbilder wirken noch stark
Eine Mischung aus teils begründeter Sorge und Selbstverhinderung sieht auch Volker Baisch. Er beobachtet, dass in vielen Unternehmen noch nicht davon ausgegangen wird, dass männliche Beschäftigte genau wie weibliche familienbedingte Auszeiten und Flexibilität brauchen. Baisch betont aber auch: „Teilweise stehen sich die Männer selbst im Weg und loten ihre Möglichkeiten noch nicht genug mit Kollegen und Vorgesetzten aus.“
Wido Geis-Thöne, der beim IW unter anderem für Familienpolitik zuständig ist, glaubt zudem, dass klassische Rollenbilder noch sehr stark in der Gesellschaft wirken. „Wir beobachten nach dem ersten Kind eine Retraditionalisierung auch bei Paaren, die vorher ein Gleichheitsideal hatten. Die Wertvorstellung, dass die Mutter sich in den ersten Monaten um das Kind kümmern muss, ist stark verankert und wirkt auch aus der erweiterten Familie auf die Kernfamilie ein, etwa durch Eltern und Schwiegereltern“, sagt Geis-Thöne. Alle Gründe für die fortbestehenden Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern wirken demnach auch bei der Frage, wie Paare sich die Erziehungsarbeit aufteilen.
Und wenn Männer Elternzeit nehmen, heißt dies noch lange nicht, dass sie diese vom Staat bezahlten Monate nur dem Kind widmen. „Wir wissen, dass die Partnermonate häufig parallel genommen werden, dass also der Vater gleichzeitig mit der Mutter Elternzeit nimmt und dann wahlweise das Haus renoviert oder alle zusammen einen großen Urlaub machen. Die angestrebte gleiche Aufteilung der Erziehungs- und Hausarbeit ist in der Praxis nicht angelangt“, sagt Geis-Thöne. Zwar hätten sich die Familienkonstellationen in den vergangenen 30 Jahren enorm verschoben, „aber bei der Betreuung wird eher auf externe Ressourcen statt auf die Väter gesetzt“.
Fazit
Es sind also einerseits die sehr tief verinnerlichten Rollenbilder, andererseits die Unternehmen, die es Müttern und Vätern manchmal schwerer machen als nötig. Und nicht zuletzt die Väter selbst, die sich manchmal nicht trauen – und manchmal vermutlich schlichtweg nicht wollen. Dass Väter wegen familienbedingter Auszeiten in ihrem Unternehmen fortan schwer benachteiligt oder im Extremfall gefeuert werden, sind Geschichten, die jeder vom Hörensagen kennt – übrigens ebenso über Frauen. In den Statistiken zumindest bestätigt sich das nicht. Überhaupt sind die besprochenen vermeintlichen Nachteile, die durch Elternzeit & Co. entstehen, per se nicht neu – damit müssen Mütter schon lange und in größerer Zahl leben als Väter.
Erfreulich ist der Trend, dass Unternehmen in den vergangenen Jahren offenbar dazugelernt und den Faktor Familie vereinzelt sogar als eine Art Qualifikation sehen. Einige Handwerksbetriebe, die ihren Vätern mehr Flexibilität ermöglichen, wurden auch in diesem Wiwo-Artikel vorgestellt. Ob familienfreundliche Angebote in puncto Arbeitszeit und Homeoffice, Zuschüsse für Kinderbetreuung, Elternarbeitszimmer oder Betriebs-Kitas – gerade in der Phase des Fachkräftemangels und als Antwort auf die Erwartungen der Generation Y tut sich inzwischen einiges.