Beziehungen im Büro Was verliebte Kollegen beachten müssen

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Frauen sorgen sich stärker um ihren Ruf

Auch den aktuellen Studienergebnissen von Fittkau und Maaß zufolge ist das kein Tabu mehr: Elf Prozent der Befragten gaben an, ihren Schreibtisch, das Lagerregal und Co. schon einmal für Sex zweckentfremdet zu haben. Fürs erste Anbandeln bleibt die Firmenfeier ein Klassiker: Dort ist es bei jedem Achten schon zu Knutschereien oder mehr gekommen.

Dabei sorgen sich Frauen allerdings wesentlich stärker um ihren Ruf: Jeder fünfte Mann, aber nur knapp jede achte Frau flirtet der Umfrage zufolge gern am Arbeitsplatz. Selbst vergebene Männer sind mit 19 Prozent für das Anbandeln am Arbeitsplatz offener als Single-Frauen (14 Prozent). „Frauen gehen sehr sensibel mit dem um, was sie sich erarbeitet haben und setzen das nicht so leicht aufs Spiel“, erklärt Psychologin Fischbach die Mechanismen. Denn Frauen müssten „häufig immer noch mehr für ihre Karriere leisten und ihr Image mehr verteidigen als Männer – in dieser Hinsicht hat sich gesellschaftlich wenig getan, obwohl Frauen sich ansonsten emanzipiert haben, beruflich und auch sexuell.“

Hochschlafen, was manchen Mitarbeiterinnen immer noch gern hinter vorgehaltener Hand unterstellt wird, sei für sie längst keine Option mehr: „Frauen steigen heutzutage durch Leistung und Kompetenz auf. Gängige Konstellationen aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren wie beispielsweise Chef und Sekretärin oder das Erlangen eines höheren sozialen Prestiges durch Hochheiraten haben sich weitgehend erledigt“, sagt Fischbach.

Doch manche Arbeitgeber sehen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz noch immer kritisch - besonders US-Unternehmen. So stürzte im Sommer Brian Krzanich, Vorstandschef des US-Chipherstellers Intel, über ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin, obwohl es zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens längst beendet war. Der Handelsriese Wal-Mart versuchte vor einigen Jahren sogar, seinen Beschäftigten in Deutschland Beziehungen per Ethik-Richtlinie zu verbieten. Ohne Erfolg: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte, ein solches Verbot sei ein Verstoß gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das im Grundgesetz verankert ist (Az. 10 TaBV 46/05).

„In den USA gibt es zwar immer wieder Tendenzen, Liebe am Arbeitsplatz zu verbieten. Aber in Deutschland ist erst einmal alles erlaubt, was der Arbeitgeber nicht explizit verbieten darf“, erklärt Axel Pöppel, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. So spricht hierzulande erst einmal nichts gegen Beziehungen oder Affären am Arbeitsplatz – sofern das Geturtel nicht zu Lasten der Arbeitszeit geht oder sich Kollegen durch den Austausch von Intimitäten belästigt fühlen.

„Wenn es zu einer Klage kommt, dann handelt es sich in der Regel um Kündigungen wegen Arbeitszeitmissbrauch oder Rufschädigung, sofern das Verhältnis womöglich bekannter Personen an die Öffentlichkeit gelangt. Oder wenn das Schamgefühl Dritter verletzt wird, etwa der Reinigungskraft, die ein Paar auf dem Schreibtisch überrascht“, berichtet Pöppel von seinen Erfahrungen aus 20 Jahren Arbeitsrecht. Solche Fälle mündeten in der Regel aber nicht in Gerichtsurteilen, weil es zuvor eine gütliche Einigung gebe – schließlich wolle meist keiner der Beteiligten einen öffentlichen Prozess.

Hohe Verluste durch Liebeskummer

Unproblematisch ist die Liebe im Büro trotzdem nicht – besonders, wenn die Betroffenen wieder auseinandergehen. „Stress entsteht meist erst dann, wenn Beziehungen auseinanderbrechen und sich Trennungsdramen abspielen, die womöglich vor dem Familiengericht entschieden werden müssen“, erläutert Pöppel. Denn dann wird es schwierig, zusammenzuarbeiten und die Konflikte nicht in den Kollegenkreis zu tragen. „Schließlich ist man mit kaum jemandem so viele Stunden am Tag zusammen wie mit den Kollegen und Kolleginnen.“

Die wirtschaftlichen Folgen einer gescheiterten Beziehung sind groß: Jeder Sechste gab in der ElitePartner-Befragung an, schon einmal wegen Liebeskummers oder Beziehungsstreits nicht zur Arbeit gegangen zu sein. Einer Hochrechnung des Partnerportals basierend auf den Daten des Statistischen Bundesamts 2018 zufolge entsteht dadurch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden: Wenn jeder Arbeitnehmer einmal im Leben auch nur einen einzigen Tag wegen Liebeskummers fehlt, ergibt sich ein Ausfall von rund 6,5 Millionen Arbeitstagen. Basierend auf einem monatlichen Durchschnittsgehalt von 3582 Euro entstehen volkswirtschaftliche Produktionsausfälle von 774 Millionen Euro - beziehungsweise ein Ausfall an Bruttowertschöpfung von 1,36 Milliarden Euro.

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