Büro-Freundschaften Lass uns lieber Kollegen bleiben

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Kollegen zu Freunden machen?

Müssen wir also nur alle Kollegen zu Freunden machen, „Frollegen“ werden, und alles wird gut? Für rund ein Drittel aller deutschen Arbeitnehmer, die nach einer Studie des Beratungsunternehmens Gallup einen sehr guten Freund innerhalb der Firma haben, wären das gute Nachrichten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn Freundschaften im Büro haben auch Nachteile.

Einige fand Jana Costas in ihrer Beraterstudie. Nach dem ersten Pub-Abend mit den Bürofreunden von ZOI Consulting führte sie mehr als 40 Interviews in der Firma. Die Ergebnisse enttarnen das Kumpel-Gerede als mehr oder minder hohle Fassade. Fazit: Die offene, freundschaftliche Atmosphäre wird vor allem deshalb vom Management geduldet und weiter kultiviert, weil sie eine perfide, aber effiziente Form der Kontrolle schafft.

Hierarchiefreie Kumpanei mit Vorgesetzten sei nur an der Oberfläche wirklich gleichberechtigt. Als ungeschriebene Regel gelte trotzdem, dass Autorität zu respektieren ist. Schlimmer noch: Soziale Kontakte außerhalb des Unternehmens würden verdrängt durch Kontakte mit Kollegen, damit die Mitarbeiter auch wirklich jede wache Minute der Firma widmen. Freundschaft am Arbeitsplatz, schreibt Costas, sollte deshalb nicht romantisiert werden.

Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz

Doch kann man dieses von oben verordnete Zusammenrücken unter Kollegen überhaupt als Freundschaft bezeichnen? So vielschichtig und abstrakt der Begriff erscheint, gibt es unter Forschern doch Einigkeit über eine Sache, die einer echten Freundschaft immer zugrunde liegen muss: Vertrauen. Das hat auch Chad McBride in seinen Studien festgestellt. Der Psychologe der Creighton-Universität im amerikanischen Omaha erforscht gerade eine besonders tiefe Form der Arbeitsfreundschaft, die er „Work Spouse“, also Arbeitsehepartner getauft hat. Was diese Beziehung ausmacht? Tiefes Vertrauen, über längere Zeit aufgebaut. Außerdem seien sich die Arbeitseheleute in Ansichten und Einstellungen ähnlich.

Das ist nur zum Teil scherzhaft gemeint. Oftmals verbringe man mit seinem „Work Spouse“ mehr Zeit als mit dem echten Partner. Diese innige Beziehung kann im Job Vorteile bringen. Doch was passiert, wenn einer der Arbeitseheleute plötzlich die Arbeitsscheidung einreicht? Oder der eine endlich eine ordentliche Gehaltserhöhung erhält, während der andere leer ausgeht?

Um solchen Konflikten vorzubeugen, sollte man vor allem unangebrachte Vertraulichkeit vermeiden – denn die schadet der Arbeit genauso wie der persönlichen Beziehung. Faustregel: Je größer die Konkurrenz

zwischen ebenbürtigen Kollegen oder je stärker die berufliche Abhängigkeit voneinander, desto heikler ist eine Freundschaft im Job.

Knigge für das Großraumbüro

Heißt konkret: Verzichten Sie im Zweifelsfall auf alle Informationen, die das Gegenüber belasten könnten. Und wägen Sie ab, wie weit Sie im Vertrauen Persönliches preisgeben, das eines Tages gegen Sie verwendet werden könnte – zum Beispiel heikle Themen wie Krankheiten oder Beziehungsprobleme. Sie können zwischenmenschliche Probleme potenzieren: „Konflikte sind unter Büro-Freunden zwar eher selten“, sagt die Psychologin Sabine Hommelhoff vom Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben an der Universität Erlangen-Nürnberg, „dafür aber umso schmerzhafter.“

Der Grund: Es werden gleich zwei Beziehungen belastet, die kollegiale und die freundschaftliche. Die häufigste Ursache dafür liegt in einem Grundwiderspruch der Büro-Buddys. Der Arbeitsplatz ist ein Ort, an dem gemeinhin Transaktionsnormen gelten: Man erwartet für seine eigene Handlung eine Gegenleistung. In einer Freundschaft aber soll es um das Wohl des anderen gehen, ohne dass man selbst etwas dafür erwartet. „Das passt oft nicht zusammen und führt zu Konflikten“, sagt Hommelhoff.

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