Das bekannteste Modell zur Erklärung von Arbeitsstress und dadurch bedingten psychischen Störungen stammt von dem Soziologen Robert Karasek: Die Gefahr liegt nicht allein in hohen Arbeitsanforderungen und auch nicht nur im fehlendem Handlungsspielraum, sondern sie steigt bei einer Kombination von beidem.
Andreas Seidler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der Technischen Universität Dresden, hat in einem internationalen Kooperationsprojekt über 4000 Studien zu seelischen Krankheiten und Arbeitsbedingungen gesichtet: "Die Ergebnisse unserer systematischen Auswertung zeigen eine klaren Zusammenhang zwischen den psychosozialen Arbeitsbedingungen und dem Ausbruch von Burnout, depressiven Beschwerden bis hin zu einer schweren Depression."
Und es zeigte sich, dass entsprechend dem Karasek-Modell insbesondere die Kombination von hohen Arbeitsanforderungen und niedrigem Tätigkeitsspielraum die mentale Gesundheit gefährdet. Aber Seidler und Kollegen konnten in der Meta-Analyse auch einen statistischen Zusammenhang für beide Komponenten finden, getrennt voneinander. "Ich würde also nicht sagen, dass die Anforderungen unendlich hoch sein können, ohne dass das zu psychischen Erkrankungen führt, wenn nur genug Handlungsspielraum vorhanden ist", sagt Seidler. "Wir haben festgestellt, dass hohe Arbeitsanforderungen ebenso wie geringer Tätigkeitsspielraum das Risiko einer Depression um jeweils 20 Prozent oder mehr steigern.“
Die Psychologin Beate Schulze, Leiterin "Kernkompetenz Stressmanagement" an der Universität Zürich und Vizepräsidentin des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout, hat in eigenen Studien ähnliches festgestellt. Wenn die Balance zwischen Arbeitsbelastung, Gestaltungsspielraum und Belohnungen nicht stimmt, ist die mentale Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet. Wenn dieser so genannte Person-Environment-Fit nicht stimmt, also die Menschen sich bei ihrer Arbeit fehl am Platz fühlen, leiden sie eher an psychischen Störungen.