Burnout Schlechte Chefs lassen ihre Leute ausbrennen

Der Burnout gilt immer noch als typische Managerkrankheit. Eine Legende! Tatsächlich leiden nicht Chefs, sondern Untergebene. Der Grund sind unpassende Bedingungen, vor allem ein Mangel an Freiheit.

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Boris Jelzin hat kurz vor seinem Tod einem Reporter seine Lebensmaxime anvertraut: "Ein Mann muss leben wie eine große, lodernde Flamme und leuchten so hell wie er kann. Am Ende brennt er aus. Aber das ist besser als eine armselige kleine Flamme zu sein."

Ausgebrannt. Burnt out. Da stellt man sich einen leistungsbereiten und erfolgreichen Lenker und Leiter vor, der für seine Sache so sehr brennt, dass er irgendwann einfach keinen Brennstoff mehr hat. Kein Wunder also, dass der Begriff Burnout, obwohl keine medizinische exakte Diagnose, so populär ist. Ausgebrannt durch Arbeit, das kommt in einer Gesellschaft, die nur noch Leistung als zentrales Kriterium für Status akzeptiert, als Grund für einen seelischen Zusammenbruch besser an als eine medizinisch exakt diagnostizierbare Depression. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Leipzig, vermutet, dass 80 Prozent der angeblich Ausgebrannten an einer Depression leiden. Aber depressiv, zu Deutsch „niedergedrückt“, ist ein Opfer. Oder in Jelzins Worten: Eine armselige kleine Flamme. Das will man nicht sein. Dann schon lieber völlig ausgebrannt, wie ein Macher.

Warum die Deutschen in Frührente gehen
In Deutschland gehen weniger Menschen vorzeitig in den Ruhestand: Nur noch jeder dritte Neurentner sei zuletzt vorzeitig mit Abschlägen in die Altersrente gegangen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, über die die „Rheinische Post“ berichtet. Die Zahl der Frührentner ging demnach vom Jahr 2007 bis 2013 um 85.000 auf 323.000 zurück. Ihr Anteil an allen Neurentnern habe damit 2013 bei nur noch 36,7 Prozent gelegen. Sechs Jahre zuvor seien es noch 45,9 Prozent gewesen. Wer 2013 vorzeitig Altersrente beansprucht hat, musste laut Regierung zudem deutlich geringere Abschläge in Kauf nehmen - im Durchschnitt 77,50 Euro pro Monat, nachdem es 2007 noch 115,24 Euro waren. Quelle: dpa
Wenn der Friseur auf einmal die Shampoos und Haarfarben nicht mehr verträgt und mit Hautausschlag reagiert, ist Schluss mit dem Beruf. Gleiches gilt für den Maler und Lackierer, der auf die Farben sensibel reagiert. Probleme mit der Haut sind allerdings nur sehr selten Gründe für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben. Nur 0,4 Prozent der Frührentner hängen den Job wegen Erkrankungen der Haut an den Nagel. Quelle: dpa
2,9 Prozent, also rund 5226 Personen, mussten wegen Erkrankungen der Atemwege wie Asthma vorzeitig in Rente gehen. Quelle: dpa
3,9 Prozent litten dagegen an Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder an chronischen Erkrankungen des Verdauungssystems. Quelle: dpa
Erkrankungen der Sinne waren bei 5,9 Prozent der Grund für das vorzeitige Ende des Berufslebens. Im Jahr 2010 tauchten Erblindung oder Taubheit noch gar nicht in den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung als Gründe für die Frührente auf. Quelle: AP
Die übrigen Diagnosen, also andere Krankheiten, haben 9,2 Prozent aus dem Beruf geworfen. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Auf dem vierten Platz landen in diesem Jahr die Krankheiten von Herz und Kreislaufsystem, also zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen. 9,7 Prozent aller Frührentner gingen wegen Herz-Kreislauf-Problemen in den Ruhestand. Quelle: dapd

Doch der Burnout als Krankheit der Macher und Manager ist eine Legende. 

Die Realität der arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen ist eine andere.  Durch Arbeit krank werden nicht so sehr die Führer als vielmehr die Geführten. Genauer gesagt die schlecht Geführten. Nicht die Arbeitslast allein, sondern vor allem die Unfreiheit beim Arbeiten macht krank.

Es ist der fremdbestimmte, oder sich zumindest so fühlende Untergebene, der unter der Arbeit so leidet, dass er davon krank wird. Nicht der selbstbestimmt arbeitende, vielleicht etwas übereifrige Entscheider. Wenn wir von einer psychischen Volkskrankheit durch Arbeit sprechen wollen, die in den Gesundheitsreports der Krankenkassen deutlich erkennbar ist, dann sollten wir also das Bild des von seiner Verantwortung und schieren Arbeitsmenge belasteten Chefs austauschen gegen das Bild des von unpassenden Arbeitsbedingungen, einengenden Vorgaben und überzogenen Erwartungen drangsalierten Untergebenen.

Fehlende Freiheit macht krank

Von diesen Arbeitgebern sollten Sie sich fern halten
Unseriöse ÜbertreibungenNatürlich macht jeder Betrieb in einer Stellenanzeige Werbung für sich selbst. Ganz so, wie es der Bewerber auch in seinem Anschreiben tut. Aber: je voller die jeweilige Seite den Mund nimmt, desto verdächtiger macht sie sich. Kein Unternehmen zahlt ihren Angestellten für das Zusammenschrauben von Kugelschreibern in Heimarbeit 5000 Euro und mehr im Monat und auch die Häufung von Superlativen sollte Bewerber stutzig machen. Quelle: dpa
Ungerechtfertigter Einsatz von HeadhunternGroße Unternehmen greifen gerne auf Headhunter zurück. Allerdings nur, wenn sie Topleute suchen: einen neuen CEO, neue Mitglieder für den Aufsichtsrat oder zumindest für die obere Managementabteilung. Nach einem Pförtner oder einer neuen Sekretärin suchen Betriebe im Normalfall aber auf dem Standardweg, nämlich per Ausschreibung. Sollte ein Headhunter auf Sie zukommen, um Sie als Spülkraft anzuwerben, stimmt irgendetwas nicht. Dann sollten Sie zumindest rausfinden, warum die Belegschaft offensichtlich nichts von der vakanten Stelle erfahren soll. Quelle: Fotolia
Unübersehbare PräsenzDas Gegenteil der heimlichen Suche ist die Omnipräsenz der Stellenanzeige: Sie taucht in regelmäßigen Abständen überall auf. Sie sollten sich in diesem Fall überlegen, warum die Stelle auch über einen langen Zeitraum nicht besetzt wird - oder warum sie alle zwei Monate neu ausgeschrieben ist. Quelle: Fotolia
Unpassendes AnzeigenformatDas Format der Stellenanzeige muss kein Anzeichen dafür sein, ob sich ein Unternehmen als Irrenhaus entpuppt oder nicht, dennoch sollten sich Bewerber bei folgenden Fällen Gedanken machen:1.) Die kleine 3-Mann-Agentur, die sich erst vor wenigen Wochen gegründet hat, schaltet eine doppelseitige Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung, am Besten noch in Farbe und mit Leuchtschrift.2.) Das international agierende Großunternehmen (von dem Sie noch nie etwas gehört haben) schaltet eine 2x2 Zentimeter große Anzeige in der kostenlosen Mittwochszeitung, direkt neben der Rubrik "gesucht und gefunden". Quelle: Fotolia
Unangenehme Nicht-KommunikationSie haben sich auf eine Stelle beworben und es kommt - nichts. Wochenlang bekommen Sie weder eine E-Mail noch sonst irgendeine Rückmeldung, dass Ihre Bewerbung eingegangen ist. Sollten Sie dennoch nach sechs, acht, zehn, zwölf oder noch mehr Wochen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, sollten Sie genauer hinschauen: War nur der entsprechende Mitarbeiter in der Personalabteilung krank oder gehören Unhöflichkeit und schlechte Kommunikation zum normalen Umgang mit Mitarbeitern? Quelle: Fotolia
Unangebrachte SparsamkeitLaut Bürgerlichem Gesetzbuch müssen Unternehmen ihren Bewerbern die Anreisekosten zum Vorstellungsgespräch erstatten. Wenn schon in der Ausschreibung oder in der Einladung zum Gespräch steht, dass Sie diese Kosten selbst zu tragen haben, erwarten Sie zumindest kein besonders attraktives Gehalt oder angenehme Gehaltsverhandlungen. Quelle: Fotolia
Untrügliche ArbeitsatmosphäreSie haben es zum Gespräch geschafft, der Personaler und der potentielle neue Chef behandeln Sie mit ausgesuchter Freundlichkeit. Nur auf den Fluren herrscht eine eisige Stimmung, und die Sekretärin hat vor Ihnen weinend das Zimmer verlassen? Dann denken Sie da mal drüber nach. Quelle: Fotolia

Das bekannteste Modell zur Erklärung von Arbeitsstress und dadurch bedingten psychischen Störungen stammt von dem Soziologen Robert Karasek: Die Gefahr liegt nicht allein in hohen Arbeitsanforderungen und auch nicht nur im fehlendem Handlungsspielraum, sondern sie steigt bei einer Kombination von beidem.

Andreas Seidler, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin an der Technischen Universität Dresden, hat in einem internationalen Kooperationsprojekt über 4000 Studien zu seelischen Krankheiten und Arbeitsbedingungen gesichtet: "Die Ergebnisse unserer systematischen Auswertung zeigen eine klaren Zusammenhang zwischen den psychosozialen Arbeitsbedingungen und dem Ausbruch von Burnout, depressiven Beschwerden bis hin zu einer schweren Depression."

Was die Deutschen bei der Arbeit krank macht
Die Liste prominenter Namen ist lang: Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck, Schauspielerin Renée Zellweger, Fernsehkoch Tim Mälzer, Skispringer Sven Hannawald, Profifußballer Sebastian Deisler und auch die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel. Ihre Gemeinsamkeit: Wegen völliger Erschöpfung zogen sie die Reißleine. Aber es trifft nicht nur Prominente. Psychische Erkrankungen sind der Grund Nummer eins, warum Arbeitnehmer eine Auszeit brauchen - oder sogar in Frührente gehen. Ganze 41 Prozent der Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache. Diese nahmen laut Krankenkasse DAK-Gesundheit 2012 um vier Prozent zu, rückten erstmals auf Platz zwei aller Krankschreibungen hinter Muskel- und Skeletterkrankungen. Und die Ursachen für diese Krankheiten der Seele liegen oft im Job. Quelle: Fotolia
Die globalisierte Arbeitswelt, die internationalen Verflechtungen der Konzerne, der Konkurrenzdruck: All das zusammen erhöht die Anforderungen an die Beschäftigten. Ihre Arbeitstage werden immer länger, auch an den Wochenenden sitzen sie im Büro oder zu Hause am Schreibtisch, überrollt von einer Lawine von E-Mails. In dieser Tretmühle sind viele dann ausgelaugt, überfordert, verzweifelt, kraftlos. Der Akku ist - salopp gesprochen - leer. Quelle: Fotolia
Die Arbeitsbelastung führe zudem auch immer öfter zu Krankheiten, heißt es weiter. Klagten 2006 noch 43 Prozent über Rückenschmerzen waren es im vergangenen Jahr bereits 47 Prozent. Während 2006 nur 30 Prozent unter stressbedingten Kopfschmerzen litten, waren es 2012 bereits 35 Prozent. Die Anzahl der von nächtlichen Schlafstörungen geplagten Arbeitnehmern stieg von 20 auf 27 Prozent. Quelle: Fotolia
Am häufigsten belastet fühlen sich die Beschäftigten - 58 Prozent - nach dem neuen "Stressreport Deutschland 2012 " der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durch Multitasking, also das Sich-Kümmern-Müssen um mehrere Aufgaben gleichzeitig. Quelle: Fotolia
Jeder zweite der rund 18000 Befragten (52 Prozent) arbeitet unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Laut BAuA hat sich der Anteil der von diesen Stressfaktoren betroffenen Beschäftigten auf dem relativ hohen Niveau des vergangenen Jahrzehnts stabilisiert. Jeder vierte (26 Prozent) lässt sogar die nötigen Ruhepausen ausfallen, weil er zu viel zu tun hat oder die Mittagspause schlicht nicht in den Arbeitsablauf passt. Quelle: Fotolia
Immerhin 43 Prozent klagen aber über wachsenden Stress innerhalb der vergangenen zwei Jahre. Außerdem wird fast jeder Zweite (44 Prozent) bei der Arbeit etwa durch Telefonate und E-Mails unterbrochen, was den Stress noch erhöht. Quelle: Fotolia
Insgesamt 64 Prozent der Deutschen arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. So kommt rund die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten auf mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche, rund ein Sechstel arbeitet sogar mehr als 48 Stunden. Und das ist nicht gesund: Seit Längerem weisen Wissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden hin: Je mehr Wochenarbeitsstunden, desto anfälliger. Bei Menschen, die 48 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ist die Gefahr für physische und psychische Erkrankungen am höchsten. Quelle: Fotolia

Und es zeigte sich, dass entsprechend dem Karasek-Modell insbesondere die Kombination von hohen Arbeitsanforderungen und niedrigem Tätigkeitsspielraum die mentale Gesundheit gefährdet. Aber Seidler und Kollegen konnten in der Meta-Analyse auch einen statistischen Zusammenhang für beide Komponenten finden, getrennt voneinander. "Ich würde also nicht sagen, dass die Anforderungen unendlich hoch sein können, ohne dass das zu psychischen Erkrankungen führt, wenn nur genug Handlungsspielraum vorhanden ist", sagt Seidler. "Wir haben festgestellt, dass hohe Arbeitsanforderungen ebenso wie geringer Tätigkeitsspielraum das Risiko einer Depression um jeweils 20 Prozent oder mehr steigern.“

Die Psychologin Beate Schulze, Leiterin "Kernkompetenz Stressmanagement" an der Universität Zürich und Vizepräsidentin des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout, hat in eigenen Studien ähnliches festgestellt. Wenn die Balance zwischen Arbeitsbelastung, Gestaltungsspielraum und Belohnungen nicht stimmt, ist die mentale Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet. Wenn dieser so genannte Person-Environment-Fit nicht stimmt, also die Menschen sich bei ihrer Arbeit fehl am Platz fühlen, leiden sie eher an psychischen Störungen.

Vorbeugung lohnt sich

10 Tipps für einen schnellen Feierabend
Zeit sparenWenn jemand „Kannst du mal eben …?“ sagt, will er meistens Ihre Zeit. Natürlich sollen Sie nicht jede Bitte ablehnen. Aber auch nicht einfach immer Ja sagen und anderer Leute Arbeit übernehmen. Quelle: dpa
DelegierenOrganisieren Sie Ihre Arbeit effektiv. Das bedeutet vor allem: Was der Praktikant tun kann, sollten nicht Sie tun. Dann klappt's auch mal mit einem frühen Feierabend. Quelle: dpa
FleißWer seine Aufgaben gut und schnell erledigt, wird bei Vorgesetzen auch Verständnis finden, wenn er sich mal früher aus dem Staub macht. Quelle: dpa
KinderKein Chef wird sich Ihnen in den Weg stellen, wenn Sie sich um Ihre kranken Kinder kümmern müssen (oder wollen). Auch der Auftritt des Sohnes im Kindertheater oder der Tochter im Schul-Ballett sind ein gutes Argument für den frühen Feierabend. Quelle: dpa
Termine am NachmittagBüroluft macht unfrei. Machen Sie mehr Außentermine klar. Und legen Sie sie möglichst auf den Nachmittag, damit es sich danach nicht mehr lohnt, ins Büro zu kommen. Quelle: Fotolia
StoppSie müssen Grenzen setzen. Stellen Sie sich vor, Sie wären Ihr eigener Arbeitsschutzbeauftragter. Ihre Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass Sie mindestens zweimal, besser dreimal pro Woche pünktlich Feierabend machen. Überlegen Sie genau, wie Sie sich selbst dazu bringen. Quelle: dpa
Eigenes BüroWer im Großraumbüro sitzt, kann es nicht unbemerkt verlassen. Neben vielen andere Vorteilen erlaubt ein Einzelbüro auch, ohne großes Aufsehen nach Hause oder sonst wohin zu gehen. Also organisieren Sie sich eines, wenn Sie es können. Quelle: Fotolia

Wenn schon nicht der gesunde Menschenverstand oder das Verantwortungsgefühl die Vorgesetzten für das psychische Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter sensibilisiert, dann können es vielleicht ganz handfeste Zahlen: In einer Umfrage mit 1.400 Angestellten eines Telekommunikationskonzerns konnte Schulze feststellen, dass es in der Abteilung mit dem besten Person-Environment-Fit im Jahr der Untersuchung keinen einzigen Krankheitsfall gab und die Fluktuationsrate unter den Mitarbeitern gleich null war.

Arbeitgeber tun also nicht nur ihren Beschäftigten etwas Gutes, wenn sie psychischen Erkrankungen vorbeugen, sondern auch ihrer eigenen Bilanz: "Studien belegen einen Return on Investment für die betriebliche Gesundheitsförderung zwischen drei und fünf Euro pro investiertem Euro", sagt Nicole Scheibner, Psychologin und Geschäftsführerin der Beratungsfirma StatEval. Und da sind noch nicht einmal die indirekten Effekte einer betrieblichen Gesundheitsförderung einbezogen: Die Identifikation der Beschäftigten mit dem Arbeitgeber steigt, das Betriebsklima verbessert sich. Und das bedeutet, dass die Mitarbeiter eben nicht innerlich und schon gar nicht tatsächlich kündigen, sondern sich stärker engagieren.

Der Knigge fürs Großraumbüro
"Fenster zu!" Dem einen ist es zu kalt und zugig, dem anderen zu warm und stickig. Einer der Hauptstreitpunkte in Großraumbüros ist die Raumtemperatur. Das bestätigte auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Gut ein Viertel der Befragten gab an, dass es um die Temperatur im Büro immer wieder Diskussionen gibt. Da hilft nur, Frostbeulen und Kollegen mit Dauerhitzewallungen in getrennten Räumen unterzubringen. Quelle: dpa
Ein Mann und eine Frau reden in einem Büro Quelle: Rofeld Hempelmann
Meeting Quelle: Kzenon-Fotolia.com
Eine Frau telefoniert Quelle: Hanik - Fotolia.com
Ein Mann mit zugeklebtem Mund Quelle: Mirko Raatz - Fotolia
Eine Frau schreit aus einem Computer heraus Quelle: SnappyStock
Mann an einem Kopierer Quelle: Arne Pastoor - Fotolia

Was kann der Chef konkret tun, um für die psychische Gesundheit seiner Untergebenen sorgen? Beate Schulze: "Das erste ist: Lerne deine Mitarbeiter gut kennen. Interessiere dich für sie - nicht nur für ihre Arbeitsergebnisse. Damit hat man schon eine wichtige Information für die Führung: Wie ticken sie, was brauchen sie, was sind ihre Talente?"

Mit diesem Wissen fällt es sehr viel leichter, für einen Person-Environment-Fit bei der Arbeit zu sorgen, also den richtigen Mitarbeiter an der richtigen Stelle einzusetzen, so dass die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Werte des Mitarbeiters im Einklang mit den Möglichkeiten und Anforderungen des Jobs und den in der Organisation gelebten Werten stehen.

Generell sollte jeder Personalverantwortliche seinen Mitarbeitern so viel Handlungsspielraum zugestehen, wie sie brauchen. Schulze: "Die Stressforschung hat gezeigt, dass sich ein optimaler Handlungsspielraum positiv auswirkt. Für viele Menschen besteht dieser zwar in der Stellenbeschreibung. Im Alltag befindet man sich jedoch häufig in einer komplexen Entscheidungs-und Bewertungskonstellation. Dadurch kann sich ein Gefühl der Fremdbestimmtheit entwickeln, dem es entgegen zu wirken gilt."

Auf Wertschätzung kommt es an

In welchen Firmen Burnout oft auftritt
K+S Quelle: dpa
K+S Quelle: dpa
Daimler & BMW Quelle: dapd
Bayer, RWE und SAPSehr nah beieinander liegen auch die Zahlen von Bayer, RWE und SAP. Beim Pharmakonzern aus Leverkusen erkranken bis zu 2000 Mitarbeiter pro Jahr, das sind 5,6 Prozent der 35.800 Beschäftigten. Beim Energielieferanten RWE sind pro Jahr bis zu 2400 der 41.632 Mitarbeiter betroffen. Das sind knapp 5,8 Prozent, also fast jeder 17. Im Hause SAP fallen zwischen 700 und 1000 Angestellte dem Stress zum Opfer. Das entspricht im schlimmsten Falle jedem 16. der 16 011 Angestellten. Quelle: dpa
Commerzbank, Metro, Deutsche Telekom und InfineonErhöhte Belastung in Sachen Stress auch bei der Commerzbank. Jedes Jahr erkranken hier zwischen 2300 und 3200 Mitarbeiter von 44.474 Mitarbeitern, etwa 7,2 Prozent der Belegschaft. Fast das gleiche Risiko gilt auch für Mitarbeiter bei Metro. Das Handelsunternehmen vermeldet bis zu 6 600 Burnout-Fälle bei 91.189. Auch hier erkrankt annähernd jeder 14. Bei der Telekom sind es zwischen 3800 und 8 900 Erkrankungen im Jahr. Bei einer Belegschaft von 121 564 Arbeitnehmern entspricht das gut 7,3 Prozent. Beim Chiphersteller Infineon ergab die Schätzung, dass höchstens 600 der 7.926 jährlich unter einem Burnout leiden. Quelle: dpa
Deutsche BankDer Finanzsektor scheint nicht so oft betroffen, wie man zunächst denkt. Für die Deutsche Bank ermittelten die Experten, dass im Jahr bei etwa 1900 von insgesamt 24.801 Mitarbeitern (ohne Postbank und Sal. Oppenheim) ein Burnout diagnostiziert wurde. Es erkrankt demnach jeder 13. Angestellte. Quelle: dapd
Siemens Quelle: dapd

Immer wichtiger werde in der modernen Arbeitswelt die Wertschätzung, die jeder Mitarbeiter von Vorgesetzten erfährt, glaubt Schulze. Das liege daran, dass mancher nicht überblicken kann, was seine Tätigkeit zu dem Ergebnis beiträgt, an dem er nachher gemessen wird. "Dabei kommt es auf die Form der Anerkennung an", sagt Schulze. "Eine ritualisierte Kommunikation, also etwa eine überschwängliche Rede auf der Weihnachtsfeier, bringt nicht viel, wenn es vorher im Alltag an konkreten Rückmeldungen gefehlt hat, die zeitnah das individuelle Engagement würdigen."

Und schließlich sollten Kollegen und Vorgesetzte vorbeugend aufmerksam sein, Frühwarnzeichen psychischer Belastungen wahrnehmen und ansprechen, bevor der Krankenschein auf dem Schreibtisch landet. Eines der wichtigsten Frühwarnzeichen wird oft übersehen, warnt Schulze: "Zu Beginn eines Burnouts steigern die Betroffenen ihr Engagement. Sie merken, dass sie an eine Grenze kommen, wollen es aber der Umwelt nicht zeigen." Ein anderes Indiz ist, wenn Mitarbeiter stiller werden, sich zurückziehen, in Ruhe gelassen werden wollen. Dann sollte man das Gespräch suchen - und zwar ohne Vorwürfe.

Die Forderung von Andreas Seidler, psychische Belastungen am Arbeitsplatz konsequent erfassen und beurteilen zu lassen, so wie so wie es für Gefahrstoffe ja schon seit Längerem gesetzlich vorgeschrieben ist, sollte für Unternehmen, die als Arbeitgeber eine Zukunft haben wollen, keine Drohung sein.

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