Coming-out im Büro „Der offene Umgang aller Menschen sollte im Mittelpunkt stehen“

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Würden Sie anderen Kollegen empfehlen, sich zu outen?

Würden Sie als Mitglied von Magenta Pride anderen Kollegen und Kolleginnen empfehlen, sich zu outen? 40 aktive Mitglieder sind ja gemessen an 200.000 Mitarbeitern der Telekom eher wenig …
Ich finde, dass wir mit etwa 40 aktiven Mitgliedern und über 200 Followern eine stabile Basis in unserem Netzwerk haben. Und durch unsere umfangreichen nationalen und mittlerweile auch internationalen Aktivitäten wachsen wir kontinuierlich. Aber diese Zahlen sind natürlich kein Indiz für die Quote der Mitarbeitenden, die sich outen.

Ich persönlich möchte auch nicht von einem „Outing“ sprechen, da für mich der selbstbestimmte, angstfreie und offene Umgang aller Menschen im Mittelpunkt steht. Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei MagentaPride und in dieser Zeit ist es noch nicht vorgekommen, dass sich jemand wegen Diskriminierung oder gar Mobbing an uns gewendet hat. Wer sich aber zum Coming-out am Arbeitsplatz ausführlich und außerhalb seines Arbeitsplatzes beraten lassen möchte, der kann das über verschiedene Organisationen machen, etwa über die „Prout at Work“-Foundation, mit der wir auch zusammenarbeiten (siehe Checkliste).

Wie können Unternehmen zu einer gelebten, toleranten Kultur beitragen? Was leisten die Personalabteilungen für diese Gemeinschaft?
Personalarbeit ist auch Kulturarbeit. Neben einer offenen und wertschätzenden Unternehmenskultur wirken Human Ressource-Initiativen oder die Arbeit von Mitarbeitenden-Netzwerken positiv. Unser HR-Bereich hat einen Menschenrechtscodex und Soziale Grundsätze (Social Charta) erarbeitet, welche durch den Vorstand verabschiedet wurden. Außerdem haben wir eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Gleichstellung und Chancengleichheit vereinbart. Gemeinsam setzen wir uns für die Wahrnehmung des Themas intern und extern ein.

Neben der Stiftung „Prout at Work“ ist das Unternehmen auch in die „Charta der Vielfalt“ sowie den European Round Table „AG Diversity @Inclusion“ eingebunden.

Sie sind Diplom-Psychologe und arbeiten in der Personalentwicklung der Telekom. Inwiefern schaden Organisationen sich selbst, wenn sie keine klare Antidiskriminierungsrichtlinie haben oder diese nicht leben?
Diskriminierung ist mit und ohne Richtlinie verboten und kann zu wirtschaftlichen Schäden führen. Richtlinien helfen Unternehmen, das Thema für alle Mitarbeitenden verständlich zu definieren und sie zu sensibilisieren. Also präventiv zu agieren. Übergreifend werden dem Thema Diversity ja viele Effekte zugesprochen, zum Beispiel positive Auswirkungen auf das Geschäft im Unternehmen. Vielfältigkeit hilft beim Lösen von Problemen, ermöglicht verschiedenste Sichtweisen und motiviert. Selbstverständlich spielt hier auch der Aspekt der Fachkräftegewinnung eine wichtige Rolle. Die besten Köpfe wählen die attraktivsten Arbeitgeber.

Kommt das Thema LGBT auch bei Bewerbungen auf? Was würden Sie Kandidaten empfehlen?
Ein großes Thema diesbezüglich ist derzeit die „dritte Option“, das dritte Geschlecht und die damit verbundene Frage: Wie sprechen wir in der Zukunft unsere Bewerber und Bewerberinnen an? Hier ergreifen viele Unternehmen derzeit große Anstrengungen, um den Vorschriften und dem oftmals selbstgesetzten Anspruch, alle Menschen persönlich und wertschätzend anzusprechen, gerecht zu werden. Von den Kirchen, die gemäß ihres Werterasters einstellen dürfen, mal abgesehen, sollten LGBT+ Aspekte im Auswahlverfahren keine Rolle spielen. Selbstverständlich ist jeder im Auswahlprozess frei, Privates preis zu geben.

Zu guter Letzt: Ist es denn überhaupt noch zeitgemäß, sich zu outen? Heterosexuelle werden ja auch nicht nach ihren Vorlieben gefragt?
Beim Outing geht es ja nicht um Vorlieben, sondern einfach darum, mein partnerschaftliches Interesse oder meine Bindung, in der ich mich befinde, nicht verstecken zu müssen. Ich würde nie auf die Idee kommen, beispielsweise in einer Vorstellungsrunde, meine sexuelle Orientierung zu benennen. Jedoch möchte ich gern meine privaten Erlebnisse ungezwungen, selbstbestimmt und angstfrei in meinem Arbeitsumfeld teilen, so wie etwa den letzten Urlaub mit meinem Ehemann auf São Tomé.

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