Corona-Etikette Dann eben per Faustschlag

Faust auf Faust, statt Hand in Hand. Wer Kollegen grüßt wie Bernie Sanders seine Unterstützer, der reduziert die Übertragung von Erregern.  Quelle: REUTERS

Das neuartige Coronavirus breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Höchste Zeit, auch bei der Arbeit mögliche Ansteckungen zu verhindern. Dabei darf man getrost die eine oder andere Höflichkeitsregel missachten.

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Zugegeben, im Büro gelten andere Regeln als im Boxring oder auf dem Sportplatz. Aber wann, wenn nicht jetzt, wäre es an der Zeit, mit Konventionen zu brechen? Sich zum Beispiel nicht länger am Abteilungsleiter zu orientieren, sondern an Boxern oder den Spielern amerikanischer Basketball- oder Baseballligen? Warum also die nächste Besprechung nicht mal per Fist Bump beginnen?

Für Ihre Gesundheit, versteht sich. Und die Ihrer Kollegen.

Zwar wird der Handschlag von manchen Zeitgenossen immer noch als die ultimative Respektbekundung und damit als unverzichtbares Begrüßungsritual angesehen. Aber wer heute die Hand des Gegenübers fest umklammert, kann morgen schon krank sein. Dabei ist nicht die Berührung an sich das Problem, sondern die Gefahr, dass jemand davor in die eigene Hand gehustet oder einen kontaminierten Türgriff oder ähnliches angefasst hat. Die so übertragenen Viren könnten dann in die Atemwege gelangen, wenn man sich nach dem Handschlag ins Gesicht fasst.

Ein kurzfristiger Verzicht aufs Hände schütteln wäre zumindest nach einer  Studie, veröffentlicht im American Journal of Infection Control, bedenkenswert. Sie kam schon im Jahr 2014 zu der Erkenntnis, dass zwei Menschen, die sich mit einem leichten Aneinanderstoßen der Fäuste (auf englisch: fist bump) grüßen, im Vergleich zu einem normalen Handschlag nur ein Viertel der Erreger übertragen. „Die Übernahme des Fist Bump als Begrüßung könnte die Übertragung von Infektionskrankheiten zwischen Individuen erheblich reduzieren“, schreiben die Forscher. 

Nun, da sich das neuartige Coronavirus in Deutschland gerade zu einer Pandemie zu entwickeln droht, sollten wir wohl auf sie hören. Etikette mag eine Zier sein, aber sie ist es schließlich nicht wert, dafür die eigene und die Gesundheit anderer aufs Spiel zu setzen. 

Hand aufs Herz

Auch andere, freihändige Formen der Begrüßung sind in Zeiten des Coronavirus dem Handschlag vorzuziehen. Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zeigte schon beim Ebola-Ausbruch in Westafrika eine Variante, bei der die Begrüßenden jeweils einen Ellenbogen nach vorne strecken und diesen dann berühren. Andere legten damals ihre rechte Hand aufs Herz und verbeugten sich leicht. Kürzlich war auf einer Fachmesse auch ein Schild zu sehen, das zum einfachen Lächeln statt zum Händeschütteln aufforderte. All das ist gesünder und nicht minder höflich als ein Handschlag. 

Gerade wies etwa Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Instituts, auf einer Pressekonferenz darauf hin, dass jeder einzelne Mensch etwas gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus tun kann. Auf die Hygiene der Hände zu achten, ist dabei eines der banalsten und dennoch wirkungsvollsten Mittel – gegen Corona, aber auch gegen Grippe und andere Viren. 

von Benedikt Becker, Sophie Crocoll, Jacqueline Goebel, Peter Steinkirchner

Wie groß der Einfluss sauberer Hände sein kann, zeigt eine aktuelle Studie von Christos Nicolaides und Kollegen von der Universität von Zypern. Sie simulierten, wie sich ein Virus über Flughäfen auf der ganzen Welt ausbreiten könnte. Ihre Berechnungen zeigten: Wenn nur 30 Prozent der Reisenden saubere Hände hätten, könnte sich die Verbreitung einer Krankheit um 24 Prozent verringern. Für saubere Hände sorgen auf Alkohol basierendes Desinfektionsmittel oder Wasser und Seife, für mindestens zwanzig Sekunden und sowohl auf den Handinnen- wie außenflächen.

Die beste Option, sich vor einer Infektion zu schützen, noch besser als der Fist Bump, ist natürlich: Abstand halten. Auch das mag unhöflich wirken  – vor allem beim Meeting, aber auch schon auf dem Weg zur Arbeit. Machen Sie sich nichts daraus! Wer beim Pendeln in der S-Bahn einen stark hustenden Passagier neben sich sitzen hat, der darf getrost, aufstehen – und ein bis zwei Meter Abstand suchen. Und umgekehrt sollten auch Sie es nicht als Affront werten, wenn andere das Weite suchen, sobald Sie selbst einmal herzhaft niesen. Etwas mehr Gelassenheit, das hilft zumindest auch gegen die Panik, die sich derzeit mit dem Corona-Virus über Deutschland ausbreitet.

Ach, und sollte Ihr Abteilungsleiter Sie schief anschauen, wenn Sie ihm die Knöchel statt der Hand entgegenstrecken: Verweisen Sie auf Barack Obama. Der machte den Fist Bump in seiner Amtszeit als US-Präsident und weit darüber hinaus salonfähig. Und so viel Lässigkeit im Team wird sicher auch Ihr Chef zu schätzen wissen.

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