Demografischer Wandel in Unternehmen „Das tatsächliche Alter spielt für Leistungsfähigkeit und Fehlzeiten keine Rolle“

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Sich sieben Jahre jünger zu fühlen, hilft bei der Leistungssteigerung

Ihre Ergebnisse sind als Chance zu verstehen, die Unternehmensleistung auch mit einer stetig alternden Belegschaft zu steigern?
Wir haben branchenübergreifend mehr als 100 kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland untersucht und 15.000 Mitarbeiter aller Altersgruppen befragt: In Unternehmen, in denen sich die Belegschaft etwa sieben Jahre jünger fühlt, als sie tatsächlich ist, konnten wir einen Zusammenhang mit einer durchschnittlichen Leistungssteigerung von zehn Prozent beobachten.
Leistung wurde hier sowohl über das Wachstum und die Veränderung der finanziellen Kennzahlen als auch über die Wahrnehmung der Produktivität der Mitarbeiter gemessen, die wiederum von den Top-Führungskräften in jeder Organisation eingeschätzt wurde.

Ein weiteres Ergebnis, das die bisherige Forschung widerlegt, haben Sie in Bezug auf Krankenzeiten erzielt. Bislang hieß es, Jüngere sind häufiger, aber kürzer krank. Ältere seltener, dafür länger …
Mit unserem aktuellen Forschungsprojekt haben wir erstmalig die Fehlzeiten im Gesamtzusammenhang von Team- und Unternehmensstrukturen untersucht. Für diese Studie durften wir die realen Fehlzeiten von 12.000 Mitarbeitern in mehr als 1.000 Teams einer Schweizer Firma verwenden – und konnten damit sehr valide Aussagen erzielen. Insbesondere die motivational getriebenen Fehlzeiten schwankten stark, um bis zu 40 Prozent, zwischen den Teams – unabhängig von deren tatsächlichem Durchschnittsalter ...

Auch hier konnten wir folglich nachweisen, dass das gefühlte Alter ein entscheidender Faktor ist. Bei älteren Mitarbeitern, die sich jung fühlen, besteht kein Zusammenhang zwischen dem chronologischen Alter und den Fehlzeiten. Für Dienstleistungs- und Bürotätigkeiten ist eine Reduktion der Fehlzeiten durch die Senkung des gefühlten Alters also durchaus möglich.

Zu den Studien

Welche Konsequenzen resultieren daraus? Sollten Unternehmen die Abfindungssummen für Auflösungsverträge älterer Mitarbeiter lieber in Motivationsprogramme stecken?
Ja das würde ich durchaus so sagen. Bei Einstellungs- und Karriereentscheidungen sollte nicht stereotyp auf das chronologische Alter abgestellt werden, sondern die Einstellungen und Kompetenzen der Mitarbeitenden in den Fokus genommen werden.
Wichtig ist, Mitarbeitern aller Altersgruppen noch Entwicklungsziele zu ermöglichen, um sie motiviert zu halten. Das muss nicht ein hierarchischer Aufstieg sein, sondern kann auch eine Fachkarriere oder auch die Weitergabe von Wissen an die nächste Generation bedeuten. Gleichzeitig sollte versucht werden, sie durch inspirierende Arbeitsumgebung und Führung emotional an ihre Aufgabe und das Unternehmen zu binden. Diese beiden Punkte konnten wir in unserer Studie als die zentralen Treiber von subjektiven Alterseinstellungen identifizieren.

Ein oft angeführtes Argument ist, dass nicht Erfahrungswissen, sondern digitales Know-how, Lernbereitschaft und Flexibilität für den Erfolg ausschlaggebend sind. Eigenschaften, die man Älteren offenbar nicht zutraut …
Ein großartiges Beispiel für solche jung gebliebenen und produktiven Mitarbeiter, finde ich hier das Team bei der NASA, dass die Voyager Raumsonde betreut. Diese Sonden sind schon seit 1977 unterwegs und eines der erfolgreichsten Programme der Raumfahrt überhaupt. Interessanterweise werden sie zum großen Teil von einem Team von Wissenschaftlern und Ingenieuren betreut, die schon seit Beginn der Mission dabei sind – obwohl sie schon längst in Rente sein könnten.

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