Die große Job-Lüge Wie Trump und Co. weiterhin die Wähler täuschen

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Die Folgen des Robotik-Booms

In den USA ist die Produktion zwar auf Allzeithoch – die Zahl der Industriearbeiter aber war nur während der Rezession noch niedriger. Allein in der amerikanischen Öl- und Gasindustrie sind seit 2014 trotz Fracking-Boom bis zu 80.000 gut bezahlte Arbeitsplätze verloren gegangen – die Pumpen werden heute automatisch ferngesteuert.

Tatsächlich lohnt es sich für die Unternehmen, immer kleinere Arbeiten an Maschinen abzugeben. Schon heute gilt: Je routinierter die Tätigkeit, desto besser geeignet ist sie für einen Roboter. Sogenannte Co-Bots arbeiten mühelos direkt neben den Menschen, manche Modelle lassen sich gar anziehen wie ein Handschuh oder umschnallen wie ein Gürtel.

Roboter werden immer günstiger

Zudem sind ihre Preise in den letzten Jahren massiv gesunken. Die Zeitspanne, die ein Roboter braucht, um seine Kosten wieder reinzuspielen, liegt in China noch bei 1,7 Jahren. Im Hochlohnland Deutschland sind es oft nur noch sechs Monate. Um die 20 US-Dollar, so rechnet es die Citibank vor, koste der Einsatz eines Durchschnittsroboters pro Stunde – schon heute weniger als Löhne vieler Industriearbeiter. Und so geht die Internationale Vereinigung für Robotik folgerichtig von einem massiven Anstieg der Verkaufszahlen aus: 2019 sollen weltweit über 400.000 Stück an die Kunden gehen – jedes Jahr. Doppelt so viele wie heute.

Nun ist die Automobilindustrie schon seit Henry Fords Assembly Line eine Branche mit hohem Automatisierungsgrad. Neu aber ist, dass das, was in Orion passiert, in nahezu allen Branchen und in allen Technologieländern zu finden ist. Im Gange ist die nächste, wohl größte industrielle Revolution: Gesellschaftliche Stellung, gesellschaftliche Teilhabe, auch gesellschaftliche Absicherung in den Sozialkassen – all das ist bis heute abhängig von der Lohnarbeit. Roboter stellen eben sie infrage. In 30 von 50 US-Bundesstaaten ist Lkw-Fahrer heute der beliebteste Job. Was passiert mit ihnen, wenn bald der selbstfahrende Truck kommt?

Diese Jobs sind vom Aussterben bedroht
Finanzbeamte Quelle: Fotolia
Versicherungsmakler Quelle: dpa
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Chris Minore Quelle: AP
Zeitungsredakteur Quelle: Fotolia

Die Wahrheit ist: Gebraucht werden keine Arbeiter mehr, sondern Leute, die Daten analysieren könnten. Den Rest erledigt der Computer. Das Wort „blue collar worker“, sagt ein leitender Ingenieur bei Evonik am US-Standort Mobile, Alabama, habe er jedenfalls schon sehr lange nicht mehr gehört.

Viel Maschine, wenig Mensch

Ein heller Frühlingstag in Pittsburgh, Pennsylvania. Einige Meilen vor der Stadt hat GE seinen Ingenieuren einen Traum verwirklicht: das Zentrum für additive Technologie, die häufig unter 3-D-Druck firmiert. 12 000 Quadratmeter, 40 Millionen Dollar Investment, eröffnet im vergangenen April. Entstanden ist eine riesige Halle, in der der Industrieriese verschiedene Drucktechniken und Materialien erprobt, bevor sie konzernweit eingesetzt werden: Sand, Kunststoff, Metall – selbst aus Titan können sie hier drucken. GEs Zukunftsfabrik funktioniert mit Laser, Infrarot, elektrischer Ladung.

Mitten in diesem Nirgendwo aus geschmolzenem Plastik und gebündeltem Licht steht Jennifer Cipolla, eine handfeste Dame, die für GE schon in Europa war, dann einige Jahre im Öl- und Gasgeschäft. Nun leitet sie die Entwicklung des 3-D-Drucks. Kein einfacher Job, zumal in Pittsburgh: Industriestadt, Rostgürtel, Trump-Stammgebiet. Hier hören sie gerne von neuen Jobs. Nicht so gerne aber davon, dass bald keine Mechaniker mehr gebraucht werden. So hat Cipolla anfangs auch gefremdelt. Etwa mit dem Wunsch ihrer Kollegen, eine riesige US-Flagge, groß wie ein Vorgarten, an der Stirnseite der Halle aufzuhängen – zu patriotisch, zu viel Trump, irgendwie, findet sie.

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