Digitale Einarbeitung So wird der Job-Start im Homeoffice ein Erfolg

Neuer Job im Homeoffice: So gelingt die digitale Einarbeitung Quelle: imago images

Mitten in der Pandemie einen neuen Job anzutreten, ist eine besonders große Herausforderung – vor allem aus dem Homeoffice. Gutes Einarbeiten ist dennoch möglich, meinen zwei Experten – wenn beide Seiten ein paar Dinge beachten.

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Wer im Homeoffice virtuell eine Stelle antritt, hat mitunter bald das Gefühl, dass die neue Firma tatsächlich nur eine Simulation ist. All die Kollegen, nur als Buchstabenkürzel und Videoschnipsel auf dem Bildschirm.

Derzeit werden viele neu eingestellte Mitarbeiter dieser Erfahrung ausgesetzt, die Pandemie macht es erforderlich. Und so wird es für Unternehmen immer wichtiger, sich Konzepte zu überlegen, um aus der ungünstigen Situation das Beste zu machen. Denn ein misslungener Jobstart kann nach Ansicht des Psychologen Dieter Frey die gesamte Zeit bei der Firma überschatten. Wie gut es in einem Job geht und wie gut wir ihn machen, steht und fällt mit der Qualität der Einarbeitung, findet der Leiter des Zentrums für Personalführung und -management an der Ludwig-Maximilians-Universität München (CLPM). Laufe die Einarbeitung schlecht, sei es fast, „als wenn man ein Haus baut und an den Grundmauern spart“.

„Wer keine oder eine schlechte Einarbeitung hat, der wird auch nie sein Potenzial entfalten können, da er permanent verwirrt ist, was eigentlich wann, wo, wie, mit welcher Priorität gemacht werden muss.“

Jobstart im Homeoffice ist schwer

Für Coach und Karriereberaterin Doris Brenner ist das sogenannte Onboarding dann gelungen, „wenn der neue Mitarbeiter in der Lage ist, die gestellten Aufgaben eigenständig zu bearbeiten, seinen Platz innerhalb des Teams gefunden hat und die gelebten Werte der Organisation kennt und sich mit diesen identifizieren kann“. All das fällt nach Ansicht von Brenner im Homeoffice deutlich schwerer. „Durch den Remote-Start fehlt die Möglichkeit, sich im direkten Kontakt mit Kollegen die fachlichen Informationen zu beschaffen, sich im Team zu integrieren und zu lernen, wie die Organisation ‚tickt‘“, meint die Mitgründerin der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung.

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Brenner empfiehlt deshalb, nach Möglichkeit am ersten Arbeitstag ein persönliches Treffen in der Firma zu organisieren. Dabei könne auch die technische Ausrüstung wie Laptop und Handy übergeben werden. Die Begrüßung von Angesicht zu Angesicht ist nach Ansicht der Autorin („Onboarding – neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten“) wichtig, um eine positive Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Video-Calls sollten laut der Expertin in der Anfangsphase regelmäßig, am besten täglich, stattfinden. So können neue Mitarbeiter leicht mitteilen, wo sie noch Unterstützung benötigen. Der Aufwand lohnt sich laut der Karriereberaterin für das Unternehmen: „Dieses ‚sich kümmern‘ hat unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integration auch einen wichtigen emotionalen Aspekt.“

Pate für die Einarbeitung

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Ansprechpartner für diese täglichen Gespräche könnte ein Onboarding-Pate sein. Beide Experten empfehlen, neuen Mitarbeitern im Homeoffice für die ersten Tage einen erfahrenen Kollegen virtuell zur Seite zu stellen. Der kann bei allen möglichen fachlichen und persönlichen Belangen als Ansprechpartner dienen. Für Frey ist es entscheidend, dass Unternehmen die Hemmschwelle für Nachfragen senken, die im Homeoffice einfach höher sei: „In der Firma kann man kurz zu seinem Nachbar gehen und nachfragen. Man trifft sich zum Beispiel in der Kaffeepause und erfährt so wichtige Dinge, die einem bisher noch nicht klar waren.“

Unternehmen sollten laut den Experten zudem dafür sorgen, dass beim neuen Mitarbeiter möglichst wenige Fragen offen sind, was Aufgaben und Abläufe angeht. Hierzu nutzen Firmen laut Brenner verstärkt Online-Tools zur Einarbeitung, die vom Homeoffice aus den Zugriff auf relevante Dokumente wie Organigramme ermöglichen. „Es ist sehr hilfreich, wenn diese Informationen in einem speziellen Onboarding-Bereich verfügbar sind, um dem neuen Mitarbeiter die Orientierung zu erleichtern“, empfiehlt die Beraterin.

Kollegen im Homeoffice kennenlernen

Frey rät Unternehmen, für neue Mitarbeiter einen Katalog der häufigsten Fragen zusammenzustellen. „Der größte Fehler der Firma ist davon auszugehen, dass alles klar ist. Vor allem, wenn der Mitarbeiter allein gelassen wird“, warnt der Psychologe. Im Gegenzug gelte: „Der häufigste Fehler des Mitarbeiters ist, dass er einfach drauflosarbeitet, weil er denkt, er ist auf dem richtigen Weg.“ Beide Seiten sollten sich bewusst sein: „Einarbeitung braucht Zeit.“

Der Psychologe ermutigt neue Beschäftigte, Einarbeitung nicht passiv zu verstehen und sie wenn nötig einzufordern. „Wichtig ist, dass der Mitarbeiter Feedback darüber gibt, was fehlt“, sagt Frey. Das könne bedeuten, den Katalog mit den zehn wichtigsten Punkten anzufragen oder den Paten und einen regelmäßigen Austausch (spätestens wöchentlich) vorzuschlagen, wenn der Arbeitgeber dies nicht von sich aus anbietet.

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Kollegen kennenlernen in der Kaffeepause

Einfordern sollte man nach Ansicht Brenners zudem ein virtuelles Kennenlernen mit den Kollegen, falls der Vorgesetzte das versäumt hat. Beide Experten empfehlen, in diesem Meeting neben dem Werdegang auch einige private Details zu teilen. Für die persönliche Beziehung ist es zudem wichtig, dass Kollegen einen neuen Mitarbeiter zu ihren Videochats in der Mittags- oder Kaffeepause einladen. Solche halbprivaten Gespräche während der Arbeitszeit sollten laut Frey vom Unternehmen im Homeoffice ausdrücklich gefördert werden. „Die Firmen müssen erkennen, dass in solchen Smalltalk-Runden oft wichtige Informationen ausgetauscht werden. Dieser Smalltalk ist auch wichtig für den Teamgeist und den Zusammenhalt trotz Homeoffice“, betont der Psychologe.

Aber wie gut kann es überhaupt um Kollegialität und Teamgefühl bestellt sein, wenn ein Beschäftigter seine Kollegen nie von Angesicht zu Angesicht getroffen hat? „Das ist natürlich schwierig, wenn man sich vorher noch nicht gekannt hat“, räumt Frey ein. Da helfe es, wenn man auch nach der Einarbeitungsphase „einmal in der Woche was über sich erzählt, natürlich nicht zu exzessiv, was man am Wochenende gemacht hat, welche Hobbys man hat“. 

Für Brenner hängt der zwischenmenschliche Erfolg beim Jobstart auch davon ab, wie es vor dem Corona-Homeoffice um den Teamgeist im Unternehmen bestellt war. „Haben die Mitarbeiter gut zusammengearbeitet und besteht ein Vertrauensverhältnis, wird es auch im Homeoffice funktionieren“, sagt die Karriereberaterin. „Kritisch ist es, wenn es schon davor Spannungen und Missgunst gab. Dies ist dann eine echt schwierige Situation insbesondere für neue Mitarbeiter, da sie ja zunächst erkennen müssen, wer wie spielt.“


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Vor allem introvertierte Menschen haben es nach Ansicht von Brenner beim Remote-Jobstart schwer, weil sie aus der Abgeschiedenheit des Homeoffice aktiv auf die neuen Kollegen zugehen müssten. Der Jobstart aus der Ferne habe aber auch positive Seiten: „Ein Vorteil kann darin bestehen, dass man sich in Ruhe mit den neuen fachlichen Themen auseinandersetzen kann.“

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