Heute hat Hans Müller (Name von der Redaktion geändert) einen festen Job in der Finanzbranche. Für ihn bedeutet das: geregeltes Einkommen, feste Arbeitszeiten, weniger Verantwortung und mehr Freizeit. Vor vier Jahren war das anders. Damals war Müller, ein Klient von Karrierecoach Birte Püttjer, noch selbstständig im Gastronomiebereich: Verantwortlich für 15 Mitarbeiter, fast täglich Überstunden.
Trotz seiner Angestellten musste Müller in mehreren Bereichen Spezialist sein: Buchführung, Service, Speisenzubereitung. Eines Tages hatte Müller auf die Mehrfachbelastung und Veranwortung keine Lust mehr. "Mein Klient wollte sich wieder auf seinen Kernberuf konzentrieren und im Finanzbereich arbeiten", erzählt Karriereexpertin Püttjer.
Dieser berufliche Schritt ist für die meisten Selbstständigen schwierig, denn sie sehen sich einer Reihe von Vorurteilen gegenüber. Die Sorge vieler Personalentscheider: Der "Ex-Chef" hat Schwierigkeiten mit geregelten Arbeitszeiten und Autorität, will sich nicht anpassen, schiebt einen faulen Lenz oder will sich vielleicht sogar der Kundenkartei bedienen, um sich mit neuen Kunden dann wieder selbstständig zu machen.
Je nach dem, warum der Selbstständige zurück ins Angestellten-Dasein wechselt, spielt auch die Psyche eine Rolle: Wer pleite gegangen ist, muss erst sein Selbstwertgefühl wieder aufbauen. "Gescheiterte Selbstständige brauchen oft Jahre, um sich zu erholen. Sie fühlen sich meist gedemütigt, müssen sich beruflich erst neu finden", erklärt Karriereexperte Jürgen Hesse von Hesse/Schrader. Die Reaktion der Gesellschaft erschwere den Rehabilitationsprozess: "Wenn man in Deutschland pleite ist, ist man eine Weile in der Arbeits-Öffentlichkeit verbrannt. Es dauert, bis man wieder als vertrauenswürdig gilt."
In den USA ist das anders. Dort versuchen Millionen Menschen, den American Dream Realität werden zu lassen und durch ausgefallene Geschäftskonzepte vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden. Die wenigsten machen den Traum auch wahr. Trotzdem werden die übrigen nicht als Verlierer gebrandmarkt. "In den USA gehört es zum guten Ton, zwei bis drei Pleiten zu erleben", weiß Hesse. "Die selbstbewussten Chefs beißen lieber dreimal ins harte Holz bis sie Erfolg haben, bevor sie aufgeben", sagt er. Deutsche neigen dagegen dazu, wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückzukehren. "Etwa 90 Prozent der Selbstständigen, die sich wieder bewerben, tun das aus ökonomischer Not heraus", so Hesse.
Auch deshalb haben sie es besonders schwer, wieder eine Festanstellung zu bekommen. Sie müssen sich bei Bewerbung und Vorstellungsgespräch besonders ins Zeug legen, um den potenziellen Arbeitgeber von sich und ihrer Expertise zu überzeugen.
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Darauf kommt es im Bewerbungsverfahren an
Das Bewerbungsschreiben
Neben einem klaren Bezug zur ausgeschriebenen Stelle ist Authentizität nach der Meinung von Püttjer das oberste Gebot beim Anschreiben. Dennoch sollten Bewerber es tunlichst vermeiden, zu schreiben, dass sie sich aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus beim Unternehmen bewerben. Vielmehr sollten die Bewerber auf ihren gesammelten Erfahrungsschatz setzen. "Es empfiehlt sich, tatsachenorientiert zu schreiben, indem man anhand von Referenzen darlegt, welche Erfahrungen man während seiner Selbstständigkeit gesammelt hat", rät die Expertin.
Da Selbstständige keine Arbeitszeugnisse besitzen, rät sie den ehemaligen Chefs dazu, sich von zwei bis drei Geschäftspartnern Referenzen ausstellen zu lassen – und Name sowie Telefonnummer der Personen anzugeben, damit der neue Arbeitgeber diese prüfen kann.
Im Gegensatz zu Püttjer ist Hesse der Meinung, dass Schummeln beim Anschreiben im gewissen Maße vertretbar ist – angesichts der Tatsache, dass vielen Arbeitgebern ehemalige Selbstständige ein Dorn im Auge sind. "Viele ehemalige Chefs schummeln aus der Not heraus, weil sie schon oft misstrauische Begegnungen mit potenziellen Arbeitgebern erlebt haben", weiß Hesse. So zum Beispiel: Ein Mann lässt seinen Kiosk über seine Frau laufen, um bei der Bewerbung zu behaupten, in der Vergangenheit als Angestellter gearbeitet zu haben.
Das gehört in die Bewerbung von ehemaligen Selbstständigen
Ehemalige Selbstständige können Kunden und Geschäftspartner um Empfehlungsschreiben bitten. Sinnvoll ist es, deren Kontaktdaten mit anzugeben.
Der ehemalige Selbstständige kann den potenziellen Arbeitgeber von sich überzeugen, indem er öffentliche Berichte über gelungene Projekte der Bewerbung beilegt.
Es lohnt sich, wenn Bewerber ihre Erfolge aus der Selbstständigkeit gliedern – und die Höhepunkte ihrer Karriere mit Fakten belegen. Wichtig: Klasse statt Masse.
Selbstdisziplin, Führungsfähigkeit, Marktgespür und Eigeninitiative sind Eigenschaften, die bei Personalern gerne gesehen werden. Anstatt die Wörter aber einfach nur im Anschreiben zu erwähnen, sollten Bewerber diese Eigenschaften auch mit Taten belegen können. Wichtig vor allem bei ehemaligen Selbstständigen: dem potenziellen Arbeitgeber verdeutlichen, dass die ausgeschriebene Stelle nicht nur ein Notnagel ist.
Püttjer hält von dieser Beschönigung nichts – vor allem, weil die perfekten Lebensläufe auch immer weniger verlangt werden. Bis zur Jahrtausendwende sei es noch üblich gewesen, dass nur die Superlativen im Anschreiben überzeugten – "Heute stellen Personaler tendenziell lieber Leute ein, die auch einmal Fehler gemacht haben, weil sie authentischer wirken", weiß Püttjer.
Das Vorstellungsgespräch
Mit der Einladung zum Bewerbungsgespräch ist die erste Hürde genommen. Jetzt gilt es, den potenziellen Arbeitgeber auch von Angesicht zu Angesicht zu überzeugen. Für ehemalige Selbstständige ist das deutlich schwieriger als für normale Angestellte: "Die Bewerber sollten nicht wie der Chef persönlich auftreten, sondern eher etwas bescheidener und vielleicht auch demütiger. Dabei sollen sie sich aber auch nicht zu klein machen", sagt Hesse. Eine Gratwanderung also.
Gelingt die, muss der Bewerber die gleichen Eigenschaften mitbringen wie seine Konkurrenten: "Er muss kompetent sein und Problemlöseerfahrungen haben. Er muss hochmotiviert sein – also Leistung bringen. Und er muss Sozialkompetenz haben, so dass er kompatibel mit seinen neuen Arbeitskollegen und dem Chef ist", sagt Hesse.
Eines gibt es jedoch noch, was Menschen wie Müller nach dem erfolgreich absolvierten Vorstellungsgespräch von den anderen Bewerbern unterscheidet. Wer den Job ergattert und vom Chef wieder zum einfachen Angestellten wird, darf sich auch nicht als Chef aufspielen. "Es ist wichtig, dass der ehemalige Chef sachorientiert im Hier und Jetzt arbeitet und nicht zu sehr in der Vergangenheit lebt, indem er immer wieder aus seiner Selbstständigkeit berichtet", sagt Püttjer.
Bei expliziten Fragen nach der Selbstständigkeit sollen die neuen Angestellten allerdings ehrlich antworten – und sich und ihre Expertise nicht zu klein machen.