Was für ein befreiendes Gefühl, wenn der Umschlag mit der Bewerbung durch den Briefschlitz gleitet und im Briefkasten verschwindet. Mühsam hat man am Anschreiben gefeilt, Arbeitsproben ausgewählt, jetzt ist der erste Schritt zum Traumjob getan. Nun heißt es: warten und hoffen, in die nächste Bewerbungsrunde zu kommen.
Dass Bewerber für das Einstellungsverfahren mittlerweile sehr viel Geduld aufbringen müssen, zeigt eine internationale Studie des Arbeitgeberbewertungsportals Glassdoor. Denn der Weg über die einzelnen Auswahl-Etappen zieht sich immer mehr: Zwischen 3,3 und 3,7 Tage länger als noch im Jahr 2010 müssen Bewerber auf der ganzen Welt warten. Besonders die Deutschen brauchen einen dicken Geduldsfaden: Sie warten heute durchschnittlich 28,8 Tage - fast 18 Tage mehr als noch 2010.
Das haben die Autoren der Glassdoor-Studie „Why is Hiring Taking Longer?“ herausgefunden. Dafür sprachen sie mit 344.250 Arbeitssuchenden in den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Australien.
Vor allem in Europa warten Bewerber lange
Dabei zeigt sich: Zwischen den Ländern gibt es große Unterschiede, wie lange ein Bewerber das Verfahren durchlaufen muss. Französische Bewerber müssen am meisten Geduld aufbringen. Sie warten mit 31,9 Tagen am längsten. Doch auch Deutsche (28,8 Tage), Briten (28,6 Tage) und Australier (27,9 Tage) müssen sich auf lange Verfahren einstellen. Zügiger voran geht es hingegen in Kanada (22,1 Tage) und in den Vereinigten Staaten. Doch auch hier müssen Bewerber immer länger warten: Waren es 2010 noch 12,6 Tage, sind es heute bereits 22,9 Tage.
Die langen Bewerbungsverfahren nerven viele Kandidaten. Gerade für hochqualifizierte Bewerber seien wochenlange Auswahlverfahren zu lange, sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Vor allem in stark nachgefragten Fachrichtungen wie Informatik oder Ingenieurwesen finden Bewerber schnell eine Stelle. „Ein promovierter Maschinenbauer ist nicht lange arbeitssuchend“, sagt Kanning. „Wer als Unternehmen die Besten haben will, muss auch schnell sein.“
Doch wie lange Unternehmen für die Verfahren brauchen, hängt vor allem von der Branche ab, wie die Glassdoor-Studie zeigt. So müssen Bewerber für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst in Australien 49,5 Tage einplanen, in den USA sogar 60,4 Tage. Wer sich bei einem Franchise-Unternehmen bewirbt, hat gute Chancen zügig durchs Einstellungsverfahren zu kommen: In Australien dauert es lediglich acht Tage, in den USA 10,6 Tage.
Doch auch die Mitarbeiterzahl des Unternehmens spielt eine Rolle - je größer die Firma, umso länger müssen Bewerber in der Regel warten: Das Verfahren in den USA, Kanada und Großbritannien dauert bei Unternehmen mit zehn bis 49 Angestellten zwischen 15,2 und 16,9 Tagen, in Konzernen mit mehr als 100.000 Beschäftigten hingegen 23 bis 36,1 Tage.
Gerade große Unternehmen sind für Bewerber attraktiv. So haben sich beim Chemieriesen BASF im Jahr 2012 etwa 5000 Hochschulabsolventen auf 70 Traineestellen in den verschiedenen Unternehmensbereichen beworben. Beim Auswärtigen Amt gehen für den höheren Dienst jährlich zwischen 1800 und 2000 Bewerbungen ein.
Durch Drogentest geeignete Bewerber finden
Angesichts solcher Massen an Kandidaten reicht eine einfache Vorauswahl über die Bewerbungsunterlagen und das Vorstellungsgespräch gerade für große Unternehmen längst nicht mehr aus. Deshalb prüfen Arbeitgeber potentielle Arbeitnehmer immer intensiver. Laut der Glassdoor-Studie telefonieren Personaler mit früheren Arbeitgebern oder durchforsten das Xing oder Linkedin- Profil. Bewerber müssen sich Eignungs- und Persönlichkeitstests unterziehen, manche Arbeitgeber – vor allem in den USA – verlangen Drogentests.
Dass viele Kandidaten von den schier endlosen Bewerbungsprozessen genervt sind, merkt man, wenn man sich die Kommentare beim Arbeitgeberbewerbungsportal Kununu durchliest. Doch vor allem ärgert es viele, wenn sie Wochen oder gar Monate gar keine Rückmeldung erhalten und Unternehmen sie immer nur vertrösten. „Unternehmen sollten die Bewerber daher immer auf dem Laufenden halten, wie es weitergeht und den Zeitplan dann auch einhalten“, rät Wirtschaftspsychologe Kanning. „Etwa zwei Wochen nach Bewerbungsschluss sollte klar sein, wer in die nächste Runde kommt und wer nicht.“