Einstellungsverfahren Zwischen Bewerbung und Einstellung liegen 28,8 Tage

Ist die Bewerbung verschickt, dann heißt es: Warten – und zwar sehr lange. Laut einer neuen Studie brauchen Unternehmen für das Einstellungsverfahren immer mehr Zeit. Und die Bewerber viel Geduld.

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Bewerbungsunterlagen Quelle: Fotolia

Was für ein befreiendes Gefühl, wenn der Umschlag mit der Bewerbung durch den Briefschlitz gleitet und im Briefkasten verschwindet. Mühsam hat man am Anschreiben gefeilt, Arbeitsproben ausgewählt, jetzt ist der erste Schritt zum Traumjob getan. Nun heißt es: warten und hoffen, in die nächste Bewerbungsrunde zu kommen. 

Dass Bewerber für das Einstellungsverfahren mittlerweile sehr viel Geduld aufbringen müssen, zeigt eine internationale Studie des Arbeitgeberbewertungsportals Glassdoor. Denn der Weg über die einzelnen Auswahl-Etappen zieht sich immer mehr: Zwischen 3,3 und 3,7 Tage länger als noch im Jahr 2010 müssen Bewerber auf der ganzen Welt  warten. Besonders die Deutschen brauchen einen dicken Geduldsfaden: Sie warten heute durchschnittlich 28,8 Tage - fast 18 Tage mehr als noch 2010.

So sieht das perfekte Bewerbungsbild aus
Insgesamt 65 Kandidaten haben bei unserer diesjährigen Fotoaktion mitgemacht. Unsere Expertin hat jeden einzelnen Kandidaten analysiert. Die Ergebnisse im Einzelnen: "Ja, der Dreitagebart… Im Endeffekt müssen es die Bewerber selber wissen, weil es nun einmal den Geschmack und das eigene Auftreten darstellt. Allerdings muss der Kandidat damit rechnen, dass es gerade den älteren, gesetzteren Entscheidern nicht so gut gefallen könnte. Der Kandidat müsste für das perfekte Bild noch ein Stück nach links rücken."
"Offener, selbstbewusster und freundlicher Blick, sehr gut! Bekleidung auch sehr ansprechend. Ich gebe nur zu bedenken, dass das gegelte Haar auf Missfallen und Missverständnis stoßen könnte und dies Einfluss auf den Bewerbungsverlauf nehmen kann".
"Ich empfehle, dass farbige Foto zu wählen. Sehr sympathische Ausstrahlung, aufgeschlossen und offener Blick. Das farbige Foto ist am ausdrucksstärksten, die Farben, auch der Hintergrund sind gut gewählt. Was mir bei dem Foto nicht so gut gefällt: Es ist nicht mittig, sie ist zu weit links. Das fällt sofort ins Auge."
"Sehr gut, alles ist stimmig. Positive Ausstrahlung, passende Bekleidung."
"Auf der rechten Seite ist leider ein Schatten und ich empfehle, ein Sakko fürs Foto zu tragen. Besser ein Sakko ohne Krawatte als andersherum. Ansonsten sympathisches Gesamterscheinungsbild."
"Mir gefällt die Farbwahl, die Ausstrahlung ist toll, die Augen strahlen sympathisch. Nur die Haltung finde ich nicht sehr vorteilhaft."
"Fakt ist, er hat auf dem Foto eine freundliche Ausstrahlung. Verbesserungsvorschläge: Die Ausleuchtung ist nicht optimal, am Hals ist ein Schatten und links oben ein heller Fleck. Ich würde für das Foto den Bart rasieren (wächst ja wieder) und ein helleres Hemd, eventuell weiß empfehlen. Muss man natürlich ausprobieren, kann ich auch nur vermuten, da ich es nicht gesehen habe."

Das haben die Autoren der Glassdoor-Studie „Why is Hiring Taking Longer?“  herausgefunden. Dafür sprachen sie mit 344.250 Arbeitssuchenden in den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Australien.

Vor allem in Europa warten Bewerber lange

Dabei zeigt sich: Zwischen den Ländern gibt es große Unterschiede, wie lange ein Bewerber das Verfahren durchlaufen muss. Französische Bewerber müssen am meisten Geduld aufbringen. Sie warten mit 31,9 Tagen am längsten. Doch auch Deutsche (28,8 Tage), Briten (28,6 Tage) und Australier (27,9 Tage) müssen sich auf lange Verfahren einstellen.  Zügiger voran geht es hingegen in Kanada (22,1 Tage) und in den Vereinigten Staaten. Doch auch hier müssen Bewerber immer länger warten: Waren es 2010 noch 12,6 Tage, sind es heute bereits 22,9 Tage.

Fünf typische Schlüsselfragen im Vorstellungsgespräch
Auf diese typischen Fragen sollten Sie im Vorstellungsgespräch gefasst sein1. „Erzählen Sie etwas von sich“Es ist wie im Lebenslauf - hier möchte ein Personaler nichts Privates lesen und daher im Gespräch nicht Privates hören. Es sei denn, es ist tatsächlich für die künftige Tätigkeit relevant. Also lieber nicht von der Beziehung zum Lebenspartner sprechen, sondern über den Hintergrund der beruflichen Biographie. Für eine gute Antwort kann man sich den richtigen Ansatz holen, indem man eine Gegenfrage an den Personaler stellt: „Wo soll ich beginnen?“ oder „Was möchten Sie genau wissen?“ Quelle: Fotolia
2. „Warum wollen Sie Ihre aktuelle Stelle verlassen?“Auf jeden Fall vermeiden: negative Äußerungen über den momentanen Arbeitgeber. Wer es doch tut, sagt mehr über sich selbst, als über die vermeintlichen Umstände, unter denen er angibt zu leiden. Wer Konflikte am Arbeitsplatz zu bewältigen hat, sollte deutlich machen, dass er versucht hat, diese zu lösen. Eleganter antwortet ein Bewerber auf diese Frage, indem er aufzählt, warum er beim neuen Arbeitgeber andocken möchte. Zum Beispiel: dass der Wechsel jetzt der richtige nächste Karriereschritt ist. Allerdings sollten Bewerber auch wissen, warum Sie sich für die ausgeschriebene Stelle beworben haben. Eine weiteres No-Go: Gehaltvorstellungen als Wechselgrund angeben. Quelle: Fotolia
3. „Welche Stärken und Schwächen haben Sie?“Die eigenen Schwachpunkte sollte man identifizieren können. Ebenso sollten Bewerber glaubhaft erläutern, wie Sie mit diesen Schwächen umgehen und dass Sie an diesen arbeiten können. Auf die Frage nach den Stärken: Lieber nicht sagen, dass man schlau ist oder besonders hart arbeitet. Das Risiko ist dann groß, dass Personaler entgegnen: „95 Prozent der Kandidaten vor Ihnen haben das gleiche gesagt. Was unterscheidet Sie von ihnen?“ Was auf jeden Fall nicht geht: Der Bewerber zeichnet sich als Superman oder Superwoman und gibt vor, keine Schwächen zu haben.
4. „Haben Sie kurzfristige Ziele?“Auch hier ist eine Gegenfrage angebracht: „Von welchem Zeitraum sprechen wir?“ Denn „kurzfristig“ kann für viele sechs Monate bedeuten – der Arbeitgeber meint aber vielleicht 18 oder 24 Monate. Klar ist auch: der Bewerber sollte die Ziele im Einklang mit der Position nennen, für die er vom künftigen Arbeitgeber zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die Antwort: „Ich möchte so schnell wie möglich aufsteigen“, sollte ein künftiger Angestellter lieber für sich behalten. Zuviel Ehrgeiz tut selten gut. Quelle: Fotolia
5. „Haben Sie noch Fragen?“Es ist eine der wichtigsten Fragen, die ein potenzieller Arbeitgeber stellen kann. Sie kommt stets am Ende des Vorstellungsgesprächs. Ein Bewerber wähnt sich dann bereits am Ziel – wenn die Chemie gestimmt hat und das Gespräch gut gelaufen ist. Und dann diese Frage. Die Antwort „Nein, danke“ ist fatal. Wer keine Fragen hat, der zeigt auch, dass er sich über die künftige Stelle keine Gedanken gemacht hat oder schlimmer: dass er kein wirkliches Interesse hat. Genauso falsch ist es nach folgenden Dingen zu fragen: „Was macht das Unternehmen genau?“, „Wie viel Urlaub bekomme ich?“, „Kann ich von zu Hause aus arbeiten?“ Lieber sollte der Bewerber Fragen stellen, die dem potenziellen Arbeitgeber helfen zu zeigen, dass er mit seinen Erfahrungen und Qualifikationen zu der ausgeschriebenen Stelle passen. Auch hier helfen Gegenfragen: über die Beschaffenheiten der künftigen Abteilung, über die Aufgaben, darüber, wie der Arbeitgeber Erfolg messen wird. Quelle: dpa

Die langen Bewerbungsverfahren nerven viele Kandidaten. Gerade für hochqualifizierte Bewerber seien wochenlange Auswahlverfahren zu lange, sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Vor allem in stark nachgefragten Fachrichtungen wie Informatik oder Ingenieurwesen finden Bewerber schnell eine Stelle. „Ein promovierter Maschinenbauer ist nicht lange arbeitssuchend“, sagt Kanning. „Wer als Unternehmen die Besten haben will, muss auch schnell sein.“

Doch wie lange Unternehmen für die Verfahren brauchen, hängt vor allem von der Branche ab, wie die Glassdoor-Studie zeigt. So müssen Bewerber für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst in Australien 49,5 Tage einplanen, in den USA sogar 60,4 Tage. Wer sich bei einem Franchise-Unternehmen bewirbt, hat gute Chancen zügig durchs Einstellungsverfahren zu kommen: In Australien dauert es lediglich acht Tage, in den USA 10,6 Tage.

Doch auch die Mitarbeiterzahl des Unternehmens spielt eine Rolle - je größer die Firma, umso länger müssen Bewerber in der Regel warten: Das Verfahren in den USA, Kanada und Großbritannien dauert bei Unternehmen mit zehn bis 49 Angestellten zwischen 15,2 und 16,9 Tagen, in Konzernen mit mehr als 100.000 Beschäftigten hingegen 23 bis 36,1 Tage.

Gerade große Unternehmen sind  für Bewerber attraktiv. So haben sich beim Chemieriesen BASF im Jahr 2012 etwa 5000 Hochschulabsolventen auf 70 Traineestellen in den verschiedenen Unternehmensbereichen beworben. Beim Auswärtigen Amt gehen für den höheren Dienst jährlich zwischen 1800 und 2000 Bewerbungen ein.

Durch Drogentest geeignete Bewerber finden

Angesichts solcher Massen an Kandidaten reicht eine einfache Vorauswahl über die Bewerbungsunterlagen und das Vorstellungsgespräch gerade für große Unternehmen längst nicht mehr aus. Deshalb prüfen Arbeitgeber potentielle Arbeitnehmer immer intensiver. Laut der Glassdoor-Studie telefonieren Personaler mit früheren Arbeitgebern oder durchforsten das Xing oder Linkedin- Profil. Bewerber müssen sich Eignungs- und Persönlichkeitstests unterziehen, manche Arbeitgeber – vor allem in den USA – verlangen Drogentests.

Dass viele Kandidaten von den schier endlosen Bewerbungsprozessen genervt sind, merkt man, wenn man sich die Kommentare beim Arbeitgeberbewerbungsportal Kununu durchliest. Doch vor allem ärgert es viele, wenn sie Wochen oder gar Monate gar keine Rückmeldung erhalten und Unternehmen sie immer nur vertrösten. „Unternehmen sollten die Bewerber daher immer auf dem Laufenden halten, wie es weitergeht und den Zeitplan dann auch einhalten“, rät Wirtschaftspsychologe Kanning. „Etwa zwei Wochen nach Bewerbungsschluss sollte klar sein, wer in die nächste Runde kommt und wer nicht.“

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