Elternzeit Männer, die mehr als zwei Monate aussteigen, sind Exoten

Wer als Mann länger als ein paar Monate die Familienarbeit übernimmt, sieht sich oft mit seltsamen Reaktionen konfrontiert. „Hast du keinen Job?“, wurde Carsten Brede-Benning etwa gefragt, als er mit seinem kleinen Sohn morgens unterwegs war.

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Carsten Brede-Benning spielt mit seinem Sohn Jonah. Heute geht bereits jeder dritte Vater in Elternzeit, allerdings steigen die meisten nur für zwei Monate aus dem Job aus. Quelle: dpa

Windeln wechseln ist heute eine Selbstverständlichkeit für junge Väter. Inzwischen geht jeder dritte Vater in Elternzeit, allerdings steigen die meisten nur für zwei Monate aus dem Job aus. „Wer es länger als ein halbes Jahr macht, isoliert sich zunehmend“, hat Carsten Brede-Benning erfahren. Der 40-Jährige aus Großburgwedel bei Hannover ist seit fast drei Jahren in Elternzeit und kümmert sich um Sohn Jonah (drei) und Tochter Ida (elf Monate). Weil er nicht ständig allein unter Müttern sein wollte, hat der Zwei-Meter-Mann einen Vätertreffpunkt ins Leben gerufen und eine Workshop-Reihe für Väter in Elternzeit initiiert.

"Ich bin ein Exot"

Im Alltag stößt der gelernte Elektromeister immer wieder auf Vorurteile, etwa wenn ihn ein Rentner auf dem Wochenmarkt fragt: „Ist die Alte weggelaufen oder was machst du hier alleine mit dem Kind?“ Dass ein Mann trotz fester Stelle freiwillig die Familienarbeit übernimmt, konnte der Rentner nicht verstehen. „Ich bin ein Exot“, sagt Brede-Benning, der vor der Geburt von Jonah wie seine Frau im Vertrieb tätig war. Weil seine Partnerin kurz vor der Schwangerschaft zur Bereichsleiterin Norddeutschland aufgestiegen war, fiel beim ersten Kind die Entscheidung, dass er zu Hause bleibt.

Kochen, putzen, waschen, trösten, Arztbesuche, Kleinkinderturnen, Musikgarten und Mutter-Kind-Treff stehen seither auf dem Programm. „Wenn Mütter sich in der Krabbelgruppe über Schmerzen beim Stillen unterhalten, ist es auch für sie nicht gerade angenehm, wenn ein Mann daneben sitzt“, sagt Brede-Benning. „Ich würde mich dagegen gern mit anderen Männern darüber austauschen, wie es für sie ist, dass die Frau das Geld verdient.“

Der Kinderwunsch der Deutschen

Beim Workshop für Väter der Region Hannover hat der 40-Jährige Mathias Hocke kennengelernt. Der Ingenieur hat zwei Jahre Elternzeit eingereicht, seine Freundin startet gerade in die Selbstständigkeit. Tochter Emmi ist vier Monate alt. „Ich wollte kein Weekend-Daddy sein und möchte eine intensive Beziehung zu meiner Tochter aufbauen“, sagt der 34-Jährige. Eins musste er sich aber schnell abschminken: „Ich hatte auf mehr Zeit für mich gehofft, aber Hausarbeit und Baby sind ein Fulltime-Job.“

Seine Auszeit und den Wiedereinstieg über Teilzeit hat Hocke zuerst mit seiner Freundin und dann mit seinem Arbeitgeber geplant. Ansprechpartner waren dort die zuständige Personal-Mitarbeiterin, die Elternzeitbeauftragte und sein Chef. Die Väter gGmbH mit Sitz in Hamburg berät und begleitet Unternehmen in Sachen väterbewusste Personalpolitik und fördert interne Väternetzwerke. Männer wie Hocke seien Pioniere, die interne Lobbyarbeit für mobiles Arbeiten und Homeoffice machten, sagt der Geschäftsführer der Väter gGmbH, Volker Baisch.

Dass die meisten Männer sich nur für die zwei zusätzlichen Partnermonate entscheiden, hat vielfältige Gründe. Ein häufiger ist die finanzielle Situation des Paares: Auf das volle Einkommen des Mannes kann oft nicht länger als zwei Monate verzichtet werden. Vielfach seien aber auch die Frauen nicht bereit, Verantwortung und damit mehr als zwei Elternzeitmonate abzugeben, analysiert Unternehmensberater Baisch.

Was bei Müttern und Vätern zu kurz kommt

Die zum Beispiel im Vergleich zu Schweden immer noch starren Rollenbilder haben nach Baischs Überzeugung auch mit der deutschen Geschichte zu tun. Da wirke noch die Mutterideologie der Nazis nach sowie die Einstellung der Väter während des Wiederaufbaus nach dem Krieg. Viele hätten ihren Selbstwert allein aus der Arbeit und ihrer Karriere gezogen.

Doch seit der Einführung des Elterngeldes und dem Ausbau von Krippenplätzen ist in Deutschland vieles in Bewegung. Mütter und Väter haben weit mehr Möglichkeiten, sich die Familienarbeit aufzuteilen. Das am 1. Juli 2015 eingeführte Elterngeld Plus soll junge Väter ermutigen, eine längere Phase in Teilzeit zu arbeiten. Nach einer aktuellen Umfrage äußern sogar 60 Prozent der Väter mit unter sechsjährigen Kindern den Wunsch, mindestens die Hälfte der Kinderbetreuung zu übernehmen - aber die wenigsten realisieren es.

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