Entschuldigen im Job „Wenn sich jemand übermäßig entschuldigt, würde ich das Gespräch suchen“

Quelle: Getty Images

Sich im Job zu entschuldigen? Das fällt vielen Menschen schwer – und kann sich doch lohnen. Der Psychologe Ludwig Andrione erklärt, wie es gelingt und warum reflexhaftes „Sorry“ den Chef hellhörig machen sollte.

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WirtschaftsWoche: Herr Andrione, angenommen, mir ist im Job ein gravierender Fehler unterlaufen, der meinen Arbeitgeber richtig Geld kosten kann. Wie bitte ich dafür am besten um Entschuldigung?
Ludwig Andrione: Auf jeden Fall erst mal tief durchatmen und einige Minuten Abstand nehmen. In der Hektik kann man schnell Dinge schreiben oder sagen, die man am nächsten Tag bereut. Ich würde außerdem empfehlen, mich mit Kollegen zu beraten. Vielleicht haben die noch eine bessere Idee, wie man den Fehler glattbügeln kann. 

Also bei der Entschuldigung gleich eine Lösung präsentieren?
Es geht vor allem darum, Verantwortung zu übernehmen. Man kann sagen „Ich habe das viel zu spät bemerkt, ich bin selbst total betroffen.“ Und dann: „Ich habe schon eine Idee, wie wir gegensteuern könnten und wie so etwas möglichst nicht wieder vorkommt.“ Nur nicht vertuschen, irgendwie kommt es dann doch raus. Oder es schlägt langfristig auf das Selbstwertgefühl. 

Weil das Selbstvertrauen nachhaltig erschüttert ist? 
Auch weil man sonst immer Angst haben könnte, es kommt doch raus – und dadurch eher noch mehr Fehler macht. Ist nun einmal etwas schiefgelaufen und ich habe Verantwortung übernommen, eine Lösung gefunden, dann weiß ich, was ich nächstes Mal besser machen kann. Im besten Fall haben Vorgesetzte und Kollegen Verständnis und zeigen mir, dass die Fehlerkultur im Betrieb funktioniert. Vielleicht haben sogar anschließend alle mehr Vertrauen ins Team. 

Zur Person

Das klingt nach einer ziemlich idealen Welt. Aber in der Realität haben vor allem Chefs ein Problem damit, sich zu entschuldigen. Warum? 
Leider ist die Vorstellung immer noch verbreitet, dass das ein Zeichen von Schwäche ist. Dabei hat uns die Pandemiezeit eines Besseren belehrt. 

Was meinen Sie? 
Es kann sein, dass ich heute eine Entscheidung treffe, die in drei Wochen aufgrund neuer Erkenntnisse obsolet ist. Dann zeugt es von Mut zu sagen: Ich habe damals geglaubt, dass das richtig war, aber jetzt haben wir eine neue Situation. 

Es geht also weniger um die Entschuldigung an sich, sondern darum, zu erklären, wie es dazu gekommen ist?
Wir alle neigen dazu, andere abzustempeln. Bei uns selbst entschuldigen wir Fehler gern differenziert: Ich war übermüdet, der Postbote hat geklingelt. Bei anderen heißt es hingegen schnell pauschal: Der ist immer so schludrig. Wenn man aber die Hintergründe erläutert, haben die meisten Menschen Verständnis. Ich erlebe es immer wieder: Viele Konflikte am Arbeitsplatz beruhen auf einfachen Missverständnissen. 

Und doch fällt es vielen Menschen schwer, so etwas einfach anzusprechen. 
Da sind auch Vorgesetzte gefragt: Wenn sich eine extrovertierte Person entschuldigt, sind vielleicht mehr Emotionen im Spiel, die beim Empfänger Eindruck hinterlassen. Bei einem introvertierten Kollegen kommt das womöglich weniger rüber – obwohl die Entschuldigung genauso aufrichtig gemeint ist. Führungskräfte sollten gut zuhören, was ihnen Mitarbeiter sagen wollen.

Vier Tipps fürs Zuhören

Und wenn einem so viel Abstand in der Situation nicht gelingt? 
Es ist völlig legitim zu sagen: Lass mal gut sein! Ich packe das gerade nicht, weil ich richtig enttäuscht und wütend bin. Lass uns später in Ruhe noch mal darüber sprechen.

Also sollte man bei einer Entschuldigung darauf eingestellt sein, dass sie nicht angenommen wird? 
Auf jeden Fall darauf gefasst. Dann kann man anbieten, in drei Tagen noch mal darüber zu sprechen. Manchmal muss man den Worten auch einfach Taten folgen lassen – und zeigen, dass sich der andere doch auf einen verlassen kann. 

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Manche Leute bitten ständig für jede Kleinigkeit um Entschuldigung. Sorry hier, sorry da. Was halten Sie davon?
Das ist eher ein Automatismus, wie man ihn kleinen Kindern anerzieht. Wenn sich jemand bei der Arbeit übermäßig entschuldigt, würde ich als Führungskraft das Gespräch suchen und fragen, ob alles okay ist.

Lesen Sie auch: Jeder Mensch macht Fehler, auch im Job. Aber wie sieht die optimale Entschuldigung aus? Eine Studie zeigt: Die Abbitte muss wehtun – zumindest ein bisschen.

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