WirtschaftsWoche: Herr Andrione, angenommen, mir ist im Job ein gravierender Fehler unterlaufen, der meinen Arbeitgeber richtig Geld kosten kann. Wie bitte ich dafür am besten um Entschuldigung?
Ludwig Andrione: Auf jeden Fall erst mal tief durchatmen und einige Minuten Abstand nehmen. In der Hektik kann man schnell Dinge schreiben oder sagen, die man am nächsten Tag bereut. Ich würde außerdem empfehlen, mich mit Kollegen zu beraten. Vielleicht haben die noch eine bessere Idee, wie man den Fehler glattbügeln kann.
Also bei der Entschuldigung gleich eine Lösung präsentieren?
Es geht vor allem darum, Verantwortung zu übernehmen. Man kann sagen „Ich habe das viel zu spät bemerkt, ich bin selbst total betroffen.“ Und dann: „Ich habe schon eine Idee, wie wir gegensteuern könnten und wie so etwas möglichst nicht wieder vorkommt.“ Nur nicht vertuschen, irgendwie kommt es dann doch raus. Oder es schlägt langfristig auf das Selbstwertgefühl.
Weil das Selbstvertrauen nachhaltig erschüttert ist?
Auch weil man sonst immer Angst haben könnte, es kommt doch raus – und dadurch eher noch mehr Fehler macht. Ist nun einmal etwas schiefgelaufen und ich habe Verantwortung übernommen, eine Lösung gefunden, dann weiß ich, was ich nächstes Mal besser machen kann. Im besten Fall haben Vorgesetzte und Kollegen Verständnis und zeigen mir, dass die Fehlerkultur im Betrieb funktioniert. Vielleicht haben sogar anschließend alle mehr Vertrauen ins Team.
Zur Person
Ludwig Andrione ist seit 2023 Vorstandsvorsitzender der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).
Das klingt nach einer ziemlich idealen Welt. Aber in der Realität haben vor allem Chefs ein Problem damit, sich zu entschuldigen. Warum?
Leider ist die Vorstellung immer noch verbreitet, dass das ein Zeichen von Schwäche ist. Dabei hat uns die Pandemiezeit eines Besseren belehrt.
Was meinen Sie?
Es kann sein, dass ich heute eine Entscheidung treffe, die in drei Wochen aufgrund neuer Erkenntnisse obsolet ist. Dann zeugt es von Mut zu sagen: Ich habe damals geglaubt, dass das richtig war, aber jetzt haben wir eine neue Situation.
Es geht also weniger um die Entschuldigung an sich, sondern darum, zu erklären, wie es dazu gekommen ist?
Wir alle neigen dazu, andere abzustempeln. Bei uns selbst entschuldigen wir Fehler gern differenziert: Ich war übermüdet, der Postbote hat geklingelt. Bei anderen heißt es hingegen schnell pauschal: Der ist immer so schludrig. Wenn man aber die Hintergründe erläutert, haben die meisten Menschen Verständnis. Ich erlebe es immer wieder: Viele Konflikte am Arbeitsplatz beruhen auf einfachen Missverständnissen.
Und doch fällt es vielen Menschen schwer, so etwas einfach anzusprechen.
Da sind auch Vorgesetzte gefragt: Wenn sich eine extrovertierte Person entschuldigt, sind vielleicht mehr Emotionen im Spiel, die beim Empfänger Eindruck hinterlassen. Bei einem introvertierten Kollegen kommt das womöglich weniger rüber – obwohl die Entschuldigung genauso aufrichtig gemeint ist. Führungskräfte sollten gut zuhören, was ihnen Mitarbeiter sagen wollen.
Vier Tipps fürs Zuhören
Unser Gehirn kann Wörter schneller aufnehmen, als wir sie aussprechen. Wenn wir jemandem zuhören, ist es also unterfordert – deshalb schweifen unsere Gedanken beim Zuhören regelmäßig ab.
Beseitigen Sie daher sämtliche Störquellen (Tür zu, E-Mail-Postfach aus, Smartphone mit dem Bildschirm nach unten auf den Tisch legen) und konzentrieren Sie sich ganz auf Ihren Gesprächspartner. Falls Sie sich dennoch dabei ertappen, abwesend zu sein, bitten Sie höflich um Entschuldigung. Das ist immer noch besser, als im Nachhinein durch eine redundante Frage seine Schlafmützigkeit verraten zu müssen.
Manchen Menschen fällt es schwer, Gefühle zu offenbaren, vor allem negative wie Frust, Wut und Resignation. In diesem Fall sollten vor allem Vorgesetzte ihre Mitarbeiter durch offene Fragen (Wie, was, wann) zum Reden ermutigen.
Achten Sie auch auf Worthülsen wie „eigentlich“, „theoretisch“ oder „prinzipiell“ – solche Floskeln dienen meist der Vertuschung. Auch hier gilt: durch Fragen vorsichtig nachhaken.
Wer sein Gegenüber unterbricht, bremst es aus – und bringt sich selbst um die Gelegenheit, dass sich der andere ihm wirklich öffnet. Dasselbe gilt für Menschen, die gleich ungefragt mit Ratschlägen und Belehrungen aufwarten. Vor einer Antwort auf das Gesagte am besten eine kurze Pause machen und im Kopf bis drei zählen. Dann kann der Gefragte seine Aussage notfalls noch ergänzen.
Gute Zuhörer fassen das Gesagte noch mal zusammen mit Sätzen wie „Wenn ich Sie richtig verstehe ...“. Denn so geben sie dem anderen die Möglichkeit, das Gesagte zu korrigieren. Und Führungskräfte können so feststellen, ob sie und ihr Mitarbeiter dasselbe denken.
Absolut tabu: Von sich selbst reden („Das kenne ich gut ...“), vorschnell Ratschläge erteilen („Ich an Ihrer Stelle würde ...“) und das Gesagte relativieren („Das wird schon wieder“) – damit nehmen Sie den Betroffenen nicht ernst genug.
Und wenn einem so viel Abstand in der Situation nicht gelingt?
Es ist völlig legitim zu sagen: Lass mal gut sein! Ich packe das gerade nicht, weil ich richtig enttäuscht und wütend bin. Lass uns später in Ruhe noch mal darüber sprechen.
Also sollte man bei einer Entschuldigung darauf eingestellt sein, dass sie nicht angenommen wird?
Auf jeden Fall darauf gefasst. Dann kann man anbieten, in drei Tagen noch mal darüber zu sprechen. Manchmal muss man den Worten auch einfach Taten folgen lassen – und zeigen, dass sich der andere doch auf einen verlassen kann.
Manche Leute bitten ständig für jede Kleinigkeit um Entschuldigung. Sorry hier, sorry da. Was halten Sie davon?
Das ist eher ein Automatismus, wie man ihn kleinen Kindern anerzieht. Wenn sich jemand bei der Arbeit übermäßig entschuldigt, würde ich als Führungskraft das Gespräch suchen und fragen, ob alles okay ist.
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