Erfolg durch Obsession "Tu' weniger, das aber wie besessen"

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Der Irrtum der westlichen Leistungsgesellschaften

Konnten Sie sich das erklären?
Das hat mich erstmal fertiggemacht, denn ich wusste, dass sie nicht so viel klüger sein konnten. Alle in der Firma waren klug und begabt. Ich hatte schon den Verdacht, dass es etwas damit zu tun haben musste, wie sie arbeiteten. Die Frage hat mich aber noch jahrelang begleitet. Als ich dann Wissenschaftler war, las ich Studien über Produktivität und dass Arbeit über eine gewisse Stundenzahl hinaus nicht mehr produktiv ist. Die damals verfügbaren Daten dazu waren aber nicht aufschlussreich genug.

Arbeiten wir generell zu lang?
Ja, definitiv. Und das hat zwei Gründe. Die Leute denken, dass dies der beste Weg ist, um ein Top-Performer zu werden. Der zweite ist der Gruppenzwang in vielen Büros: Manche Leute trauen sich einfach nicht, früher nach Hause zu gehen. Wir müssen von dieser falschen Überzeugung wegkommen, dass Leistung etwas mit Arbeitsmenge zu tun hat. Nein, das hat sie nicht. Es geht darum, wie sie erbracht wird.

Da müsste man aber ans Eingemachte in den westlichen Leistungsgesellschaften, wenn man Leistung völlig von der Arbeitsmenge abkoppeln wollte, oder?
Ja, aber so ist es. Jedenfalls in bestimmten Branchen wie Bankwesen und Beratungen. Die arbeiten alle so viele lange Stunden und es bringt am Ende nichts. Im Westen haben wir eine falsche Vorstellung von Arbeit. In den meisten Ländern steigt die Produktivität nicht mehr an. Und warum ist das so? Weil mehr Arbeit nicht mehr Produktivität schafft. Deshalb gilt es, anders zu arbeiten statt mehr.

Für den einzelnen, eigenverantwortlich arbeitenden Menschen ist das noch vorstellbar. Aber was, wenn man in einem Tanker von einem Großunternehmen sitzt, umgeben von tausend komplexen Prozessen?
Gerade große Firmen neigen dazu, ihren Mitarbeitern viele unnötige Verwaltungsaufgaben aufzuhalsen, die vollkommen wertlos sind. Ein Beispiel aus meinem Buch: Ein Manager bei Hewlett Packard arbeitete für die Firma im Homeoffice in Colorado. Irgendwer aus der Zentrale in Kalifornien hatte ihn einmal angewiesen, vierteljährlich einen Bericht über seine Projekte zu verfassen. Er wendete ziemlich viel Zeit dafür auf. Dann stellte sich zufällig heraus, dass niemand jemals diese Berichte gelesen hatte. Der Manager erfüllte seine Aufgabe, aber die Arbeit war vollkommen wertlos.

Das hätte ihm ja mal einer sagen können.
Ja! Er hätte aber auch mal nachfragen können, wie seine Berichte so ankommen. Dann hätte er erfahren, dass es keine Leser gab. Solche Beispiele gibt es zuhauf. Wir bereiten Präsentationen vor, 50 Seiten oder mehr, und zeigen nur einen Bruchteil. Wir tun viele Dinge, die keinen Wert schaffen. Die Leute müssen mehr miteinander reden und vor allem Fragen stellen: Brauchen wir das wirklich? Welchen Mehrwert haben wir davon? Lohnt sich der Aufwand? Und dann stellen sie fest, dass man Dinge ändern kann.

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Wo können größere Firmen ansetzen, um ihren Mitarbeitern zu ermöglichen, besser zu arbeiten?
Führungskräfte und Manager müssen besser priorisieren. Wenn sie eine klare Agenda haben, wird das die Arbeit im gesamten Unternehmen verbessern. Wenn sie keinen Plan haben, wird alles nur noch schlimmer. Das bedeutet: Aufhören mit unnötigen Dingen, Konzentration auf die wesentlichen Punkte.

Gehen uns die Generalisten verloren, wenn alle nur noch extrem fokussiert und besessen von ihrem Thema arbeiten? Werden wir nicht blind für bestimmte Dinge, wenn wir alles ausblenden, was nicht direkt mit unserem Fokus zu tun hat?
Der Trend geht in Richtung Spezialisierung. Generalisten werden es in der Arbeitswelt der Zukunft schwer haben. Das liegt an der zunehmenden Konkurrenz und den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch Digitalisierung. Auf jedem Gebiet wird es schwieriger, ein Spezialist zu sein. Gleichzeitig muss jeder Spezialist auch in begrenztem Maße Generalist sein. Als Managementberater müssen Sie zum Beispiel von Bankwesen und vielem mehr eine Ahnung haben. Natürlich besteht die Gefahr, dass viele Spezialisten nebeneinander her arbeiten und nicht interdisziplinär miteinander. Deshalb werden die Leute an den Schnittstellen wichtiger.

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