Erfolg durch Obsession "Tu' weniger, das aber wie besessen"

Weniger Arbeit, mehr Erfolg. Quelle: Getty Images

Der Managementprofessor Morten Hansen hat für sein Buch "Great at Work" die Arbeitsweisen von 5000 Menschen untersucht. Das Ergebnis bestätigt einen langgehegten Verdacht: Die meisten von uns arbeiten zu viel und falsch.

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WirtschaftsWoche: Herr Hansen, als ich mich auf dieses Interview vorbereitet habe, war es eher schwierig, Ihre Ratschläge zum effizienten Arbeiten zu befolgen: Wenig Zeit, Nebengeräusche, mehrere Aufgaben parallel. Ich habe daher die ersten Kapitel vollständig gelesen und den Rest nur noch quer. War das in Ihrem Sinne?
Morten Hansen: Witzig, dass Sie das fragen. Tja, das ist die Art, wie wir heute arbeiten. Es ist immer viel los. Die ersten beiden Kapitel sind in der Tat die wichtigsten, insofern haben Sie sich richtig entschieden.

Sie haben eine Messmethode entwickelt, um herauszufinden, was die Besten unter den Berufstätigen besser machen als die anderen. Was war die wichtigste Erkenntnis?
Wir haben die Arbeitsweisen von 5000 Leuten untersucht, von Managern in gehobenen Positionen bis hin zu jungen Berufseinsteigern. Darunter waren Top-Leistungsbringer sowie mittelmäßig und eher schlecht abschneidende Beschäftigte. So konnten wir vergleichen, was ihre Arbeitsweisen unterscheidet. Ein Schlüsselprinzip ist: Tu‘ weniger, das aber wie besessen.

Was bedeutet das konkret?
Die Top-Leistungsbringer hatten die Fähigkeit, sich auf wenige Punkte zu konzentrieren. Das ist der Tu-weniger-Teil. Der reicht leider noch nicht für eine herausragende Leistung. Der zweite Teil wird oft vergessen. Besessenheit ist ebenso wichtig. Und das heißt: Man muss außerordentlichen Einsatz für die wenigen Punkte zeigen, in denen man sich engagiert.

Zur Person

Weniger arbeiten kann jeder, aber Besessenheit? Das klingt auch ein bisschen durchgeknallt. Kann man lernen, besessen zu sein?
Natürlich ist Motivation wichtig und dafür braucht es echtes Interesse. Die andere Seite ist die Fähigkeit zur Besessenheit. Und ja, auch das kann man lernen, wobei der eine vielleicht darin begabter ist als der andere. Es geht dabei weniger um Verrücktheit als um hohe Disziplin. Zum Beispiel bedeutet Besessenheit auch Detailverliebtheit. Manche Menschen sind detailorientierter als andere. Aber man kann lernen, auf Kleinigkeiten zu achten. Das kann auch ansteckend sein: Ich kann zum Beispiel keine Tippfehler sehen, da werde ich verrückt. Also achten meine Mitarbeiter extrem darauf, dass in Präsentationen niemals Tippfehler auftauchen.

Gut, aber wie findet man die Motivation, sich so mit Details zu quälen, wenn da nicht gerade ein Chef sitzt, der darauf besteht?
Um so fokussiert zu sein, sollte man seine Arbeit natürlich auch mögen. Deshalb ist Leidenschaft ein wichtiger Erfolgsfaktor. Top-Leistungsbringer ziehen ihre Motivation nicht nur aus dem Gehaltsscheck oder Beförderungen. Sie finden zu ihrer Besessenheit, weil sie extrem für ihren Job brennen – und dadurch andere mitreißen. Dadurch wiederum sehen sie diesen Job auch als Bestimmung. Es gibt Energie, wenn man merkt, dass das eigene Tun für andere eine Bedeutung hat.

Great at work Quelle: PR

Klingt in der Theorie logisch. Aber wenn das so leicht wäre, würden es aber doch sicher schon alle tun.
Es ist nicht leicht. Aber wir können relativ kurzfristig erste kleine Veränderungen vornehmen. Der erste Schritt ist, zu beschließen: Ich konzentriere mich jetzt auf ein paar Sachen. Sie sollten sich aber nicht vornehmen, ab nächster Woche alles anders zu machen, sondern Schritt für Schritt vorgehen. Sie sollten sich überlegen, wie Sie den größten Ertrag in Ihrem aktuellen Job erbringen können. Also: Wie können der Firma oder den Kunden Vorteile erwachsen? Dabei sollten Sie nicht darauf schauen, was Ihre Aufgaben auf dem Papier sind. Da ist meistens ziemlich viel unnützes Zeug dabei. Schreiben sie nicht mehr als drei Dinge auf, die sehr viel Nutzen erzielen. Dann schreiben Sie auf, was Sie sonst alles tun. Und dann überlegen Sie sich: Wie kann ich diese Dinge aufschieben, delegieren oder streichen.

Kollegen und Chef werden sich freuen.
Am Anfang können Sie noch nicht so viel streichen, weil sie ja bereits Aufgaben übernommen haben. Aber mit der Zeit wird es besser. Dann schauen Sie auf den Kalender und stellen sich wieder die Frage: Was muss ich machen, was kann ich loswerden, wo kann ich nein sagen? Dann stecken Sie die gesparten Stunden in die wichtigen Aufgaben – und erledigen die richtig gut. Das letzte, was Sie dann noch lernen müssen, ist das Neinsagen zu Ihrem Chef. Der wird Ihnen weiterhin mehr Arbeit geben, als sinnvoll ist, wenn Sie keine Grenze ziehen. Ohne das entscheidende Nein werden Sie immer nur mittelmäßige Arbeit abliefern können. Neinsagen gehört zu den entscheidenden Fähigkeiten in der heutigen Arbeitswelt.

Eine persönliche Frage: Was ist Ihnen widerfahren, dass Sie sich so intensiv mit dem Weniger-Arbeiten auseinandergesetzt haben?
Ich hatte als junger Uni-Absolvent einen Job bei der Boston Consulting Group in London. Wenn man da reingeht, sieht man nur hart arbeitende Leute, viele Stunden am Tag. Also begann ich, auch irrsinnig hart zu arbeiten und blieb viele Stunden. Dann dachte ich mir: Ich will hier gute Arbeit abliefern. Aber das taten die anderen ja auch schon. Also arbeitete ich noch mehr Stunden. Wenn die 70 Stunden arbeiteten, arbeitete ich 80. Und es funktionierte. Ich wurde schnell befördert und so weiter. Irgendwann merkte ich aber, dass es Kollegen gab, die „nur“ 50 Stunden arbeiteten und trotzdem besser waren.

Der Irrtum der westlichen Leistungsgesellschaften

Konnten Sie sich das erklären?
Das hat mich erstmal fertiggemacht, denn ich wusste, dass sie nicht so viel klüger sein konnten. Alle in der Firma waren klug und begabt. Ich hatte schon den Verdacht, dass es etwas damit zu tun haben musste, wie sie arbeiteten. Die Frage hat mich aber noch jahrelang begleitet. Als ich dann Wissenschaftler war, las ich Studien über Produktivität und dass Arbeit über eine gewisse Stundenzahl hinaus nicht mehr produktiv ist. Die damals verfügbaren Daten dazu waren aber nicht aufschlussreich genug.

Arbeiten wir generell zu lang?
Ja, definitiv. Und das hat zwei Gründe. Die Leute denken, dass dies der beste Weg ist, um ein Top-Performer zu werden. Der zweite ist der Gruppenzwang in vielen Büros: Manche Leute trauen sich einfach nicht, früher nach Hause zu gehen. Wir müssen von dieser falschen Überzeugung wegkommen, dass Leistung etwas mit Arbeitsmenge zu tun hat. Nein, das hat sie nicht. Es geht darum, wie sie erbracht wird.

Da müsste man aber ans Eingemachte in den westlichen Leistungsgesellschaften, wenn man Leistung völlig von der Arbeitsmenge abkoppeln wollte, oder?
Ja, aber so ist es. Jedenfalls in bestimmten Branchen wie Bankwesen und Beratungen. Die arbeiten alle so viele lange Stunden und es bringt am Ende nichts. Im Westen haben wir eine falsche Vorstellung von Arbeit. In den meisten Ländern steigt die Produktivität nicht mehr an. Und warum ist das so? Weil mehr Arbeit nicht mehr Produktivität schafft. Deshalb gilt es, anders zu arbeiten statt mehr.

Für den einzelnen, eigenverantwortlich arbeitenden Menschen ist das noch vorstellbar. Aber was, wenn man in einem Tanker von einem Großunternehmen sitzt, umgeben von tausend komplexen Prozessen?
Gerade große Firmen neigen dazu, ihren Mitarbeitern viele unnötige Verwaltungsaufgaben aufzuhalsen, die vollkommen wertlos sind. Ein Beispiel aus meinem Buch: Ein Manager bei Hewlett Packard arbeitete für die Firma im Homeoffice in Colorado. Irgendwer aus der Zentrale in Kalifornien hatte ihn einmal angewiesen, vierteljährlich einen Bericht über seine Projekte zu verfassen. Er wendete ziemlich viel Zeit dafür auf. Dann stellte sich zufällig heraus, dass niemand jemals diese Berichte gelesen hatte. Der Manager erfüllte seine Aufgabe, aber die Arbeit war vollkommen wertlos.

Das hätte ihm ja mal einer sagen können.
Ja! Er hätte aber auch mal nachfragen können, wie seine Berichte so ankommen. Dann hätte er erfahren, dass es keine Leser gab. Solche Beispiele gibt es zuhauf. Wir bereiten Präsentationen vor, 50 Seiten oder mehr, und zeigen nur einen Bruchteil. Wir tun viele Dinge, die keinen Wert schaffen. Die Leute müssen mehr miteinander reden und vor allem Fragen stellen: Brauchen wir das wirklich? Welchen Mehrwert haben wir davon? Lohnt sich der Aufwand? Und dann stellen sie fest, dass man Dinge ändern kann.

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Wo können größere Firmen ansetzen, um ihren Mitarbeitern zu ermöglichen, besser zu arbeiten?
Führungskräfte und Manager müssen besser priorisieren. Wenn sie eine klare Agenda haben, wird das die Arbeit im gesamten Unternehmen verbessern. Wenn sie keinen Plan haben, wird alles nur noch schlimmer. Das bedeutet: Aufhören mit unnötigen Dingen, Konzentration auf die wesentlichen Punkte.

Gehen uns die Generalisten verloren, wenn alle nur noch extrem fokussiert und besessen von ihrem Thema arbeiten? Werden wir nicht blind für bestimmte Dinge, wenn wir alles ausblenden, was nicht direkt mit unserem Fokus zu tun hat?
Der Trend geht in Richtung Spezialisierung. Generalisten werden es in der Arbeitswelt der Zukunft schwer haben. Das liegt an der zunehmenden Konkurrenz und den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt durch Digitalisierung. Auf jedem Gebiet wird es schwieriger, ein Spezialist zu sein. Gleichzeitig muss jeder Spezialist auch in begrenztem Maße Generalist sein. Als Managementberater müssen Sie zum Beispiel von Bankwesen und vielem mehr eine Ahnung haben. Natürlich besteht die Gefahr, dass viele Spezialisten nebeneinander her arbeiten und nicht interdisziplinär miteinander. Deshalb werden die Leute an den Schnittstellen wichtiger.

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