Frau Niekerken, in Ihrem Buch finden Sie deutliche Worte: viele Berufstätige „kotzen jeden Montag im ganz großen Strahl“. Was meinen Sie damit?
Grundsätzlich handelt es sich um ein Gefühl, das oft daher rührt, keinen Sinn mehr in seinem täglichen Tun zu sehen. Dass wir dafür ein Gehalt bekommen, ist als Motivator nicht ausreichend. Wenn wir hier nicht selbst gegensteuern, kann das durchaus psychosomatische Folgen haben und sich auf Dauer auch körperlich ausdrücken. Das muss nicht heißen, dass einem tatsächlich übel ist oder man sich gar übergeben muss. Häufig äußert sich das Unwohlsein in Rückenschmerzen, vermehrten Erkältungen und, wenn es ganz dick kommt, kann es zum Burnout führen.
Was kann man tun, um zufriedener zu sein?
Wenn ich montags immer „kotzen“ muss, gucke ich wahrscheinlich nur auf die schlechten Dinge. Wir sind so darauf fokussiert, das zu bestätigen, was wir eh schon denken – nämlich, dass alles schlecht ist –, dass wir das Gute nicht mehr sehen. Mein Tipp: schreiben Sie drei Wochen lang jeden Tag auf, was an diesem Tag schön war. Das können auch Kleinigkeiten wie das freundliche Hallo von der Kollegin oder ein staufreier Weg zur Arbeit sein. Sie werden sehen: Ihre Einstellung wird sich ändern.
Der Satz „ändere deine Einstellung“ ist leichter gesagt als umgesetzt. Wie geht man das an?
Wenn ein Berufstätiger unzufrieden ist, muss er als Erstes herausfinden, ob er überhaupt im richtigen Job ist. Wenn die Karriereleiter an der falschen Wand steht, kann auch eine andere Einstellung nichts ändern. Wenn das Meckern aber zur Gewohnheit wird, der Job aber der richtige ist, dann ist es tatsächlich Zeit, an der Einstellung zu arbeiten.
Viele Berufstätige fallen in ein Loch aus „kann ich nicht“ und „würde sowieso nichts bringen“. Was kann helfen?
Das Stichwort ist Selbstwirksamkeit. Wer sich selbst mehr zutraut ist zufriedener. Das sollten Führungskräfte aktiv fördern, indem sie ihren Mitarbeitern Aufgaben geben, die sie herausfordern. Eine Führungskraft sollte für Fragen zur Verfügung stehen. Gelingt die Herausforderung, traut der Mitarbeiter sich vielleicht auch künftig wieder mehr zu.
Kann ich auch ohne Hilfe vom Chef üben, mir mehr zuzutrauen?
Menschen sind Gewohnheitstiere und haben ihr Leben lang ähnliche Freunde, das gleiche Hobby und machen immer ähnlich Urlaub. Wer etwas Neues ausprobiert, wird Selbstwirksamkeit erfahren. Dieses Neue kann beispielsweise sein, mal ein Jahr die Musikschule zu besuchen und ein Instrument zu lernen oder statt eines Pauschalurlaubs eine Rucksackreise zu machen. Da gibt es jede Menge Möglichkeiten.





Das sind aber alles Dinge, die außerhalb der Arbeit passieren. Wie hilft das gegen Arbeitsübelkeit?
Wir sind keine geteilten Wesen. Arbeit und Freizeit sind nicht getrennt. Dieselbe Person geht zur Arbeit und dieselbe Person hat Freizeit. Wenn ich in der Freizeit neue Sachen erlebe oder lerne, dann wird mein Gehirn angeregt und neue neuronale Verbindungen werden geknüpft. Wenn ein paar Lampen mehr im Oberstübchen brennen, dann profitiert die Arbeit da natürlich auch von.
Geht das denn im Job auch? Viele Stellenprofile sind ja sehr festgelegt und erlauben wenig Experimente.
Ist das so? Wir nehmen viel zu viel als gegeben hin, ohne zu fragen, ob es auch anders geht. Oft wissen wir ja gar nicht, was alles geht im Unternehmen. In meinen Seminaren wissen viele gar nicht, welche Werte für ihr Unternehmen gelten. Wir fragen uns immer, warum unser Unternehmen kein Interesse an uns hat. Haben wir denn überhaupt Interesse an unserem Unternehmen?