Die deutsche Wirtschaft braucht Männer. Zumindest, wenn man einer Fachkräftestudie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW/Köln) glaubt. Demnach sind deutschlandweit schon jetzt 96 Berufsgruppen vom Fachkräftemangel betroffen.
Davon wiederum waren 41 von sehr starken Engpässen betroffen - es kommen also weniger als 100 Arbeitslose auf je 100 gemeldete offene Stellen. Vom Hörgeräteakustiker über den Luft- und Raumfahrttechniker über die Krankenschwester bis zum Systemgastronomen fehlt es quer durch alle Branchen (Die komplette Liste aller Engpass-Berufe finden Sie hier)
Gesucht werden sowohl Fachkräfte mit einer dualen Ausbildung, als auch mit Hochschulabschluss. Und das überwiegend in klassischen Männerberufen. So zeigt die IW-Auswertung, dass von den betroffenen Berufen 64 männertypische Jobs sind, etwa im Maschinenbau, in der Informatik oder in der Elektrotechnik, es fehlt außerdem an Mechatronikern und Zerspanungsmechanikern. Aber auch bei klassischen Handwerksberufen wie etwa bei der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik herrscht Bedarf. Insgesamt sind 3,23 Millionen von den 5,05 Millionen Menschen, die in Berufen mit anhaltenden Mitarbeiterengpässen arbeiten, männlich.
Diese Tech-Jobs werden im Jahr 2020 gesucht
Der Business Analyst baut Brücken zwischen den Fachbereichen eines Unternehmens und dessen IT. Dazu untersucht er Geschäftsprozesse und Anforderungen der Fachbereiche und kommuniziert sie der IT-Abteilung, um die Umsetzung so reibungslos wie möglich zu gestalten. Dabei muss der Business Analyst über sehr gute kommunikative Fähigkeiten verfügen, da er sowohl die Perspektive des Unternehmens als auch die der Kunden verstehen und einbeziehen muss.
Cloud-Computing wird für IT-Unternehmen immer wichtiger. Daher steigt auch der Bedarf an Fachkräften die eine effektive Integration der Cloud fördern. Cloud-Architekten sind in der Lage sowohl die Unternehmensseite zu berücksichtigen, als auch die technischen Herausforderungen zu meistern.
Das Berufsfeld der Datenarchitekten gehört der IT-Architektur an. Der Data Architect identifiziert und beschreibt in Geschäftsprozessen zugehörige Daten und ihre Beziehungen. Zu den alltäglichen Aufgaben gehören Datenanalysen, Datenmodellierung, Datenintegration oder die Optimierung von Datenbanken. Der Bedarf an Datenarchitekten nimmt stetig zu.
Data Artists sind die Künstler in der Tech-Welt. Sie gestalten visuelle Hilfsmittel wie Graphen, Charts und Infografiken um komplexe Daten und Auswertungen für die anderen Unternehmensbereiche und Kunden verständlich zu machen. Erfolgreiche Data Artists vereinen Kenntnisse aus der Wissenschaft, Mathematik und Datenverarbeitung mit kreativen Fähigkeiten und Kompetenzen im Umgang mit Gestaltungsprogrammen.
Mit den wachsenden Mengen an Daten steigt auch der Bedarf diese zu strukturieren. Damit befasst sich das Berufsfeld der Data Scientists, in Deutschland bekannt als Datenanalytsen. Mit Hilfe von Algorithmen extrahieren sie die für das Unternehmen nützlichen und verwertbaren Informationen aus den Datenmassen. In den USA ist die Ausbildung zum Data Scientist bereits sehr beliebt, in Deutschland steht sie noch relativ am Anfang. Datenanaylsten fühlen sich in der Mathematik und Statistik wohl. Sie arbeiten mit Datenbanken, Netzwerktechniken und Programmierungen.
Der Datenbankadministrator befassen sich mit den Datenbanksystemen eines Unternehmens. Dabei gilt es zum einem die Informationssysteme zu installieren, konfigurieren, betreiben, überwachen und pflegen. Zum anderen betreibt der Datenbankadministrator das sogenannte Changemanagement.
Auch der Information Broker, zu Deutsch Informationsvermittler befasst sich mit den entstehenden Datenmassen im Netz. Sein Berufsfeld ist aus der Verfügbarkeit von Online-Datenbanken entstanden. Für den Information Broker gibt es zwei mögliche Einsatzgebiete: zum einen kann er gegen ein Honorar die Recherche von Informationen übernehmen um Datenbanken zu "füttern", zum anderen kann er als Inhouse-Experte in einem Unternehmen tätig sein und die betrieblichen Datenbestände aufstocken. Ein professioneller Information Broker benötigt fundiertes fachliches und methodisches Wissen.
Hinter dem IT-Architekten verbirgt sich ein Informatiker mit speziellem Wissen. Er erarbeitet Planungs- und Orientierungsrahmen, anhand derer sich IT-Projekte erfolgreich realisieren lassen. Besonders wichtig ist der ständige Abgleich zwischen der Ist- und der Soll-Architektur eines Unternehmens.
Der IT-Auditor analysiert und bewertet IT-gestützte Geschäftsprozesse hinsichtlich ihrer Effizienz und Qualität, möglicher Risiken sowie der Einhaltung interner und externer Vorgaben. Er nutzt in seiner Arbeit Reports, um sicherzustellen, dass die Prüfungsziele effizient erreicht werden. Gleichzeitig beurteilt er die Risiken und Kontrollen des internen Kontrollsystems.
Das Berufsfeld des IT-Beraters ist weit gestreut. Im Allgemeinen beratet er Unternehmen im Bereich der Informationstechnik. Dies ist in der IT-Branche, in unterschiedlichen Wirtschaftsunternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung, sowie bei Verbänden und Organisation möglich. Der IT-Berater benötigt Kenntnisse aus den Bereichen Informatik, Softwaretechnik und Betriebswirtschaft.
Größere Betriebe verfügen über Computeranlagen, mit denen Daten innerhalb des Unternehmens ausgetauscht werden können. Für deren Funktionsfähigkeit ist der Netzwerkadministrator zuständig. Er konfiguriert, betreibt, überwacht und pflegt Datennetze für Computer sowie integrierte Telekommunikationsnetze für Telefonie, Videokonferenzen oder Funknetze.
Der Requirements Engineer bewegt sich ähnlich wie der Business Analyst im Anforderungsmanagement. Sein Ziel ist es ein gemeinsames Verständnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber hinsichtlich des zu entwickelnden Systems zu erreichen.
Der SAP-Berater ermittelt die Anforderungen von Unternehmen an die betriebswirtschaftliche Software SAP und führt diese in Unternehmen ein. In einem weiteren Schritt bildet er die Angestellten in der Nutzung der Software aus. Dazu ist der Berater nicht bei SAP angestellt. Er arbeitet direkt beim Anwenderunternehmen, bei einem IT-Dienstleister, bei Unternehmen für Softwareentwicklung oder auf selbstständiger Basis.
Der Sicherheitsspezialist versucht Datenlecks zu vermeiden und eine Strategie zur IT-Sicherheit zu entwickeln. Security-Spezialisten werden in jedem Unternehmen benötigt, welches eine komplexe IT-Infrastruktur hat.
das Service-Level-Management, zu Deutsch Dienstgütemanagement befasst sich mit der Definition, Überwachung und Optimierung von Dienstleistungen in der IT-Branche. Der Service Level Manager ist verantwortlich die Leistungen der IT in Einklang mit den geschäftlichen Erwartungen zu bringen.
Der Software Engineering Specialist beschäftigen sich mit dem Design, der Entwicklung, der Instandhaltung und Evaluation von Software-Systemen.
Systemanalytiker, die im IT-Bereich arbeiten, modellieren Geschäftsprozesse und erstellen auf der Basis von Analysen die Anforderungen an IT-Systeme, die sie in Form von Anforderungsmodellen darstellen. Die Unterstützung eines Systemanalytikers ist vor allem dann von großer Bedeutung, wenn Prozessabläufe komplizierter werden. Die Hauptaufgaben eines Systemanalytikers bestehen darin, die Umsetzung und Installation von IT-Systemen fachlich zu begleiten sowie bereits bestehende anzupassen. Zudem müssen sie auch kommunikative Fähigkeiten bei Verhandlungen und Beratungen mit Kunden unter Beweis stellen.
Ein Testmanager prüft IT-Systeme, die sich noch in der Vorbereitungsphase befinden. Er ist für die Konzeption, Planung, Steuerung und Prüfung des Prozesses zuständig. Außerdem dirigiert er den Testprozess, indem er sowohl Vorgesetzte als auch Kunden stetig auf den neuesten Stand bringt, was Qualität und Fortschritte des Systems betrifft.
Webdesigner arbeiten in der Regel für Software- und Datenbankanbieter oder Multimediaagenturen. Ihre Aufgabe besteht darin, Internet-Auftritte zu betreuen. Während Webdesigner in kleineren Agenturen üblicherweise für Gestaltung, Aufbau und die Verwirklichung des Corporate Designs zuständig sind, übernehmen sie in größeren Betrieben oftmals vorwiegend die Pflege für Layout und Design der Webseiten. Bei weiterführenden Aufgaben stehen ihm dann weitere Sachkundige zur Verfügung.
Bei Frauenberufen hapert es im Gesundheitswesen
Nur 17 der sogenannten Engpassberufe sind frauentypisch, also dadurch gekennzeichnet, dass mehr als 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiblich sind. In diesen Berufen bestehen die größten Engpässe im Gesundheitswesen. Neun der zehn frauentypischen Berufe mit einem starken Fachkräftemangel gehören zu dem Berufsfeld "Gesundheit, Soziales und Bildung". Am größten ist der Mangel in der Alten- und Krankenpflege: 20 Berufe dieser Branche sind betroffen. Hinzu kommen weitere Gesundheitsberufe der Sprach-, und Physiotherapie, der Augenoptik, der medizinisch-technischen Radiologie sowie in der Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehung.
Die attraktivsten Regionen für Fachkräfte
Laut des aktuellen Fachkräfte-Atlas der Jobbörse Stepstone würden 44 Prozent sofort ihre Koffer packen und nach Bayern ziehen, wenn sie dort eine geeignete Stelle finden.
Nord und süd: Jeweils 38 Prozent nannten Baden-Württemberg beziehungsweise den Stadtstaat Hamburg attraktive Regionen für Fachkräfte.
Ein Drittel möchte in Nordrhein-Westfalen arbeiten.
Berlin mag sexy sein. Als Fachkräfteregion ist die Heuptstadt jedoch nur für 28 Prozent der Befragten attraktiv.
Noch weniger, nämlich 21 Prozent, können sich vorstellen, zum Arbeiten nach Hessen zu ziehen.
20 Prozent halten Niedersachsen für eine attraktive Fachkräfte-Region.
16 Prozent wollen nach Rheinland-Pfalz.
13 Prozent zieht es nach Schleswig-Holstein.
Nur elf Prozent wollen in Bremen leben und arbeiten.
Neun Prozent könnten es sich vorstellen, für einen Job nach Sachsen zu ziehen.
Jeweils sieben Prozent nannten Brandenburg beziehungsweise Mecklenburg-Vorpommern eine attraktive Fachkräfte-Region.
Sechs Prozent würden nach Thüringen ziehen.
Ins Saarland wollen fünf Prozent.
Vier Prozent könnten sihc vorstellen, nach Sachsen-Anhalt zu ziehen.
Alle diese Berufe werden von weit mehr als 70 Prozent von Frauen ausgeübt:
- Angestellte aus dem Gesundheitsbereich sind zu 99,5 Prozent weiblich
- in den Bereichen Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehung sind es 95,9 Prozent
- Sprachtherapeuten sind zu 93,9 Prozent Frauen
- bei den Gesundheits- und Krankenpflegeberufen sind es 86,7 Prozent
- in der Altenpflege arbeiten 84,7 Prozent Frauen.
Laut dem IW könnte ein größerer Männeranteil in diesen Berufen helfen, den Engpässen beizukommen. Denn von den knapp über fünf Millionen Beschäftigten in Engpassberufen arbeitet rund eine Million in Teilzeit, davon allein 670.000 im Gesundheitssektor. Alleine 286.000 Teilzeitbeschäftigte sind in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie 118.000 in der Altenpflege beschäftigt. "Schon wenn nur ein Teil von ihnen die Arbeitszeit aufstocken wollte und könnte, würde das die Engpässe deutlich reduzieren", erklärt IW-Berufsforscher Sebastian Bußmann.
Deshalb sei es wichtig, dass die Kinderbetreuung an Kindertagesstätten und Schulen weiter ausgebaut wird, um vor allem Müttern die Möglichkeit zu geben, mehr zu arbeiten. Auch könnte mehr Offenheit bei der Berufswahl helfen. "Leider ist die Berufswahl junger Menschen immer noch zu stark von geschlechtertypischen Rollenmustern geprägt", sagt Bußmann. "Mit dem Durchbrechen dieser Muster könnten Fachkräfteengpässe gelindert werden."
Kurioserweise soll ausgerechnet die Teilzeit, die in Frauenberufen für Engpässe sorgte, die Männerberufe für Frauen attraktiver machen: Die überwiegend männlichen Beschäftigten arbeiten fast ausschließlich in Vollzeit. Unternehmen sollten hier verstärkt weibliche Fach- und Nachwuchskräfte anwerben, um offene Stellen zu besetzen, rät der IW-Experte. Teilzeitstellen könnten Anreize für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schaffen, die sich neben der Arbeit auch ihrer Familie widmen wollen. "Mit Telearbeit, Arbeitszeitkonten und Vertrauensarbeit können die Unternehmen deshalb ihre Attraktivität für beide Geschlechter erhöhen", sagt Bußmann. Nur: Wenn künftig Handwerkerinnen, Informatikerinnen & Co. Teilzeit arbeiten, dafür Krankenpfleger und Logopäden Vollzeit, verlagert sich das Problem nur - gelöst wird es dadurch trotzdem nicht.