Falsche Berufsvorstellungen Wo Jugendliche über MINT-Jobs irren

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Berufsberatung findet kaum statt, Eltern raten ab

Wie kürzlich eine Studie der Vodafone-Stiftung zeigte, haben Jugendliche keine Pläne für ihre berufliche Zukunft - weil sie schlicht nicht wissen, welche Berufe es gibt und was zum jeweiligen Arbeitsalltag gehört. Demnach fühlen sich 56 Prozent der Schüler in Deutschland ausreichend über ihre beruflichen Möglichkeiten informiert. Und wer schon in der Schule weiß, welchen Beruf er gerne lernen möchte, der tendiert zu einem Beruf, den er aus seinem eigenen Umfeld kennt. "Es sind immer die bekanntesten Berufe. Es sind nie die, die man nicht so kennt. Ich kenne zum Beispiel jetzt nicht alle Berufe und ja, die bekanntesten sprechen einen halt an", zitiert der VDMA einen Schüler. Ein weiterer sagt: "Durch den Alltag sieht man auch viele verschiedene Berufe, zum Beispiel den Einzelhandelskaufmann sieht man ja in verschiedenen Läden. Dann kommt man auf die Idee, das mal zu recherchieren."

Weil MINT-Jobs seltener beziehungsweise weniger sichtbar sind, rangieren Berufe aus dem IT- und dem Computersektor auf dem letzten Platz der von Schülern gegenüber der Vodafone-Stiftung genannten Traumberufe.

Berufsberatung ist in Gymnasien nicht vorgesehen

Hier sollte die Berufsvorbereitung an Schulen und in den Arbeitsagenturen greifen und zumindest die Palette der existierenden Berufe vorstellen, doch das geschieht nicht beziehungsweise unzureichend, wie es im MINT-Nachwuchsbarometer heißt.

In den Gymnasien liege der Fokus außerdem meist einseitig auf der Studienorientierung, Informationen zu Berufen und Ausbildung finde so gut wie gar nicht statt. "In der 10. Klasse im Gymnasium sind mit 26 Prozent noch genauso viele Schülerinnen und Schüler an MINT-Berufen interessiert wie Haupt- und Realschülerinnen und -schüler im Abschlussjahr. Das Interesse sinkt dann in der Oberstufe des Gymnasiums kontinuierlich von Klassenstufe zu Klassenstufe bis auf rund 13 Prozent kurz vor dem Schulabschluss", heißt es in der Studie.

Aus diesen Gründen brechen Studenten ihr MINT-Studium ab

Wer als Gymnasiast deshalb zum Berufsberater geht, bekommt auch keinen entsprechenden Hinweis, wie eine Schülerin dem VDMA erzählt: "Der Berufsberater hätte mehr auf mich eingehen müssen. Wir mussten einen Zettel ausfüllen und dann hat er eigentlich nur gefragt ‚Ja, notentechnisch würde Schule passen, das könntest du machen. Und sonst, was würdest du denn gerne tun?‘ Und dann habe ich gesagt, Management oder Tourismus vielleicht, und dann hat er mir einfach nur Studienunterlagen geschickt. Aber der hätte einfach mal mit mir die Berufe durchgehen müssen! Vielleicht mal nach meinen Stärken/Schwächen schauen müssen, sich einfach mit mir beschäftigen müssen, die einzelnen Sachen erklären müssen."

Eltern raten Mädchen von MINT-Berufen ab

Wie die Vodafone-Studie zeigte, spielen die Eltern bei der Wahl des Berufes ebenfalls eine wichtige Rolle: Je besser sie ihre Kinder bei der Suche nach einem Job unterstützen, umso leichter fällt ihnen die Berufswahl. Und je weniger die Schule vorbereitet, desto mehr werden die Eltern um Rat gefragt. Deshalb hat es besonders große Auswirkungen, wenn Eltern ihren technikbegeisterten Kindern von einer entsprechenden Ausbildung oder Studium abraten.

Hierbei gibt es übrigens deutliche Unterschiede, ob es sich um Söhne oder Töchter handelt: Eltern, Familie, Freunden und Bekannten raten Mädchen fünfmal häufiger von einer technischen Ausbildung ab als Jungen. Und das mit entsprechenden Auswirkungen: Fast 38 Prozent der Frauen, die mit einem MINT-Job geliebäugelt, dann aber doch lieber einen frauentypischeren Beruf ergriffen haben, taten dies wegen des Drucks durch das soziale Umfeld. "Das ist doch nichts für Mädchen." Dieser Meinung sind übrigens auch 22 Prozent der vom VDMA befragten männlichen Auszubildenden in technischen Berufen. Sie sind überzeugt, dass Frauen für diesen Beruf weniger geeignet seien, weil ihnen technisches Verständnis, handwerkliches Geschick sowie die körperlichen Voraussetzungen fehlten.

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