Anerkennung anderer Menschen gewinnt man in der heutigen Gesellschaft in erster Linie für berufliche Leistungen. Die Achtung vor familiären „Leistungen“, vor allem die für Mütter, ist entwertet. In wenigen Jahrzehnten hat hier ein radikaler und fataler Wertewandel stattgefunden. Keine Kinder zu haben, war noch vor wenigen Generationen ein Makel, vor allem für Frauen, für die es keine andere Anerkennungsquelle gab.
Heute ist es umgekehrt: Bekommt eine Frau Kinder und gibt dafür zeitweilig das Arbeitsleben auf, gewinnt sie nicht Anerkennung, sondern droht sie zu verlieren. Der Arbeitgeber und zunehmend auch die öffentliche Meinung üben Druck aus, so bald wie möglich wieder zu arbeiten. Sie vermitteln der Frau dadurch das Gefühl, dass ihre Mutterschaft eine leidige Unterbrechung von etwas wichtigerem ist. Viele Mütter, das zeigt die Studie von Wimbauer, fühlen sich „abgeschnitten“ von Anerkennung. Mütter von vielen Kindern werden allenfalls bemitleidet. Das fehlende Sozialprestige von Elternschaft ist eine verhängnisvolle Krankheit unserer Gesellschaft.
Die Falle der Anerkennung
Liebe und Familie werden im Leben vieler Menschen durch das Selbstverwirklichungsversprechen der modernen Arbeitswelt zur Nebensache degradiert oder zu einer professionellen Team-Beziehung umgewandelt. Wimbauer nennt das die Anerkennungsfalle: Die „Liebe“ der Arbeit, also durch Leistung erworbene Anerkennung, soll die Liebe eines Partners ersetzen. Das erscheint sehr viel unkomplizierter und risikoärmer. Der Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Denn Liebe wird eben gerade nicht durch Leistung erworben, sondern bedingungslos. Im Berufsleben ist jeder ersetzlich. Aber wer wirklich geliebt wird, ist für den Liebenden nicht zu ersetzen. Und genau darum ist Liebe so unendlich kostbar und erstrebenswert.
Arbeit ist ein Segen. Sie schafft nicht nur die materiellen und immateriellen Grundlagen des Lebens, sondern auch die Anerkennung, nach der Menschen als soziale Wesen streben. Aber Arbeit kann auch ein Fluch werden, wenn ihrem Selbstverwirklichungsversprechen das Liebesglück geopfert wird.
Den Fluch kann man aber bannen. Niemand zwingt uns, in die Anerkennungsfalle zu tappen. Das Mittel der Wahl ist alt und seit Jahrtausenden bewährt: Es ist die Kardinaltugend der Mäßigung. Im bürgerlichen Zeitalter mussten Männer und Frauen das richtige Maß zwischen Arbeit und Liebesleben nicht suchen, es war vorgegeben: Er war für die Arbeit zuständig, sie für die Pflege der Liebe. Heute müssen beide gemeinsam das Gleichgewicht auspendeln. Und das wird sich nicht einstellen, wenn beide ihr ganzes Gewicht in die Waagschale der Arbeit legen. Das heißt nicht unbedingt, dass Beruf und familiäre Aufgaben exakt aufgeteilt sein müssen. Vielleicht ist schon viel erreicht, wenn die Anerkennung für familiäre, nicht berufliche Arbeit des anderen wächst.
Tom und Violet machen es am Schluss des Films vor. Sie haben gelernt. Für ihre Liebe bringen sie berufliche Opfer. Beide. Sie hat ihre Psychologie-Professur in Michigan aufgegeben, er ist bereit, sein mobiles Tacco-Schnellrestaurant mitzunehmen - wohin auch immer. Und dann heiraten sie mit fünf Jahren Verspätung doch noch.