Familie und Beruf Wenn die Arbeit die Liebe frisst

Seite 2/3

Der lange Marsch der Frauen

Die klassische Gattin in der Rolle als Mutter und Hausfrau ist heute weitestgehend der emanzipierten und berufstätigen Frau gewichen Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-E0711-0011-001 - CC-BY-SA

Dieses romantische Ideal der Liebesehe war die Rechtfertigung für das auf Unterordnung und rechtlicher Benachteiligung der Frauen beruhende Gesellschaftsmodell. Sie sollten sich gegenseitig ergänzen, und idealerweise für den jeweils anderen da sein. Er ernährt sie mit, sie zieht die gemeinsamen Kinder mit groß.

Zu diesem Modell gehörte, dass Frauenarbeit stigmatisiert wurde. Die Zugehörigkeit zur Klasse konnte man bis vor wenigen Generationen daran erkennen, ob die Ehefrauen arbeiteten oder nicht. Nur die ärmsten Frauen arbeiteten außerhalb der Familie, Bauersfrauen und Kleinbürgerinnen mussten zumindest die Hausarbeit selbst machen. In besseren Familien taten die Ehefrauen und Töchter nichts, was irgendwie an Arbeit erinnerte. Das war Voraussetzung für ein hohes soziales Ansehen der Familie. Die Gattin eines Gutsbesitzers oder Großkaufmanns hätte niemals freiwillig Hausarbeit, geschweige denn Erwerbsarbeit verrichtet. Fontanes unglückliche Romanheldin Effi Briest muss erst als Hauslehrerin Geld verdienen, als ihr Mann sie verstößt. Die ultimative Schande für eine Frau aus guter Familie im 19. Jahrhundert.

Wer am besten zu Ärzten und Managern passt
Rotes Herz mit der Aufschrift "Es schlägt vor dich" Quelle: AP
Rechtsanwalt sitzt auf Akten Quelle: dpa
Arzt hält ein Stethoskop hinter den Händen Quelle: dpa
Banker auf den Weg in die WestLB Quelle: dpa
Beamtin telefoniert Quelle: dpa
Designerin posiert vor ihren Klamotten
StudentenSexuelle Harmonie wird im Alter und während des Berufslebens immer wichtiger – diesen Eindruck bestätigen die befragten Studenten, denen im Vergleich zu nahezu allen anderen Berufen die sexuelle Harmonie nur moderat wichtig zu sein scheint. Dafür genießen sie andere Freiheiten und würden nur zu einem geringen Prozentsatz einen Partner akzeptieren, der bereits ein Kind hat. Quelle: dpa

Weg von der Ein-Ernährer-Familie

Der lange Marsch der Frauen in die Berufstätigkeit ist nicht nur eine Geschichte der Befreiung. Die frühen Feministinnen rissen sich nicht in erster Linie darum, dass Frauen Unternehmen gründen oder Managerin werden durften. Sie waren Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Intellektuelle. Sie wollten volle Bürgerrechte und vor allem Zugang zu den Universitäten. „Ein eigenes Zimmer“ forderte Virginia Woolf in ihrem berühmten gleichnamigen Aufsatz von 1929- und 500 Pfund im Jahr, was damals eine angenehme Existenz ermöglichte. Vom Recht, Marketing-Bereichsleiterin werden zu dürfen, ist bei den großen Feministinnen des 19. und 20. Jahrhunderts keine Rede.

Die Geschichte der Frauenberufstätigkeit ist nicht nur eine Geschichte der Selbstbefreiung von an den  Herd gefesselten Heimchen. Natürlich war ein eigenes vom Ehemann unabhängiges Einkommen eine Bedingung für die vollständige Emanzipation. Aber mindestens ebenso wichtig, wie der Wunsch der Frauen nach Arbeit, war und ist der Wunsch der Arbeitgebern nach der Verdopplung des Arbeitskräftereservoirs. Tatsächlich mussten die Frauen, die Türen der Wirtschaft nicht einrennen. Sie wurden reingebeten.

Die Frauenemanzipation und die Auflösung der klassischen Versorgerfamilie ab den späten Sechziger Jahren kamen der Wirtschaft nämlich gerade recht. Es gibt, wie der Soziologe Wolfgang Streeck nachgewiesen hat, einen positiven Rückkopplungsprozess zwischen immer flexibleren Arbeitsmärkten und immer flexibleren Familienverhältnissen. Die Anforderungen der Wirtschaft nach mobilen Arbeitskräften und die Auflösungserscheinungen der Ein-Ernährer-Familie schaukeln sich gegenseitig hoch.

Verlierer dieser Entwicklung ist die Stabilität von Beziehungen und Familien. Das allein muss man nicht generell bedauern. Den vielen unglücklichen Ehen des bürgerlichen Zeitalters, die nur durch ökonomischen Zwang zusammengezwungen blieben und Millionen gescheiterter Schicksale erzeugten, sollte niemand nachtrauern. Und auf den Gewinn der Frauen an persönlicher Freiheit und finanzieller Unabhängigkeit will sicher niemand mehr verzichten, auch die Männer nicht.

Was man sehr wohl bedauern kann, ist der generelle Bedeutungsverlust von Liebe und Familie in einer Gesellschaft, die für beide Geschlechter keinen anderen Lebensentwurf mehr akzeptiert als lebenslange Erwerbsarbeit und kein anderes Lebensziel als beruflichen Erfolg.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%