Britta Kramer* aus Lübeck geht es ähnlich. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie in einer kleinen Apotheke. Als ihr Sohn geboren wurde, handelte sie eine Teilzeitstelle mit 20 Wochenstunden aus, inzwischen kommt sie viermal pro Woche. Sie könnte leicht mehr arbeiten, ihr Chef würde sich freuen, seine Geschäfte laufen gut. Doch für Kramer ist es viel attraktiver, am fünften Tag in einer Apotheke im Nachbarort auf 450-Euro-Basis auszuhelfen.
In ihrem Hauptjob verdient sie 1272 Euro netto im Monat. Würde sie ihre Arbeitszeit auf 36 Stunden erhöhen, bekäme sie 1440 Euro heraus. Sechs zusätzliche Arbeitsstunden pro Woche würden ihr also 168 Euro mehr im Monat einbringen. Die Arbeit bei der Apotheke im Nachbarort rentiert sich mehr: Bei einem Stundenlohn von 16 Euro hat sie ein monatliches Zusatzeinkommen von 384 Euro, weil bei einem Minijob keine Sozialabgaben fällig sind.
Es liegt also auch am Sozialstaat mit seinen oft bizarren Regeln, dass Deutschland so viele Teilzeitstellen hat. Britta Kramer hat 228 Euro im Monat mehr zur Verfügung, wenn sie ihre Arbeit auf zwei Apotheken und zwei Arbeitsverträge verteilt statt auf einen. In der Statistik erscheint sie als Teilzeitkraft, tatsächlich arbeitet sie nicht weniger als andere Vollzeitbeschäftigte. Es spricht viel dafür, dass Zehntausende von Arbeitnehmern rechnen wie sie: 2,6 Millionen Deutsche haben neben ihrer eigentlichen Erwerbstätigkeit noch einen Minijob.
Es gibt also verschiedene Typen von Teilzeitkräften: Geringverdiener, die gern mehr verdienen möchten und deshalb manchmal mehrere Jobs gleichzeitig haben. Eltern, die ein verringertes Einkommen hinnehmen, weil sie Zeit für ihre Kinder brauchen. Und dann gibt es noch Gutverdienende, deren Einkommen so hoch ist, dass sie auch mit einem Achtzig-Prozent-Gehalt gut zurechtkommen. Teilzeit, zeigt das, muss man sich leisten können.
* Name geändert
Dieser Artikel ist auf Zeit Online erschienen