Bisher hat die Geburt von Kindern auf die Arbeitszeit von Vätern und Müttern immer noch extrem unterschiedliche Wirkungen, und zwar weit über die Stillzeit und die Kleinkindjahre hinaus: 51 Prozent aller kinderlosen Frauen arbeiten Vollzeit, aber nur 26 Prozent aller Mütter, so eine noch unveröffentlichte Studie des Soziologieprofessors Carsten Wippermann für das Bundesfamilienministerium. Von kinderlosen Männern hingegen haben 79 Prozent eine volle Stelle – aber 91 Prozent der Väter. In Deutschland gingen Männer und Frauen als modernes Paar in den Kreissaal hinein und kämen als Fünfziger-Jahre-Paar wieder heraus, sagt Jakob Hein, der Schriftsteller und ehemalige Väterbeauftragte des Berliner Krankenhauses Charité.
Wissenschaftler sprechen von einer Retraditionalisierung der Beziehungen, die in Deutschland nach der Geburt von Kindern besonders ausgeprägt sei. Der Grund dafür ist der deutsche Sozial- und Steuerstaat mit Ehegattensplitting, beitragsfreier Mitversicherung bei der Krankenkasse für nicht berufstätige Ehepartner und Verdienstgrenzen für Minijobs. Alles zusammen führt schnell dazu, dass es sich für Frauen zumindest kurzfristig oft nicht rechnet, mehr als einen Minijob zu übernehmen.
Allmendinger schwärmt davon, wie viele Probleme mit einer anderen Verteilung der Arbeit gleichzeitig angepackt würden: die drohende Altersarmut vor allem von Frauen, die steigende Zahl von Berufstätigen, die wegen Burn-out ausfallen, sowie die in Deutschland besonders geringen Chancen von Frauen, in Führungspositionen zu gelangen. Von Teilzeitjobs redet Allmendinger in diesem Zusammenhang gar nicht mehr. "32 Stunden sind die neue Vollzeit", sagt sie.
Viele Teilzeitarbeiter haben mehrere Jobs, weil das Geld sonst nicht reicht
Statistisch gesehen, ist der deutsche Arbeitsmarkt von diesem Ideal gar nicht weit entfernt. Zumindest liegt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland bei nur 30,11 Stunden. Gleichzeitig sind so viele Menschen erwerbstätig wie noch nie. Fast genau dreißig Jahre nachdem die Gewerkschaften in Deutschland für die 35-Stunden-Woche auf die Straße gingen, scheint es also, als sei ein altes Ziel der Arbeiterbewegung erreicht: mehr Jobs, weil viele weniger arbeiten.
Dass es so weit gekommen ist, hat allerdings nichts mit Tarifpolitik zu tun – und es ist erstaunlich für ein Land, in dem Menschen ihre Berufe noch auf ihren Grabstein schreiben lassen und sich beim Kennenlernen sofort mit ihrer Tätigkeit vorstellen. Die Bedeutung des Berufs für das Selbstbewusstsein nimmt Umfragen zufolge sogar zu – vor allem für junge Frauen ist er wichtiger als noch vor fünf Jahren.
Die niedrige Stundenzahl kommt dadurch zustande, dass Deutschland im vergangenen Jahrzehnt beinahe Teilzeit-Weltmeister geworden ist. Unter den Industrieländern haben nur die Niederlande prozentual deutlich mehr Beschäftigte mit wenig Wochenstunden, einige andere Nationen wie Norwegen und Dänemark liegen in etwa gleichauf. Allein in der Dekade von 2000 bis 2010 stieg die Zahl der deutschen Teilzeitjobs um drei Millionen – und die Zahl der Vollzeitstellen ging um 700.000 zurück.