Eine deutsche Besonderheit ist, wie stark sich Frauen und Männer in ihrer Lust auf Teilzeit unterscheiden. Fast jede zweite berufstätige Frau in Deutschland hat eine Teilzeitstelle, aber nur fünf Prozent der Männer. Außerdem arbeiten die deutschen Teilzeit-Frauen besonders wenige Wochenstunden. So kommt es, dass Deutschland beim Anteil der berufstätigen Frauen an der Bevölkerung sogar Frankreich abgehängt hat, das Land der Ganztagsschulen und Kleinkindkrippen. Trotzdem sind Umfragen zufolge viele Teilzeit-Frauen unzufrieden – sie würden gern mehr arbeiten, um finanziell unabhängiger zu sein.
Die traditionelle Einverdienerehe, so scheint es, wurde in Deutschland durch einen Haushalt mit eineinhalb Einkommen abgelöst. Früher arbeitete Papa Vollzeit, und Mama machte den Haushalt – heute macht Papa weiter wie die Generation zuvor, und Mama hat einen Minijob und später eine Minirente. Ginge es nach Wissenschaftlern wie Allmendinger würden beide vier Tage pro Woche arbeiten. Ungefähr so wie Martin Neitzel, der Braunschweiger Informatiker, der immer mittwochs Fahrrad fährt.
Das Problem der neuen Zeitpolitik-Ideen besteht darin, dass die meisten Beschäftigten nicht so gut verdienen wie der Geschäftsführer aus Norddeutschland. Wer mit seinem Geld gerade so über die Runden kommt, verzichtet aber nicht leicht auf ein Fünftel des Gehalts für eine Viertagewoche.
Insofern machen es sich jene Wissenschaftler zu leicht, die generell "vollzeitnahe Teilzeit" empfehlen. Und es sind auch längst nicht alle Arbeitnehmer glücklich, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen stecken. "Ich würde sehr gern mehr Stunden arbeiten, und auch für die meisten Kollegen wäre das ein Segen", sagt die aus der Ukraine stammende Olena Derzyan, die schon seit 14 Jahren in einem McDonald’s-Restaurant in Berlin-Friedrichshain arbeitet.
Derzyan hat einen Vertrag über 130 Stunden im Monat. In ihren ersten Jahren bei McDonald’s hatte sie eine volle Stelle, dann wurde sie gedrängt, auf einen Teilzeitvertrag zu wechseln. Der ist bei dem Schnellrestaurant keine Ausnahme, sondern die Regel. Wenn viel los ist, wird die Stundenzahl kurzfristig erhöht, so kann der Arbeitgeber leichter auf schwankende Nachfrage reagieren. Außerdem spart er Weihnachts- und Urlaubsgeld, dessen Höhe immer von der Wochenstundenzahl im Arbeitsvertrag abhängt.
Derzyan verdient bei McDonald’s wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit 8,55 Euro pro Stunde, Anfänger bekommen 7,51 Euro. Viele McDonald’s-Arbeiter sind Aufstocker, eben weil sie nur Teilzeit arbeiten können, sie bekommen also neben ihrem Gehalt noch Geld vom Staat. Derzyan hat lieber zusätzlich zwei Putzjobs angenommen. Außerdem teilt sie sich eine Wohnung mit ihrer berufstätigen Tochter. So kommt sie mit dem Geld zurecht. Aber eine begeisterte Teilzeitkraft ist sie nicht.