Fehlzeiten Deutsche feiern doppelt so häufig krank wie Briten

Geht es den Deutschen einfach zu gut? Laut einer Studie sind sie rund doppelt so häufig krank, wie die Briten. Schuld ist demnach die gute Versorgung durch Arbeitnehmerschutz und Krankengeld.

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Wovon die Deutschen krank werden
Schlechte Nachrichten: Laut dem neusten Gesundheitsbericht der Techniker Krankenkasse fehlen die deutschen Erwerbstätigen immer häufiger im Job. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Fehlzeiten bei den TK-Versicherten insgesamt um gut vier Prozent gestiegen. Jeder Beschäftigte war damit statistisch gesehen einen halben Tag mehr krankgeschrieben als 2010. Damit sind die Fehlzeiten seit 2006 insgesamt um über 20 Prozent gestiegen. Hauptursache ist laut Bericht die mobile Kommunikation. Durch das ständige „erreichbar sein“ könnten viele Werktätige nicht mehr zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden und lebten quasi auf „stand-by“ - mit teilweise schwerwiegenden Folgen. Wer besonders stark betroffen ist.
Der TK-Gesundheitsreport analysiert jährlich die Krankschreibungen und Arzneimitteldaten von 3,7 Millionen Erwerbstätigen. Insgesamt wurden dazu 403 Millionen Fehltage aus den Jahren 2000 bis 2011 ausgewertet. Auch die Bundespsychotherapeutenkammer hat auf die Zunahme der Fehlzeiten im Job wegen Burnout-Diagnosen hingewiesen. Demnach ist die Zahl der Fehltage seit dem Jahr 2004 um fast 1.400 Prozent gestiegen. Die TK forderte deshalb Maßnahmen zur gesünderen Arbeitsgestaltung. Dazu gehöre, die moderne Kommunikation so zu nutzen, dass sie die Gesundheit der Beschäftigten nicht nur belaste, sondern Arbeit auch gesünder gestalte, etwa durch Home-Office-Angebote, Telefon- und Videokonferenzen. Quelle: dpa
Steigend sind besonders die Fälle von psychischen Krankheiten. Demnach sind die psychisch bedingten Fehlzeiten seit 2006 um 61 Prozent gestiegen. Besonders Frauen sind den Angaben zufolge davon betroffen, was laut TK daran liegen dürfte, dass sie öfter in Dienstleistungsberufen tätig sind. Quelle: dpa
Krankheitsrisiko: Umzug. Arbeitnehmer, die zwischen 2009 und 2011 aus beruflichen Gründen in einen anderen Kreis zogen, waren 2011 mit 4,01 Fehltagen fast doppelt so lange wegen psychischer Störungen krankgeschrieben wie Menschen, die im Heimatkreis arbeiteten (2,11 Tage). Wer den Job häufiger wechselt, ist der Studie zufolge ebenfalls öfter von seelischen Störungen betroffen: Ab drei Wechseln erhöhte sich das Risiko für psychische Erkrankungen etwa auf das Doppelte. Quelle: dpa
Krankheitsrisiko: Pendeln. Im Vergleich zu Berufstätigen, die nah am Wohnort arbeiteten (1,92 Fehltage), waren Pendler (2,18 Fehltage) aufgrund psychischer Störungen 0,26 Tage länger krankgeschrieben. „Mobilität und Flexibilität gehen auf die Nerven“, erklärte eine TK-Sprecherin bei der Vorstellung des Berichts. Quelle: dpa
Indikator: Bildung. Erwerbstätige ohne Berufsausbildung haben mit durchschnittlich 19,7 Tagen deutlich mehr Fehltage als Studierte (5,7). Quelle: dpa
Am gesundheitschädlichsten: das Baugewerbe. Laut dem Report sind Erwerbstätige in Bau- und Holzberufen mit durchschnittlich 19,5 Tagen am häufigsten krankgemeldet. Grund ist, dass die Gefahr eines Arbeitsunfalls in diesen Berufen deutlich höher ist als etwa bei klassischen Büro-Jobs. Gleiches gilt auch für Berufe im Agrar- und Verkehrsbereich. Quelle: dpa

Eigentlich gelten die Deutschen im Ausland oft als der Stereotyp von Fleiß und Pflichtbewusstsein. Doch ganz so arbeitsam sind die Bundesbürger dann doch nicht. Eine Studie der Wolverhampton Business School in England, über die der "Focus" berichtet, sind deutsche Arbeitnehmer doppelt so häufig krank wie britische. Während in Großbritannien nur neun Prozent der befragten Unternehmen angab, im Jahr 2009 ein Problem mit hohen Krankenständen gehabt zu haben, waren es in Deutschland im gleichen Zeitraum ein Viertel der Betriebe.

Für die Studie wurden die Angaben von 2620 Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern in Großbritannien, Deutschland und Frankreich verglichen. Der Studie zufolge gibt es deutliche Veränderungen über die Jahre hinweg: Während seit 2004 in Großbritannien der Anteil von Firmen mit hohem Krankenstand um acht Prozentpunkte sank, stieg er in Deutschland zwischen 2004 und 2009 um sieben Prozentpunkte (von 17 auf 24 Prozent). In Frankreich sieht es ähnlich aus: dort meldeten 2009 21 Prozent der Unternehmen einen hohen Krankenstand.

Die Gründe für die vergleichsweise hohe Zahl an Krankheitstagen in Deutschland sehen die Forscher in einem besseren Arbeitnehmerschutz und dem großzügigen Krankengeld. Die Briten erlaubten sich offenbar aus Sorge vor den Konsequenzen weniger Fehltage, so das Fazit der Studie.

Laut den aktuellsten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fehlten kranke Arbeitnehmer im Jahr 2011 in Deutschland 12,6 Tage - insgesamt sind das 460,6 Millionen Tage. Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit waren dem Bericht zufolge wie auch in den vergangenen Jahren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie Rücken-, Gelenk- und Muskelbeschwerden. Aber auch psychische Krankheiten haben deutlich zugenommen, sie waren in den vergangenen Jahren verantwortlich für den starken Anstieg der Fehlzeiten. Die Zahl ging innerhalb von nur drei Jahren um 44 Prozent von 41 Millionen auf 59,2 Millionen (2011) nach oben.

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